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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Zuschrifft.
wir zuletzt alle verdammt, welches niemand gern glaubt. O
HERR Christe! wie blind und falsch ist doch aller Menschen Ur-
theil, die nichts höhers haben als ihren eigenen Geist; Du allein
richtest recht in deinem Wort und Geist, wer sich von diesen nicht
im gantzen Leben und allen seinen Thaten und Vornehmen beherr-
schen läßt, der bauet auf den Sand, und sollte er noch so geistrei-
che Redens-Arten, so fest-gesetzte Meynungen, so wohl ausgeson-
nene Weisen, Sitten und Aufsätze zu haben vermeynen. Wo es
uns allen nicht lediglich zu thun ist um das Göttliche Leben JESU
in uns, und eine wahre, lebendige Verbindung mit ihme, so
trauen wir vergebens auf dergleichen äussere Ding, und aufs Pa-
pier getruckte Religions-Bekanntnussen; Wo das Gesetz nicht ins
Hertz geschrieben, und die Liebe GOttes ausgegossen wird durch
den Heiligen Geist. Wem dieser innwendige Schatz mangelt, hat
eben so wenig Ursach andere wegen der Verschiedenheit der Reli-
gion auszulachen, als Bettel-Kinder haben einem Spanier wegen
seiner fremden Kleider-Tracht auf der Gassen nachzulauffen: Diß ist
ja nicht mannlich sondern kindisch, und nicht besser, als wann wir
unsere Bauren mit ihren weiten Hosen, und sie uns hinwieder ver-
lachen. Suum cuique pulchrum. Einem jeglichen Narren gefällt
seine Kappe. Kurtz wo man nicht rechtschaffene Buß thut, den H.
Geist in sich würcken lasset, und den wahren ewigen Sabbath in
diesem Leben anfahet, da wird der Wind die Spreuer des Eigen-
dünckels, Einbildung und Phantasie im Gericht zerstäuben. Lieber
Mensch! deine Glaubens-Bekanntniß mag noch so schön und schrifft-
mäßig seyn, das hilfft dir nichts, wo du nicht darein als in einen
Model neu gegossen wirst; Ja wann sie von Petro und Paulo selbst
gestellet wäre, und du darauf trotzen und dich darum anderen vor-
ziehen wolltest, so wurde es endlich nicht besseren Bescheid mit dir
haben, als mit den Söhnen Scevä; der Teufel wurde dir auchSo daß
man sich
durch
nichts von
dem glau-
bigen Ge-
horsam
abbringen
lässet.

zuletzt sagen: JEsum kenne ich wohl und Paulum weiß ich wohl;
wer bist aber du? Was gehet dich das Evangelium an, dem du nicht
gehorchest?

§. 2. Jch lasse dir die Religion und schöne Bekanntnuß gelten,
wann ich sehen kan, daß du sie nicht nur an hast, wie Hut und
Handschuh, sondern daß sie dir wie die Haut angewachsen, also

daß,

Zuſchrifft.
wir zuletzt alle verdammt, welches niemand gern glaubt. O
HERR Chriſte! wie blind und falſch iſt doch aller Menſchen Ur-
theil, die nichts hoͤhers haben als ihren eigenen Geiſt; Du allein
richteſt recht in deinem Wort und Geiſt, wer ſich von dieſen nicht
im gantzen Leben und allen ſeinen Thaten und Vornehmen beherr-
ſchen laͤßt, der bauet auf den Sand, und ſollte er noch ſo geiſtrei-
che Redens-Arten, ſo feſt-geſetzte Meynungen, ſo wohl ausgeſon-
nene Weiſen, Sitten und Aufſaͤtze zu haben vermeynen. Wo es
uns allen nicht lediglich zu thun iſt um das Goͤttliche Leben JESU
in uns, und eine wahre, lebendige Verbindung mit ihme, ſo
trauen wir vergebens auf dergleichen aͤuſſere Ding, und aufs Pa-
pier getruckte Religions-Bekanntnuſſen; Wo das Geſetz nicht ins
Hertz geſchrieben, und die Liebe GOttes ausgegoſſen wird durch
den Heiligen Geiſt. Wem dieſer innwendige Schatz mangelt, hat
eben ſo wenig Urſach andere wegen der Verſchiedenheit der Reli-
gion auszulachen, als Bettel-Kinder haben einem Spanier wegen
ſeiner fremden Kleider-Tracht auf der Gaſſen nachzulauffen: Diß iſt
ja nicht mannlich ſondern kindiſch, und nicht beſſer, als wann wir
unſere Bauren mit ihren weiten Hoſen, und ſie uns hinwieder ver-
lachen. Suum cuique pulchrum. Einem jeglichen Narren gefaͤllt
ſeine Kappe. Kurtz wo man nicht rechtſchaffene Buß thut, den H.
Geiſt in ſich wuͤrcken laſſet, und den wahren ewigen Sabbath in
dieſem Leben anfahet, da wird der Wind die Spreuer des Eigen-
duͤnckels, Einbildung und Phantaſie im Gericht zerſtaͤuben. Lieber
Menſch! deine Glaubens-Bekanntniß mag noch ſo ſchoͤn und ſchrifft-
maͤßig ſeyn, das hilfft dir nichts, wo du nicht darein als in einen
Model neu gegoſſen wirſt; Ja wann ſie von Petro und Paulo ſelbſt
geſtellet waͤre, und du darauf trotzen und dich darum anderen vor-
ziehen wollteſt, ſo wurde es endlich nicht beſſeren Beſcheid mit dir
haben, als mit den Soͤhnen Scevaͤ; der Teufel wurde dir auchSo daß
man ſich
durch
nichts von
dem glau-
bigen Ge-
horſam
abbringen
laͤſſet.

zuletzt ſagen: JEſum kenne ich wohl und Paulum weiß ich wohl;
wer biſt aber du? Was gehet dich das Evangelium an, dem du nicht
gehorcheſt?

§. 2. Jch laſſe dir die Religion und ſchoͤne Bekanntnuß gelten,
wann ich ſehen kan, daß du ſie nicht nur an haſt, wie Hut und
Handſchuh, ſondern daß ſie dir wie die Haut angewachſen, alſo

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[567/0663] Zuſchrifft. wir zuletzt alle verdammt, welches niemand gern glaubt. O HERR Chriſte! wie blind und falſch iſt doch aller Menſchen Ur- theil, die nichts hoͤhers haben als ihren eigenen Geiſt; Du allein richteſt recht in deinem Wort und Geiſt, wer ſich von dieſen nicht im gantzen Leben und allen ſeinen Thaten und Vornehmen beherr- ſchen laͤßt, der bauet auf den Sand, und ſollte er noch ſo geiſtrei- che Redens-Arten, ſo feſt-geſetzte Meynungen, ſo wohl ausgeſon- nene Weiſen, Sitten und Aufſaͤtze zu haben vermeynen. Wo es uns allen nicht lediglich zu thun iſt um das Goͤttliche Leben JESU in uns, und eine wahre, lebendige Verbindung mit ihme, ſo trauen wir vergebens auf dergleichen aͤuſſere Ding, und aufs Pa- pier getruckte Religions-Bekanntnuſſen; Wo das Geſetz nicht ins Hertz geſchrieben, und die Liebe GOttes ausgegoſſen wird durch den Heiligen Geiſt. Wem dieſer innwendige Schatz mangelt, hat eben ſo wenig Urſach andere wegen der Verſchiedenheit der Reli- gion auszulachen, als Bettel-Kinder haben einem Spanier wegen ſeiner fremden Kleider-Tracht auf der Gaſſen nachzulauffen: Diß iſt ja nicht mannlich ſondern kindiſch, und nicht beſſer, als wann wir unſere Bauren mit ihren weiten Hoſen, und ſie uns hinwieder ver- lachen. Suum cuique pulchrum. Einem jeglichen Narren gefaͤllt ſeine Kappe. Kurtz wo man nicht rechtſchaffene Buß thut, den H. Geiſt in ſich wuͤrcken laſſet, und den wahren ewigen Sabbath in dieſem Leben anfahet, da wird der Wind die Spreuer des Eigen- duͤnckels, Einbildung und Phantaſie im Gericht zerſtaͤuben. Lieber Menſch! deine Glaubens-Bekanntniß mag noch ſo ſchoͤn und ſchrifft- maͤßig ſeyn, das hilfft dir nichts, wo du nicht darein als in einen Model neu gegoſſen wirſt; Ja wann ſie von Petro und Paulo ſelbſt geſtellet waͤre, und du darauf trotzen und dich darum anderen vor- ziehen wollteſt, ſo wurde es endlich nicht beſſeren Beſcheid mit dir haben, als mit den Soͤhnen Scevaͤ; der Teufel wurde dir auch zuletzt ſagen: JEſum kenne ich wohl und Paulum weiß ich wohl; wer biſt aber du? Was gehet dich das Evangelium an, dem du nicht gehorcheſt? So daß man ſich durch nichts von dem glau- bigen Ge- horſam abbringen laͤſſet. §. 2. Jch laſſe dir die Religion und ſchoͤne Bekanntnuß gelten, wann ich ſehen kan, daß du ſie nicht nur an haſt, wie Hut und Handſchuh, ſondern daß ſie dir wie die Haut angewachſen, alſo daß,

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/663>, abgerufen am 28.04.2024.