Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedancken von den Seelen-Aengsten.
mehr auspresset, so doch alles wenig hilfft: Willt du was ausrichten
und den Trost des Evangeliums in deinem Hertzen empfinden; so ru-
he nicht, schreye, flehe, biß dich dein HErr Christus vom Gesetz erlö-
set, aus dieser Grube heraus zeucht, und die Gnad des neuen Bunds
in dir Oberhand gewinnet, daß du ohne Wancken schliessen könnest:
ich bin kein Sohn oder Tochter Hagar mehr, sondern ein Sohn Sa-
ra Gal. 4. nichts wird dir der Schlangen-Biß im Gewissen recht ab-
kühlen, wo es das Gnaden-Oel nicht thut, das himmlische Lilien-Oel;
der Dornbusch Sinai brennt und sticht immer wütiger und kan mit
keinen Buß-Ubungen Johannis, mit keinem gesetzlichen Elias Eifer,
mit keinen Klagen Jeremias, mit keinen Gesichten und Aufschliessun-
gen der Propheten gestillet werden, biß Christus selbst erscheint mit
seiner heiligen Salbung, der da kommen soll und führet dich aus der
ängstlichen unfruchtbaren Wüste des Gesetzes ins freye, reine, weite
Gnaden-Reich, daß von Milch und Honig fließt. Summa die alte
Schlange soll Erden essen. Jes. LXV. 25. und also die Glaubi-
gen und GOttes Kinder antasten über allem dem was noch irrdisch,
fleischlich, gesetzlich und eigenliebig an ihnen ist. Aber an dem Gold
des geläuterten Glaubens wird er zu Schanden, denn er gehet in
GOttes Reich ein.

Wie es
auf Sa-
tans und
dann auf
GOttes
Seiten
bey diesen
Aengsten
gemeinet
seye.

§. 35. Diß wenige sey genug von dem Ursprung der Seelen-Aeng-
sten. Daraus also ihre innere Art und Natur schon zu sehen. Denn
auf seiten des argen Feindes, so ist da dunckel mit Schrecken. Wie
von Abram stehet: Schrecken und grosse Finsterniß überfiel ihn Gen.
XV. 12. dergleichen auch die H. Propheten erfahren. Ps. LXXXVIII.
16. Ps. LV. 5. 6. Jes. XXI. 4. Hab. IV. 16. und v. 2. denn dieser Kö-
nig des Schreckens wollte wohl gerne uns alle aus dem Reich des gött-
lichen Friedens und Freude, die wir an der Liebe unsers GOttes ha-
ben, ausreissen, den Glauben und dessen Freuden-Licht auslöschen,
uns in sein Angst-Reich ziehen, und also unsere Seelen verschlingen etc.
Aber o der göttlichen Treu, die solches nicht zugibt, wohl aber, daß
wir etwa gesichtet, gerüttelt und geschüttelt werden, wie man den
Waitzen sichtet. Luc. XXII. 31.

Also ist es auf Seiten des Feindes grimmig böß gemeint. Kan er
uns nicht in schwere Sünden ziehen, und durch Sünden in Despera-
tion und Verzweifflung, wie den Judas, so sucht er uns sonsten zu
ängstigen, und den Glauben zu bestürmen. Aber auf Seiten unsers

getreu-

Gedancken von den Seelen-Aengſten.
mehr auspreſſet, ſo doch alles wenig hilfft: Willt du was ausrichten
und den Troſt des Evangeliums in deinem Hertzen empfinden; ſo ru-
he nicht, ſchreye, flehe, biß dich dein HErr Chriſtus vom Geſetz erloͤ-
ſet, aus dieſer Grube heraus zeucht, und die Gnad des neuen Bunds
in dir Oberhand gewinnet, daß du ohne Wancken ſchlieſſen koͤnneſt:
ich bin kein Sohn oder Tochter Hagar mehr, ſondern ein Sohn Sa-
ra Gal. 4. nichts wird dir der Schlangen-Biß im Gewiſſen recht ab-
kuͤhlen, wo es das Gnaden-Oel nicht thut, das himmliſche Lilien-Oel;
der Dornbuſch Sinai brennt und ſticht immer wuͤtiger und kan mit
keinen Buß-Ubungen Johannis, mit keinem geſetzlichen Elias Eifer,
mit keinen Klagen Jeremias, mit keinen Geſichten und Aufſchlieſſun-
gen der Propheten geſtillet werden, biß Chriſtus ſelbſt erſcheint mit
ſeiner heiligen Salbung, der da kommen ſoll und fuͤhret dich aus der
aͤngſtlichen unfruchtbaren Wuͤſte des Geſetzes ins freye, reine, weite
Gnaden-Reich, daß von Milch und Honig fließt. Summa die alte
Schlange ſoll Erden eſſen. Jeſ. LXV. 25. und alſo die Glaubi-
gen und GOttes Kinder antaſten uͤber allem dem was noch irrdiſch,
fleiſchlich, geſetzlich und eigenliebig an ihnen iſt. Aber an dem Gold
des gelaͤuterten Glaubens wird er zu Schanden, denn er gehet in
GOttes Reich ein.

Wie es
auf Sa-
tans und
dann auf
GOttes
Seiten
bey dieſen
Aengſten
gemeinet
ſeye.

§. 35. Diß wenige ſey genug von dem Urſprung der Seelen-Aeng-
ſten. Daraus alſo ihre innere Art und Natur ſchon zu ſehen. Denn
auf ſeiten des argen Feindes, ſo iſt da dunckel mit Schrecken. Wie
von Abram ſtehet: Schrecken und groſſe Finſterniß uͤberfiel ihn Gen.
XV. 12. dergleichen auch die H. Propheten erfahren. Pſ. LXXXVIII.
16. Pſ. LV. 5. 6. Jeſ. XXI. 4. Hab. IV. 16. und v. 2. denn dieſer Koͤ-
nig des Schreckens wollte wohl gerne uns alle aus dem Reich des goͤtt-
lichen Friedens und Freude, die wir an der Liebe unſers GOttes ha-
ben, ausreiſſen, den Glauben und deſſen Freuden-Licht ausloͤſchen,
uns in ſein Angſt-Reich ziehen, und alſo unſere Seelen verſchlingen ꝛc.
Aber o der goͤttlichen Treu, die ſolches nicht zugibt, wohl aber, daß
wir etwa geſichtet, geruͤttelt und geſchuͤttelt werden, wie man den
Waitzen ſichtet. Luc. XXII. 31.

Alſo iſt es auf Seiten des Feindes grimmig boͤß gemeint. Kan er
uns nicht in ſchwere Suͤnden ziehen, und durch Suͤnden in Deſpera-
tion und Verzweifflung, wie den Judas, ſo ſucht er uns ſonſten zu
aͤngſtigen, und den Glauben zu beſtuͤrmen. Aber auf Seiten unſers

getreu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0600" n="504"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gedancken von den Seelen-Aeng&#x017F;ten.</hi></fw><lb/>
mehr auspre&#x017F;&#x017F;et, &#x017F;o doch alles wenig hilfft: Willt du was ausrichten<lb/>
und den Tro&#x017F;t des Evangeliums in deinem Hertzen empfinden; &#x017F;o ru-<lb/>
he nicht, &#x017F;chreye, flehe, biß dich dein HErr Chri&#x017F;tus vom Ge&#x017F;etz erlo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;et, aus die&#x017F;er Grube heraus zeucht, und die Gnad des neuen Bunds<lb/>
in dir Oberhand gewinnet, daß du ohne Wancken &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne&#x017F;t:<lb/>
ich bin kein Sohn oder Tochter Hagar mehr, &#x017F;ondern ein Sohn Sa-<lb/>
ra Gal. 4. nichts wird dir der Schlangen-Biß im Gewi&#x017F;&#x017F;en recht ab-<lb/>
ku&#x0364;hlen, wo es das Gnaden-Oel nicht thut, das himmli&#x017F;che Lilien-Oel;<lb/>
der Dornbu&#x017F;ch Sinai brennt und &#x017F;ticht immer wu&#x0364;tiger und kan mit<lb/>
keinen Buß-Ubungen Johannis, mit keinem ge&#x017F;etzlichen Elias Eifer,<lb/>
mit keinen Klagen Jeremias, mit keinen Ge&#x017F;ichten und Auf&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;un-<lb/>
gen der Propheten ge&#x017F;tillet werden, biß Chri&#x017F;tus &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;cheint mit<lb/>
&#x017F;einer heiligen Salbung, der da kommen &#x017F;oll und fu&#x0364;hret dich aus der<lb/>
a&#x0364;ng&#x017F;tlichen unfruchtbaren Wu&#x0364;&#x017F;te des Ge&#x017F;etzes ins freye, reine, weite<lb/>
Gnaden-Reich, daß von Milch und Honig fließt. Summa die alte<lb/>
Schlange &#x017F;oll <hi rendition="#fr">Erden e&#x017F;&#x017F;en.</hi> Je&#x017F;. <hi rendition="#aq">LXV.</hi> 25. und al&#x017F;o die Glaubi-<lb/>
gen und GOttes Kinder anta&#x017F;ten u&#x0364;ber allem dem was noch irrdi&#x017F;ch,<lb/>
flei&#x017F;chlich, ge&#x017F;etzlich und eigenliebig an ihnen i&#x017F;t. Aber an dem <hi rendition="#fr">Gold</hi><lb/>
des gela&#x0364;uterten Glaubens wird er zu Schanden, denn er gehet in<lb/>
GOttes Reich ein.</p><lb/>
          <note place="left">Wie es<lb/>
auf Sa-<lb/>
tans und<lb/>
dann auf<lb/>
GOttes<lb/>
Seiten<lb/>
bey die&#x017F;en<lb/>
Aeng&#x017F;ten<lb/>
gemeinet<lb/>
&#x017F;eye.</note>
          <p>§. 35. Diß wenige &#x017F;ey genug von dem Ur&#x017F;prung der Seelen-Aeng-<lb/>
&#x017F;ten. Daraus al&#x017F;o ihre innere <hi rendition="#fr">Art</hi> und Natur &#x017F;chon zu &#x017F;ehen. Denn<lb/>
auf &#x017F;eiten des argen Feindes, &#x017F;o i&#x017F;t da dunckel mit Schrecken. Wie<lb/>
von Abram &#x017F;tehet: Schrecken und gro&#x017F;&#x017F;e Fin&#x017F;terniß u&#x0364;berfiel ihn Gen.<lb/><hi rendition="#aq">XV.</hi> 12. dergleichen auch die H. Propheten erfahren. P&#x017F;. <hi rendition="#aq">LXXXVIII.</hi><lb/>
16. P&#x017F;. <hi rendition="#aq">LV.</hi> 5. 6. Je&#x017F;. <hi rendition="#aq">XXI.</hi> 4. Hab. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 16. und v. 2. denn die&#x017F;er Ko&#x0364;-<lb/>
nig des Schreckens wollte wohl gerne uns alle aus dem Reich des go&#x0364;tt-<lb/>
lichen Friedens und Freude, die wir an der Liebe un&#x017F;ers GOttes ha-<lb/>
ben, ausrei&#x017F;&#x017F;en, den Glauben und de&#x017F;&#x017F;en Freuden-Licht auslo&#x0364;&#x017F;chen,<lb/>
uns in &#x017F;ein Ang&#x017F;t-Reich ziehen, und al&#x017F;o un&#x017F;ere Seelen ver&#x017F;chlingen &#xA75B;c.<lb/>
Aber o der go&#x0364;ttlichen Treu, die &#x017F;olches nicht zugibt, wohl aber, daß<lb/>
wir etwa ge&#x017F;ichtet, geru&#x0364;ttelt und ge&#x017F;chu&#x0364;ttelt werden, wie man den<lb/>
Waitzen &#x017F;ichtet. Luc. <hi rendition="#aq">XXII.</hi> 31.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o i&#x017F;t es auf Seiten des Feindes grimmig bo&#x0364;ß gemeint. Kan er<lb/>
uns nicht in &#x017F;chwere Su&#x0364;nden ziehen, und durch Su&#x0364;nden in De&#x017F;pera-<lb/>
tion und Verzweifflung, wie den Judas, &#x017F;o &#x017F;ucht er uns &#x017F;on&#x017F;ten zu<lb/>
a&#x0364;ng&#x017F;tigen, und den Glauben zu be&#x017F;tu&#x0364;rmen. Aber auf Seiten un&#x017F;ers<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">getreu-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[504/0600] Gedancken von den Seelen-Aengſten. mehr auspreſſet, ſo doch alles wenig hilfft: Willt du was ausrichten und den Troſt des Evangeliums in deinem Hertzen empfinden; ſo ru- he nicht, ſchreye, flehe, biß dich dein HErr Chriſtus vom Geſetz erloͤ- ſet, aus dieſer Grube heraus zeucht, und die Gnad des neuen Bunds in dir Oberhand gewinnet, daß du ohne Wancken ſchlieſſen koͤnneſt: ich bin kein Sohn oder Tochter Hagar mehr, ſondern ein Sohn Sa- ra Gal. 4. nichts wird dir der Schlangen-Biß im Gewiſſen recht ab- kuͤhlen, wo es das Gnaden-Oel nicht thut, das himmliſche Lilien-Oel; der Dornbuſch Sinai brennt und ſticht immer wuͤtiger und kan mit keinen Buß-Ubungen Johannis, mit keinem geſetzlichen Elias Eifer, mit keinen Klagen Jeremias, mit keinen Geſichten und Aufſchlieſſun- gen der Propheten geſtillet werden, biß Chriſtus ſelbſt erſcheint mit ſeiner heiligen Salbung, der da kommen ſoll und fuͤhret dich aus der aͤngſtlichen unfruchtbaren Wuͤſte des Geſetzes ins freye, reine, weite Gnaden-Reich, daß von Milch und Honig fließt. Summa die alte Schlange ſoll Erden eſſen. Jeſ. LXV. 25. und alſo die Glaubi- gen und GOttes Kinder antaſten uͤber allem dem was noch irrdiſch, fleiſchlich, geſetzlich und eigenliebig an ihnen iſt. Aber an dem Gold des gelaͤuterten Glaubens wird er zu Schanden, denn er gehet in GOttes Reich ein. §. 35. Diß wenige ſey genug von dem Urſprung der Seelen-Aeng- ſten. Daraus alſo ihre innere Art und Natur ſchon zu ſehen. Denn auf ſeiten des argen Feindes, ſo iſt da dunckel mit Schrecken. Wie von Abram ſtehet: Schrecken und groſſe Finſterniß uͤberfiel ihn Gen. XV. 12. dergleichen auch die H. Propheten erfahren. Pſ. LXXXVIII. 16. Pſ. LV. 5. 6. Jeſ. XXI. 4. Hab. IV. 16. und v. 2. denn dieſer Koͤ- nig des Schreckens wollte wohl gerne uns alle aus dem Reich des goͤtt- lichen Friedens und Freude, die wir an der Liebe unſers GOttes ha- ben, ausreiſſen, den Glauben und deſſen Freuden-Licht ausloͤſchen, uns in ſein Angſt-Reich ziehen, und alſo unſere Seelen verſchlingen ꝛc. Aber o der goͤttlichen Treu, die ſolches nicht zugibt, wohl aber, daß wir etwa geſichtet, geruͤttelt und geſchuͤttelt werden, wie man den Waitzen ſichtet. Luc. XXII. 31. Alſo iſt es auf Seiten des Feindes grimmig boͤß gemeint. Kan er uns nicht in ſchwere Suͤnden ziehen, und durch Suͤnden in Deſpera- tion und Verzweifflung, wie den Judas, ſo ſucht er uns ſonſten zu aͤngſtigen, und den Glauben zu beſtuͤrmen. Aber auf Seiten unſers getreu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/600
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/600>, abgerufen am 03.05.2024.