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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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und die Pforte des Himmels.

§. 2. Wann du einem Nothdürfftigen zu Hülff kommst, so küssestAuf den
Neben-
Menschen,

du die Hand JEsu; Wann du einen Betrübten tröstest aus Hertz-
brennendem Mitleiden nach dem begierigen Einfluß der Gaab und
Erfahrung des heiligen Geistes; Dann gibst du dem Honig-fliessen-
den Mund JEsu wahrhafftig einen demüthigen Liebes-Kuß a. Laß
dich nicht irren mein lieber Bruder, daß ich jetzt sage JEsu, bald
neue Geburt, dann neugebohrnes Kind, und wiederum neues Leben
aus GOtt, dann es kommt alles in eins, sintemahl alle neugebohr-
ne, lebendige Abschilderungen, Gemähld und Bilder JESU sind
vom heiligen Geist darzu verfertiget b, daß sie seyen die Fülle Chri-
sti, der alles in allem erfüllet c, und sein sanfftmüthig, rein, heilig,
himmlisch Leben in ihnen allen als seinen Gliedern auf Erden fortse-
tzet biß an den Jüngsten Tag, da du grosse Wunder sehen wirst,
wie sie alle in JEsu, und JEsus in allen sey d: Ehre seye und ewi-
ges Lob denen unendlichen Erbarmungen GOttes, der uns so gün-
stig angesehen hat, und zu so grosser Herrlichkeit tüchtig machen will e.
Wer also dem anderen bessers gönnet als sich selbst f, bessere Ge-
mächlichkeit, mehr Gesundheit, Ansehen, Verstand, mehr Erleuch-
tung, Freud, und GOtt davor preiset, als widerfuhre ihme selbst
alles das Gute, und das alles ohne Neid, lauter um GOttes wil-
len, weil es ihne hoch freut, daß JEsus noch viele, weit schönere,
herrlichere Bäume hat im Paradieß seiner Kirchen, die ihme weit
köstlichere Früchte bringen zu seiner Ergötzung, wer also gesinnet ist,
der streicht dem Huldreichen Kindlein von Bethlehem wohl geläuter-
ten Honigseim in den Mund.

§. 3. Wer auf etwas warten muß, daß er meynet es thue garauf sich
selbsten,

noth, so daß die Natur darüber Verdruß einnehmen will, er aber
dämpffet schleunig in sich alle unruhige Begierd, wirfft sich in die
Schooß des Willens GOttes, und schwinget sich zu GOTT, ihne
auf das innigste zu lieben und zu loben; Die Zeit mit ihme indessen
zuzubringen, die verlangte zeitliche Sach oder Person komme nun,
oder bleibe aussen, der entbindet das Kindlein JEsus von den Win-
deln, daß es seine Gnaden-vollen Händlein dem lieben Freund oder
Freundin über das Angesicht streichen kan. Wer keine eigene Ehr

mehr
a Jes. LVIII. 7. Ps. II. 11.
b 2 Cor. III. 18.
c Eph. I. 23.
d Joh.
XVII.
23.
e Luc. I. 6. 8.
f 1 Joh. III. 17.
H h
und die Pforte des Himmels.

§. 2. Wann du einem Nothduͤrfftigen zu Huͤlff kommſt, ſo kuͤſſeſtAuf den
Neben-
Menſchen,

du die Hand JEſu; Wann du einen Betruͤbten troͤſteſt aus Hertz-
brennendem Mitleiden nach dem begierigen Einfluß der Gaab und
Erfahrung des heiligen Geiſtes; Dann gibſt du dem Honig-flieſſen-
den Mund JEſu wahrhafftig einen demuͤthigen Liebes-Kuß a. Laß
dich nicht irren mein lieber Bruder, daß ich jetzt ſage JEſu, bald
neue Geburt, dann neugebohrnes Kind, und wiederum neues Leben
aus GOtt, dann es kommt alles in eins, ſintemahl alle neugebohr-
ne, lebendige Abſchilderungen, Gemaͤhld und Bilder JESU ſind
vom heiligen Geiſt darzu verfertiget b, daß ſie ſeyen die Fuͤlle Chri-
ſti, der alles in allem erfuͤllet c, und ſein ſanfftmuͤthig, rein, heilig,
himmliſch Leben in ihnen allen als ſeinen Gliedern auf Erden fortſe-
tzet biß an den Juͤngſten Tag, da du groſſe Wunder ſehen wirſt,
wie ſie alle in JEſu, und JEſus in allen ſey d: Ehre ſeye und ewi-
ges Lob denen unendlichen Erbarmungen GOttes, der uns ſo guͤn-
ſtig angeſehen hat, und zu ſo groſſer Herrlichkeit tuͤchtig machen will e.
Wer alſo dem anderen beſſers goͤnnet als ſich ſelbſt f, beſſere Ge-
maͤchlichkeit, mehr Geſundheit, Anſehen, Verſtand, mehr Erleuch-
tung, Freud, und GOtt davor preiſet, als widerfuhre ihme ſelbſt
alles das Gute, und das alles ohne Neid, lauter um GOttes wil-
len, weil es ihne hoch freut, daß JEſus noch viele, weit ſchoͤnere,
herrlichere Baͤume hat im Paradieß ſeiner Kirchen, die ihme weit
koͤſtlichere Fruͤchte bringen zu ſeiner Ergoͤtzung, wer alſo geſinnet iſt,
der ſtreicht dem Huldreichen Kindlein von Bethlehem wohl gelaͤuter-
ten Honigſeim in den Mund.

§. 3. Wer auf etwas warten muß, daß er meynet es thue garauf ſich
ſelbſten,

noth, ſo daß die Natur daruͤber Verdruß einnehmen will, er aber
daͤmpffet ſchleunig in ſich alle unruhige Begierd, wirfft ſich in die
Schooß des Willens GOttes, und ſchwinget ſich zu GOTT, ihne
auf das innigſte zu lieben und zu loben; Die Zeit mit ihme indeſſen
zuzubringen, die verlangte zeitliche Sach oder Perſon komme nun,
oder bleibe auſſen, der entbindet das Kindlein JEſus von den Win-
deln, daß es ſeine Gnaden-vollen Haͤndlein dem lieben Freund oder
Freundin uͤber das Angeſicht ſtreichen kan. Wer keine eigene Ehr

mehr
a Jeſ. LVIII. 7. Pſ. II. 11.
b 2 Cor. III. 18.
c Eph. I. 23.
d Joh.
XVII.
23.
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[241/0337] und die Pforte des Himmels. §. 2. Wann du einem Nothduͤrfftigen zu Huͤlff kommſt, ſo kuͤſſeſt du die Hand JEſu; Wann du einen Betruͤbten troͤſteſt aus Hertz- brennendem Mitleiden nach dem begierigen Einfluß der Gaab und Erfahrung des heiligen Geiſtes; Dann gibſt du dem Honig-flieſſen- den Mund JEſu wahrhafftig einen demuͤthigen Liebes-Kuß a. Laß dich nicht irren mein lieber Bruder, daß ich jetzt ſage JEſu, bald neue Geburt, dann neugebohrnes Kind, und wiederum neues Leben aus GOtt, dann es kommt alles in eins, ſintemahl alle neugebohr- ne, lebendige Abſchilderungen, Gemaͤhld und Bilder JESU ſind vom heiligen Geiſt darzu verfertiget b, daß ſie ſeyen die Fuͤlle Chri- ſti, der alles in allem erfuͤllet c, und ſein ſanfftmuͤthig, rein, heilig, himmliſch Leben in ihnen allen als ſeinen Gliedern auf Erden fortſe- tzet biß an den Juͤngſten Tag, da du groſſe Wunder ſehen wirſt, wie ſie alle in JEſu, und JEſus in allen ſey d: Ehre ſeye und ewi- ges Lob denen unendlichen Erbarmungen GOttes, der uns ſo guͤn- ſtig angeſehen hat, und zu ſo groſſer Herrlichkeit tuͤchtig machen will e. Wer alſo dem anderen beſſers goͤnnet als ſich ſelbſt f, beſſere Ge- maͤchlichkeit, mehr Geſundheit, Anſehen, Verſtand, mehr Erleuch- tung, Freud, und GOtt davor preiſet, als widerfuhre ihme ſelbſt alles das Gute, und das alles ohne Neid, lauter um GOttes wil- len, weil es ihne hoch freut, daß JEſus noch viele, weit ſchoͤnere, herrlichere Baͤume hat im Paradieß ſeiner Kirchen, die ihme weit koͤſtlichere Fruͤchte bringen zu ſeiner Ergoͤtzung, wer alſo geſinnet iſt, der ſtreicht dem Huldreichen Kindlein von Bethlehem wohl gelaͤuter- ten Honigſeim in den Mund. Auf den Neben- Menſchen, §. 3. Wer auf etwas warten muß, daß er meynet es thue gar noth, ſo daß die Natur daruͤber Verdruß einnehmen will, er aber daͤmpffet ſchleunig in ſich alle unruhige Begierd, wirfft ſich in die Schooß des Willens GOttes, und ſchwinget ſich zu GOTT, ihne auf das innigſte zu lieben und zu loben; Die Zeit mit ihme indeſſen zuzubringen, die verlangte zeitliche Sach oder Perſon komme nun, oder bleibe auſſen, der entbindet das Kindlein JEſus von den Win- deln, daß es ſeine Gnaden-vollen Haͤndlein dem lieben Freund oder Freundin uͤber das Angeſicht ſtreichen kan. Wer keine eigene Ehr mehr auf ſich ſelbſten, a Jeſ. LVIII. 7. Pſ. II. 11. b 2 Cor. III. 18. c Eph. I. 23. d Joh. XVII. 23. e Luc. I. 6. 8. f 1 Joh. III. 17. H h

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/337>, abgerufen am 30.04.2024.