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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der geistliche Frühling.
erlaubt? und vermeinen, der thue ihnen das gröste Unrecht, der ih-
nen was verweiset. Ja wann ein (Frühlings-Blümlein) hervor
blühet, so scheinets in vieler Augen was neues und nicht zu dulden,
so gar ist ihnen der rauhe, geist- und leblose Winter angenehm, und
der anmuthige Sommer deines himmlischen Reichs zuwider, und an
statt daß ein allgemeine Betrübnuß und Kummer seyn sollte über ein
allgemeines Ubel der langen Nacht und Kälte, so hat man noch sein
Kurtzweil auf diesem Schnee und Eiß, seine Freud an denen duncke-
len Finsternüssen, indem ein jeder, der heimlich bey sich selbst froh
ist, daß er nicht der schlimmste sey, und folglich durch die allenthal-
ben eingerissene Achtlosigkeit der Erneuerung im Geist des Gemüths
mehr Lufft und Freyheit in todtnen Wercken hat, und von der Son-
ne der Liebe, brennende, Hertz-durchpfeilende Zeugnussen des H. Gei-
stes, durch die getreue Arbeiter in ihrer finsteren Nacht-Freude und
fleischlichen Ruhe nicht gestöret werde; Ach GOTT vom Himmel!
siehe darein, und laß die Sonne deiner Barmhertzigkeit, die Wun-
den des Gesalbeten heiß und helle scheinen, damit doch die hohe Eiß-
Berge deines Heyls-Vergessenheit dermahleneins schmeltzen, nach dei-
ner Verheissung, und die Königreiche der Erden, dir o GOTT,
Frucht tragen.

Aber was klag ich über andere, bin ich doch nicht die wenigste Ur-
sach, daß es an meinem Ort, unter meinen allernächsten so schlecht
aussiehet, indeme mehr meine eigene Ruh, Vergnügen und Seelig-
keit suche, als deine Herrlichkeit, die Offenbahrung deines Heyls in
vielen. Meines Nächsten Mangel und Untergang rühret mein Hertz
nur obenhin, und bitte ich für seine Bekehrung mehr aus Pflicht,
und zum Schein, als daß ich aus einem innerlichen Trieb deines Ho-
henpriesterlichen Geistes, recht ernstlich und anhaltend ringe und
kämpffe, daß dem allgemeinen Verderben gesteuret werde, und mei-
nes Nächsten Seele GOtt recht empfinde. Ach HErr JEsu! wie
wenige, wenige hast du noch unter deinen Schuleren, welche gleich
als wie Brenn-Spiegel alle deine göttliche Liebes-Strahlen fleißig
sammlen und auffassen, um das Eiß-kalte Hertz des armen Nächsten
einzuschmeltzen, und selbiges von der herben Nacht-Frost zu be-
freyen.

Ach du gedultiges Lamm GOttes! du sanfft-liebliche Seelen-Son-
ne, ich werde so leicht verdrießlich über andere, wann sie meine Re-

de
C c c

Der geiſtliche Fruͤhling.
erlaubt? und vermeinen, der thue ihnen das groͤſte Unrecht, der ih-
nen was verweiſet. Ja wann ein (Fruͤhlings-Bluͤmlein) hervor
bluͤhet, ſo ſcheinets in vieler Augen was neues und nicht zu dulden,
ſo gar iſt ihnen der rauhe, geiſt- und lebloſe Winter angenehm, und
der anmuthige Sommer deines himmliſchen Reichs zuwider, und an
ſtatt daß ein allgemeine Betruͤbnuß und Kummer ſeyn ſollte uͤber ein
allgemeines Ubel der langen Nacht und Kaͤlte, ſo hat man noch ſein
Kurtzweil auf dieſem Schnee und Eiß, ſeine Freud an denen duncke-
len Finſternuͤſſen, indem ein jeder, der heimlich bey ſich ſelbſt froh
iſt, daß er nicht der ſchlimmſte ſey, und folglich durch die allenthal-
ben eingeriſſene Achtloſigkeit der Erneuerung im Geiſt des Gemuͤths
mehr Lufft und Freyheit in todtnen Wercken hat, und von der Son-
ne der Liebe, brennende, Hertz-durchpfeilende Zeugnuſſen des H. Gei-
ſtes, durch die getreue Arbeiter in ihrer finſteren Nacht-Freude und
fleiſchlichen Ruhe nicht geſtoͤret werde; Ach GOTT vom Himmel!
ſiehe darein, und laß die Sonne deiner Barmhertzigkeit, die Wun-
den des Geſalbeten heiß und helle ſcheinen, damit doch die hohe Eiß-
Berge deines Heyls-Vergeſſenheit dermahleneins ſchmeltzen, nach dei-
ner Verheiſſung, und die Koͤnigreiche der Erden, dir o GOTT,
Frucht tragen.

Aber was klag ich uͤber andere, bin ich doch nicht die wenigſte Ur-
ſach, daß es an meinem Ort, unter meinen allernaͤchſten ſo ſchlecht
ausſiehet, indeme mehr meine eigene Ruh, Vergnuͤgen und Seelig-
keit ſuche, als deine Herrlichkeit, die Offenbahrung deines Heyls in
vielen. Meines Naͤchſten Mangel und Untergang ruͤhret mein Hertz
nur obenhin, und bitte ich fuͤr ſeine Bekehrung mehr aus Pflicht,
und zum Schein, als daß ich aus einem innerlichen Trieb deines Ho-
henprieſterlichen Geiſtes, recht ernſtlich und anhaltend ringe und
kaͤmpffe, daß dem allgemeinen Verderben geſteuret werde, und mei-
nes Naͤchſten Seele GOtt recht empfinde. Ach HErr JEſu! wie
wenige, wenige haſt du noch unter deinen Schuleren, welche gleich
als wie Brenn-Spiegel alle deine goͤttliche Liebes-Strahlen fleißig
ſammlen und auffaſſen, um das Eiß-kalte Hertz des armen Naͤchſten
einzuſchmeltzen, und ſelbiges von der herben Nacht-Froſt zu be-
freyen.

Ach du gedultiges Lamm GOttes! du ſanfft-liebliche Seelen-Son-
ne, ich werde ſo leicht verdrießlich uͤber andere, wann ſie meine Re-

de
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[385/0481] Der geiſtliche Fruͤhling. erlaubt? und vermeinen, der thue ihnen das groͤſte Unrecht, der ih- nen was verweiſet. Ja wann ein (Fruͤhlings-Bluͤmlein) hervor bluͤhet, ſo ſcheinets in vieler Augen was neues und nicht zu dulden, ſo gar iſt ihnen der rauhe, geiſt- und lebloſe Winter angenehm, und der anmuthige Sommer deines himmliſchen Reichs zuwider, und an ſtatt daß ein allgemeine Betruͤbnuß und Kummer ſeyn ſollte uͤber ein allgemeines Ubel der langen Nacht und Kaͤlte, ſo hat man noch ſein Kurtzweil auf dieſem Schnee und Eiß, ſeine Freud an denen duncke- len Finſternuͤſſen, indem ein jeder, der heimlich bey ſich ſelbſt froh iſt, daß er nicht der ſchlimmſte ſey, und folglich durch die allenthal- ben eingeriſſene Achtloſigkeit der Erneuerung im Geiſt des Gemuͤths mehr Lufft und Freyheit in todtnen Wercken hat, und von der Son- ne der Liebe, brennende, Hertz-durchpfeilende Zeugnuſſen des H. Gei- ſtes, durch die getreue Arbeiter in ihrer finſteren Nacht-Freude und fleiſchlichen Ruhe nicht geſtoͤret werde; Ach GOTT vom Himmel! ſiehe darein, und laß die Sonne deiner Barmhertzigkeit, die Wun- den des Geſalbeten heiß und helle ſcheinen, damit doch die hohe Eiß- Berge deines Heyls-Vergeſſenheit dermahleneins ſchmeltzen, nach dei- ner Verheiſſung, und die Koͤnigreiche der Erden, dir o GOTT, Frucht tragen. Aber was klag ich uͤber andere, bin ich doch nicht die wenigſte Ur- ſach, daß es an meinem Ort, unter meinen allernaͤchſten ſo ſchlecht ausſiehet, indeme mehr meine eigene Ruh, Vergnuͤgen und Seelig- keit ſuche, als deine Herrlichkeit, die Offenbahrung deines Heyls in vielen. Meines Naͤchſten Mangel und Untergang ruͤhret mein Hertz nur obenhin, und bitte ich fuͤr ſeine Bekehrung mehr aus Pflicht, und zum Schein, als daß ich aus einem innerlichen Trieb deines Ho- henprieſterlichen Geiſtes, recht ernſtlich und anhaltend ringe und kaͤmpffe, daß dem allgemeinen Verderben geſteuret werde, und mei- nes Naͤchſten Seele GOtt recht empfinde. Ach HErr JEſu! wie wenige, wenige haſt du noch unter deinen Schuleren, welche gleich als wie Brenn-Spiegel alle deine goͤttliche Liebes-Strahlen fleißig ſammlen und auffaſſen, um das Eiß-kalte Hertz des armen Naͤchſten einzuſchmeltzen, und ſelbiges von der herben Nacht-Froſt zu be- freyen. Ach du gedultiges Lamm GOttes! du ſanfft-liebliche Seelen-Son- ne, ich werde ſo leicht verdrießlich uͤber andere, wann ſie meine Re- de C c c

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/481>, abgerufen am 29.04.2024.