Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
ternheit zu benehmen, und wie ein holdes Kindlein auf die liebseeligste
Weise zu sich zu locken. Denn obschon die äussere Umstände der H.
Menschheit JEsus sich geändert, so ändert sich doch sein Hertz nicht: wie
etwann unter den Menschen die Aenderung des Stands, Hertz und
Sinn ändert: Sintemahl JEsus nicht ein blosser Mensch, sondern
der unwandelbahre GOtt ist, aus dessen unendlicher, ewig unverän-
derlicher Liebe der Kindheits-Stand nicht weniger geflossen ist als
der Stand seiner allerhöchsten Majestät. JEsus ist ohne End einer
und eben derselbe gegen uns. Und ist Christo das vor 1700. Jahren
mit ihme Vorgegangene eben so gegenwärtig und in seinem Himmel-
weiten JEsus-Hertzen inne bleibend mit allen denen zarten Liebes-
Gedancken seiner H. Kindheit, als die er jetzt hat: Was in dem
wesentlichen GOtt ist, vergehet, veraltet und verfließt nicht, wie
blosse Menschen-Gedancken verfladeren. Dieses ist die greuliche
Sünd wider das II. Gebott, da der Mensch sich von GOtt ein
Bild machet, und meynt GOtt seye allerdings gleich wie er. Es
wird mancher HErr-HErr-Schreyer, der mit hohen Titlen GOtt
zu gefallen vermeynt, draussen bleiben, allweil ein nach GOtt in
süsser Liebe verwundetes Hertz, das von keinem anderen Schatz,
Freud und Theil wissen will, und in zerschmeltzender Glaubens-Won-
ne und Gnaden-reicher Hertzens-Bewegung JEsum als ein Kind um-
fasset, und nichts sagen kan, als: O mein holdes Brüderlein! mit
den Schätzen des Himmelreichs gesättiget wird. GOttes Reich ste-
het nicht in Worten, sondern im Glauben, Liebe und Krafft, daß
man JEsum höher schätze als sich selbst und die gantze Welt, und
es bey allen Anlässen in der That erweise. Doch wann sich der Glaub
erhebt von der Krippen zu dem Thron der Herrlichkeit, so führet er auch
die Sprach der H. Engeln und der erkaufften, gerechtfertigten und ge-
heiligten Menschen; das ist alsdann nicht ein leeres, affectirtes, heuchle-
risches Wort-Gepräng, sondern kräfftige, lebendige Ausdrücke ei-
ner allertieffsten Anbettung und Verehrung der grossen Majestät
GOttes im Geist und in der Wahrheit, wie es der Vatter haben
will.

Erinne-
rung we-
gewissen
Redens-
Arten,

§. 6. Hier ist noch zu erinneren, daß dem gemeinen Land-Volck
zulieb einige ihrer Red-Arten gebraucht, und wo Welsche oder La-
teinische Wörter stehen, selbe allemahl ins Teutsche übersetzt, die
Welschen Wörter aber sind behalten worden, weilen sie die gebräuch-

lichste

Vorbericht.
ternheit zu benehmen, und wie ein holdes Kindlein auf die liebſeeligſte
Weiſe zu ſich zu locken. Denn obſchon die aͤuſſere Umſtaͤnde der H.
Menſchheit JEſus ſich geaͤndert, ſo aͤndert ſich doch ſein Hertz nicht: wie
etwann unter den Menſchen die Aenderung des Stands, Hertz und
Sinn aͤndert: Sintemahl JEſus nicht ein bloſſer Menſch, ſondern
der unwandelbahre GOtt iſt, aus deſſen unendlicher, ewig unveraͤn-
derlicher Liebe der Kindheits-Stand nicht weniger gefloſſen iſt als
der Stand ſeiner allerhoͤchſten Majeſtaͤt. JEſus iſt ohne End einer
und eben derſelbe gegen uns. Und iſt Chriſto das vor 1700. Jahren
mit ihme Vorgegangene eben ſo gegenwaͤrtig und in ſeinem Himmel-
weiten JEſus-Hertzen inne bleibend mit allen denen zarten Liebes-
Gedancken ſeiner H. Kindheit, als die er jetzt hat: Was in dem
weſentlichen GOtt iſt, vergehet, veraltet und verfließt nicht, wie
bloſſe Menſchen-Gedancken verfladeren. Dieſes iſt die greuliche
Suͤnd wider das II. Gebott, da der Menſch ſich von GOtt ein
Bild machet, und meynt GOtt ſeye allerdings gleich wie er. Es
wird mancher HErr-HErr-Schreyer, der mit hohen Titlen GOtt
zu gefallen vermeynt, drauſſen bleiben, allweil ein nach GOtt in
ſuͤſſer Liebe verwundetes Hertz, das von keinem anderen Schatz,
Freud und Theil wiſſen will, und in zerſchmeltzender Glaubens-Won-
ne und Gnaden-reicher Hertzens-Bewegung JEſum als ein Kind um-
faſſet, und nichts ſagen kan, als: O mein holdes Bruͤderlein! mit
den Schaͤtzen des Himmelreichs geſaͤttiget wird. GOttes Reich ſte-
het nicht in Worten, ſondern im Glauben, Liebe und Krafft, daß
man JEſum hoͤher ſchaͤtze als ſich ſelbſt und die gantze Welt, und
es bey allen Anlaͤſſen in der That erweiſe. Doch wann ſich der Glaub
erhebt von der Krippen zu dem Thron der Herrlichkeit, ſo fuͤhret er auch
die Sprach der H. Engeln und der erkaufften, gerechtfertigten und ge-
heiligten Menſchen; das iſt alsdann nicht ein leeres, affectirtes, heuchle-
riſches Wort-Gepraͤng, ſondern kraͤfftige, lebendige Ausdruͤcke ei-
ner allertieffſten Anbettung und Verehrung der groſſen Majeſtaͤt
GOttes im Geiſt und in der Wahrheit, wie es der Vatter haben
will.

Erinne-
rung we-
gewiſſen
Redens-
Arten,

§. 6. Hier iſt noch zu erinneren, daß dem gemeinen Land-Volck
zulieb einige ihrer Red-Arten gebraucht, und wo Welſche oder La-
teiniſche Woͤrter ſtehen, ſelbe allemahl ins Teutſche uͤberſetzt, die
Welſchen Woͤrter aber ſind behalten worden, weilen ſie die gebraͤuch-

lichſte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0678" n="582"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht.</hi></fw><lb/>
ternheit zu benehmen, und wie ein holdes Kindlein auf die lieb&#x017F;eelig&#x017F;te<lb/>
Wei&#x017F;e zu &#x017F;ich zu locken. Denn ob&#x017F;chon die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Um&#x017F;ta&#x0364;nde der H.<lb/>
Men&#x017F;chheit JE&#x017F;us &#x017F;ich gea&#x0364;ndert, &#x017F;o a&#x0364;ndert &#x017F;ich doch &#x017F;ein Hertz nicht: wie<lb/>
etwann unter den Men&#x017F;chen die Aenderung des Stands, Hertz und<lb/>
Sinn a&#x0364;ndert: Sintemahl JE&#x017F;us nicht ein blo&#x017F;&#x017F;er Men&#x017F;ch, &#x017F;ondern<lb/>
der unwandelbahre GOtt i&#x017F;t, aus de&#x017F;&#x017F;en unendlicher, ewig unvera&#x0364;n-<lb/>
derlicher Liebe der Kindheits-Stand nicht weniger geflo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t als<lb/>
der Stand &#x017F;einer allerho&#x0364;ch&#x017F;ten Maje&#x017F;ta&#x0364;t. JE&#x017F;us i&#x017F;t ohne End einer<lb/>
und eben der&#x017F;elbe gegen uns. Und i&#x017F;t Chri&#x017F;to das vor 1700. Jahren<lb/>
mit ihme Vorgegangene eben &#x017F;o gegenwa&#x0364;rtig und in &#x017F;einem Himmel-<lb/>
weiten JE&#x017F;us-Hertzen inne bleibend mit allen denen zarten Liebes-<lb/>
Gedancken &#x017F;einer H. Kindheit, als die er jetzt hat: Was in dem<lb/>
we&#x017F;entlichen GOtt i&#x017F;t, vergehet, veraltet und verfließt nicht, wie<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;e Men&#x017F;chen-Gedancken verfladeren. Die&#x017F;es i&#x017F;t die greuliche<lb/>
Su&#x0364;nd wider das <hi rendition="#aq">II.</hi> Gebott, da der Men&#x017F;ch &#x017F;ich von GOtt ein<lb/>
Bild machet, und meynt GOtt &#x017F;eye allerdings gleich wie er. Es<lb/>
wird mancher HErr-HErr-Schreyer, der mit hohen Titlen GOtt<lb/>
zu gefallen vermeynt, drau&#x017F;&#x017F;en bleiben, allweil ein nach GOtt in<lb/>
&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Liebe verwundetes Hertz, das von keinem anderen Schatz,<lb/>
Freud und Theil wi&#x017F;&#x017F;en will, und in zer&#x017F;chmeltzender Glaubens-Won-<lb/>
ne und Gnaden-reicher Hertzens-Bewegung JE&#x017F;um als ein Kind um-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;et, und nichts &#x017F;agen kan, als: O mein holdes Bru&#x0364;derlein! mit<lb/>
den Scha&#x0364;tzen des Himmelreichs ge&#x017F;a&#x0364;ttiget wird. GOttes Reich &#x017F;te-<lb/>
het nicht in Worten, &#x017F;ondern im Glauben, Liebe und Krafft, daß<lb/>
man JE&#x017F;um ho&#x0364;her &#x017F;cha&#x0364;tze als &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und die gantze Welt, und<lb/>
es bey allen Anla&#x0364;&#x017F;&#x017F;en in der That erwei&#x017F;e. Doch wann &#x017F;ich der Glaub<lb/>
erhebt von der Krippen zu dem Thron der Herrlichkeit, &#x017F;o fu&#x0364;hret er auch<lb/>
die Sprach der H. Engeln und der erkaufften, gerechtfertigten und ge-<lb/>
heiligten Men&#x017F;chen; das i&#x017F;t alsdann nicht ein leeres, affectirtes, heuchle-<lb/>
ri&#x017F;ches Wort-Gepra&#x0364;ng, &#x017F;ondern kra&#x0364;fftige, lebendige Ausdru&#x0364;cke ei-<lb/>
ner allertieff&#x017F;ten Anbettung und Verehrung der gro&#x017F;&#x017F;en Maje&#x017F;ta&#x0364;t<lb/>
GOttes im Gei&#x017F;t und in der Wahrheit, wie es der Vatter haben<lb/>
will.</p><lb/>
          <note place="left">Erinne-<lb/>
rung we-<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Redens-<lb/>
Arten,</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 6. Hier i&#x017F;t noch zu erinneren, daß dem gemeinen Land-Volck<lb/>
zulieb einige ihrer Red-Arten gebraucht, und wo Wel&#x017F;che oder La-<lb/>
teini&#x017F;che Wo&#x0364;rter &#x017F;tehen, &#x017F;elbe allemahl ins Teut&#x017F;che u&#x0364;ber&#x017F;etzt, die<lb/>
Wel&#x017F;chen Wo&#x0364;rter aber &#x017F;ind behalten worden, weilen &#x017F;ie die gebra&#x0364;uch-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich&#x017F;te</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[582/0678] Vorbericht. ternheit zu benehmen, und wie ein holdes Kindlein auf die liebſeeligſte Weiſe zu ſich zu locken. Denn obſchon die aͤuſſere Umſtaͤnde der H. Menſchheit JEſus ſich geaͤndert, ſo aͤndert ſich doch ſein Hertz nicht: wie etwann unter den Menſchen die Aenderung des Stands, Hertz und Sinn aͤndert: Sintemahl JEſus nicht ein bloſſer Menſch, ſondern der unwandelbahre GOtt iſt, aus deſſen unendlicher, ewig unveraͤn- derlicher Liebe der Kindheits-Stand nicht weniger gefloſſen iſt als der Stand ſeiner allerhoͤchſten Majeſtaͤt. JEſus iſt ohne End einer und eben derſelbe gegen uns. Und iſt Chriſto das vor 1700. Jahren mit ihme Vorgegangene eben ſo gegenwaͤrtig und in ſeinem Himmel- weiten JEſus-Hertzen inne bleibend mit allen denen zarten Liebes- Gedancken ſeiner H. Kindheit, als die er jetzt hat: Was in dem weſentlichen GOtt iſt, vergehet, veraltet und verfließt nicht, wie bloſſe Menſchen-Gedancken verfladeren. Dieſes iſt die greuliche Suͤnd wider das II. Gebott, da der Menſch ſich von GOtt ein Bild machet, und meynt GOtt ſeye allerdings gleich wie er. Es wird mancher HErr-HErr-Schreyer, der mit hohen Titlen GOtt zu gefallen vermeynt, drauſſen bleiben, allweil ein nach GOtt in ſuͤſſer Liebe verwundetes Hertz, das von keinem anderen Schatz, Freud und Theil wiſſen will, und in zerſchmeltzender Glaubens-Won- ne und Gnaden-reicher Hertzens-Bewegung JEſum als ein Kind um- faſſet, und nichts ſagen kan, als: O mein holdes Bruͤderlein! mit den Schaͤtzen des Himmelreichs geſaͤttiget wird. GOttes Reich ſte- het nicht in Worten, ſondern im Glauben, Liebe und Krafft, daß man JEſum hoͤher ſchaͤtze als ſich ſelbſt und die gantze Welt, und es bey allen Anlaͤſſen in der That erweiſe. Doch wann ſich der Glaub erhebt von der Krippen zu dem Thron der Herrlichkeit, ſo fuͤhret er auch die Sprach der H. Engeln und der erkaufften, gerechtfertigten und ge- heiligten Menſchen; das iſt alsdann nicht ein leeres, affectirtes, heuchle- riſches Wort-Gepraͤng, ſondern kraͤfftige, lebendige Ausdruͤcke ei- ner allertieffſten Anbettung und Verehrung der groſſen Majeſtaͤt GOttes im Geiſt und in der Wahrheit, wie es der Vatter haben will. §. 6. Hier iſt noch zu erinneren, daß dem gemeinen Land-Volck zulieb einige ihrer Red-Arten gebraucht, und wo Welſche oder La- teiniſche Woͤrter ſtehen, ſelbe allemahl ins Teutſche uͤberſetzt, die Welſchen Woͤrter aber ſind behalten worden, weilen ſie die gebraͤuch- lichſte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/678
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/678>, abgerufen am 21.05.2024.