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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Die unter der Kelter des Zorns GOttes

Hier ruffet JEsus ängstiglich: Mein Vatter ists möglich, so
gehe dieser Kelch vor mir über.
O wie unsinnig seynd dann
so viele Christen, die mit den Juden ruffen: sein Blut komme über
uns und unsere Kinder! ja die mit ihrem Leben und täglicher Unbuß-
fertigkeit GOttes Gerechtigkeit nöthigen, als ob sie sagten: ich will
sündigen; ich will der Welt und Fleisch dienen; ich will meine Ge-
brechen behalten, dein Zorn-Kelch o GOTT! komme je länger je
näher zu mir, und gehe je bey mir nicht vorüber! ich will täglich
mehr einschencken, und Sünd zu Sünd, Trägheit zu Trägheit, Un-
gehorsam zu Ungehorsam hinzuthun, biß die Maaß voll sey; Es ist
zwar niemand, der solches rede; dann sonsten würd man ihme die
Zungen aus dem Rachen reissen; es ist auch nicht leicht jemand, der
solches gedencke, dann die falsche Einbildung von einer blinden Barm-
hertzigkeit schläfferet die Menschen ein; aber Tichten und Trachten,
Handel und Wandel zeugen solchen Sinn und Gemüth vor Himmel
und Erde; gleichwie der Sohn der in Weinberg gienge, mehr sag-
te mit seiner That, als sein Bruder, der mit dem Maul gesagt hat-
te: ja ich will gehen. Also ist der gewisser auf dem Weg zur Höllen,
der würcklich drauf gehet, als so einer sagte: er wolle in die Hölle
gehen und gienge nicht, sonderen thäte die Werck Christi.

daß sie sich
sollen des
H. Abend-
mahls
enthalten.

§. 2. Wie billich sollten solche den Kelch des H. Abendmahls bey
sich lassen fürüber gehen, damit sie nicht ihnen selber das Gericht trin-
cken. O wie manchem wäre es besser, er würde weit bey der Heil.
Tafel stehenden Fusses, getödtet, als daß er so immer Sünden auf
Sünden, ein Untreu und Falschheit auf die andere gegen GOtt und
Menschen häuffet, gleich als ob ein silberner Kelch im Abendmahl
wiederum sollte gut machen, was der Huren-Kelch Babylon an der
Seelen verderbet hat; da es doch nur äusserlich geschicht, und die
Seel nicht berühret, es seye dann ein lebendiger Glauben, und
recht gründlicher Haß gegen alles Böse in dem Hertzen, der allein
des wahren Bluts JEsu fähig ist, das ewige Leben zu geniessen; es
ist nicht möglich, daß ein solcher Spott des Leydens Christi sollte
ungestrafft bleiben; es seynd zwar GOtt alle Ding möglich, die
nicht wider seine Natur, Wahrheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit
streiten; aber eben seine Heiligkeit hat dieses mit einem unaufflößli-
chen Band zusammen verknüpfet, daß, wer den Gnaden-Kelch

nicht
Die unter der Kelter des Zorns GOttes

Hier ruffet JEſus aͤngſtiglich: Mein Vatter iſts moͤglich, ſo
gehe dieſer Kelch vor mir uͤber.
O wie unſinnig ſeynd dann
ſo viele Chriſten, die mit den Juden ruffen: ſein Blut komme uͤber
uns und unſere Kinder! ja die mit ihrem Leben und taͤglicher Unbuß-
fertigkeit GOttes Gerechtigkeit noͤthigen, als ob ſie ſagten: ich will
ſuͤndigen; ich will der Welt und Fleiſch dienen; ich will meine Ge-
brechen behalten, dein Zorn-Kelch o GOTT! komme je laͤnger je
naͤher zu mir, und gehe je bey mir nicht voruͤber! ich will taͤglich
mehr einſchencken, und Suͤnd zu Suͤnd, Traͤgheit zu Traͤgheit, Un-
gehorſam zu Ungehorſam hinzuthun, biß die Maaß voll ſey; Es iſt
zwar niemand, der ſolches rede; dann ſonſten wuͤrd man ihme die
Zungen aus dem Rachen reiſſen; es iſt auch nicht leicht jemand, der
ſolches gedencke, dann die falſche Einbildung von einer blinden Barm-
hertzigkeit ſchlaͤfferet die Menſchen ein; aber Tichten und Trachten,
Handel und Wandel zeugen ſolchen Sinn und Gemuͤth vor Himmel
und Erde; gleichwie der Sohn der in Weinberg gienge, mehr ſag-
te mit ſeiner That, als ſein Bruder, der mit dem Maul geſagt hat-
te: ja ich will gehen. Alſo iſt der gewiſſer auf dem Weg zur Hoͤllen,
der wuͤrcklich drauf gehet, als ſo einer ſagte: er wolle in die Hoͤlle
gehen und gienge nicht, ſonderen thaͤte die Werck Chriſti.

daß ſie ſich
ſollen des
H. Abend-
mahls
enthalten.

§. 2. Wie billich ſollten ſolche den Kelch des H. Abendmahls bey
ſich laſſen fuͤruͤber gehen, damit ſie nicht ihnen ſelber das Gericht trin-
cken. O wie manchem waͤre es beſſer, er wuͤrde weit bey der Heil.
Tafel ſtehenden Fuſſes, getoͤdtet, als daß er ſo immer Suͤnden auf
Suͤnden, ein Untreu und Falſchheit auf die andere gegen GOtt und
Menſchen haͤuffet, gleich als ob ein ſilberner Kelch im Abendmahl
wiederum ſollte gut machen, was der Huren-Kelch Babylon an der
Seelen verderbet hat; da es doch nur aͤuſſerlich geſchicht, und die
Seel nicht beruͤhret, es ſeye dann ein lebendiger Glauben, und
recht gruͤndlicher Haß gegen alles Boͤſe in dem Hertzen, der allein
des wahren Bluts JEſu faͤhig iſt, das ewige Leben zu genieſſen; es
iſt nicht moͤglich, daß ein ſolcher Spott des Leydens Chriſti ſollte
ungeſtrafft bleiben; es ſeynd zwar GOtt alle Ding moͤglich, die
nicht wider ſeine Natur, Wahrheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit
ſtreiten; aber eben ſeine Heiligkeit hat dieſes mit einem unauffloͤßli-
chen Band zuſammen verknuͤpfet, daß, wer den Gnaden-Kelch

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[470/0566] Die unter der Kelter des Zorns GOttes Hier ruffet JEſus aͤngſtiglich: Mein Vatter iſts moͤglich, ſo gehe dieſer Kelch vor mir uͤber. O wie unſinnig ſeynd dann ſo viele Chriſten, die mit den Juden ruffen: ſein Blut komme uͤber uns und unſere Kinder! ja die mit ihrem Leben und taͤglicher Unbuß- fertigkeit GOttes Gerechtigkeit noͤthigen, als ob ſie ſagten: ich will ſuͤndigen; ich will der Welt und Fleiſch dienen; ich will meine Ge- brechen behalten, dein Zorn-Kelch o GOTT! komme je laͤnger je naͤher zu mir, und gehe je bey mir nicht voruͤber! ich will taͤglich mehr einſchencken, und Suͤnd zu Suͤnd, Traͤgheit zu Traͤgheit, Un- gehorſam zu Ungehorſam hinzuthun, biß die Maaß voll ſey; Es iſt zwar niemand, der ſolches rede; dann ſonſten wuͤrd man ihme die Zungen aus dem Rachen reiſſen; es iſt auch nicht leicht jemand, der ſolches gedencke, dann die falſche Einbildung von einer blinden Barm- hertzigkeit ſchlaͤfferet die Menſchen ein; aber Tichten und Trachten, Handel und Wandel zeugen ſolchen Sinn und Gemuͤth vor Himmel und Erde; gleichwie der Sohn der in Weinberg gienge, mehr ſag- te mit ſeiner That, als ſein Bruder, der mit dem Maul geſagt hat- te: ja ich will gehen. Alſo iſt der gewiſſer auf dem Weg zur Hoͤllen, der wuͤrcklich drauf gehet, als ſo einer ſagte: er wolle in die Hoͤlle gehen und gienge nicht, ſonderen thaͤte die Werck Chriſti. §. 2. Wie billich ſollten ſolche den Kelch des H. Abendmahls bey ſich laſſen fuͤruͤber gehen, damit ſie nicht ihnen ſelber das Gericht trin- cken. O wie manchem waͤre es beſſer, er wuͤrde weit bey der Heil. Tafel ſtehenden Fuſſes, getoͤdtet, als daß er ſo immer Suͤnden auf Suͤnden, ein Untreu und Falſchheit auf die andere gegen GOtt und Menſchen haͤuffet, gleich als ob ein ſilberner Kelch im Abendmahl wiederum ſollte gut machen, was der Huren-Kelch Babylon an der Seelen verderbet hat; da es doch nur aͤuſſerlich geſchicht, und die Seel nicht beruͤhret, es ſeye dann ein lebendiger Glauben, und recht gruͤndlicher Haß gegen alles Boͤſe in dem Hertzen, der allein des wahren Bluts JEſu faͤhig iſt, das ewige Leben zu genieſſen; es iſt nicht moͤglich, daß ein ſolcher Spott des Leydens Chriſti ſollte ungeſtrafft bleiben; es ſeynd zwar GOtt alle Ding moͤglich, die nicht wider ſeine Natur, Wahrheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit ſtreiten; aber eben ſeine Heiligkeit hat dieſes mit einem unauffloͤßli- chen Band zuſammen verknuͤpfet, daß, wer den Gnaden-Kelch nicht

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/566>, abgerufen am 29.04.2024.