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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Weyhnachts-Gedancken.
Stall weynen hört, so schäme ich mich meiner Unleidigkeit, weil
ich meinem GOtt mit meinen Sünden und eitelen Lüsten, Kurtz-
weilen und unnützem Zeit-Vertreib, diese Thränen ausgepresset.
Der allmächtige HErr, der alles trägt mit seinem Krafft-Wort a,
der wird von einer Magd als ein schwaches Kind auf den Armen
getragen, damit er die schwach gewordene Menschheit stärckte,
Sünd, Teufel und Welt zu besiegen. Der, vor welches Ange-
sicht die gantze Welt erbebet b, der die Stühle der Königen umstos-
set c, vor welchem Himmel, Erden und die Höll selbst erzittert d,
der liegt in der Schooß einer Jungfrau, als ein huldreich, lieb-
lich-spielend Kind. Der, der nicht nur alle Wasser und köstliche
Getränck auf Erden gemacht, sondern auch unzehlich viel tausend
mahl tausend seelige Menschen und Engel truncken macht von den
reichen Gütern seines Hauses, und aus dem Bach seiner selbst-ei-
genen Wollüsten e, der saugt jetzt die Brüste seiner Mutter, damit
er uns entwehne von dem Gifft und Galle der verführischen Lust-
Seuchen, Geld- und Ehr-Geitz, hingegen uns gierig mache nach
seiner gesunden und lebendigmachenden Gnaden-Lehr, nach der lau-
tern Milch des Worts f, und die Reden GOttes unserm Mund
süsser werden dann Honig g; daß wir unsern Rachen aufsperren,
und darnach süchten und keichen, und seine Gebotte lieb haben über
geläutert Gold; ja daß wir von der Höhe des Sions jauchzen über
den Gütern des HErrn, dem Getraid, Most und Oel, auf daß
wir saugen h und satt werden von den Brüsten der Tröstungen Je-
rusalems, auf daß wir aussaugen und uns ergötzen von dem Glantz
ihrer Herrlichkeit. Der, an dessen grossen Tag die Himmel mit gros-
sem Krachen zergehen, die Element aber vor Hitz zerschmeltzen,
und die Erden, und die Werck die drinnen sind, verbrennen wer-
den i, der laßt sich jetzt von jedermann auf die Arme nehmen, her-
tzen und drucken, damit wir durch seine süsse Liebe angezündet,
alle Menschen hertzlich wohl meynen, redlich und ohne Falsch
seyen k, als untadeliche Kinder, barmhertzig, wie unser Vatter
im Himmel l, und hiemit vom künfftigen Zorn errettet, an jenem

Tag
a Hebr. I. 3. Ps. CIV. Joh. I. 3.
b Nah. I. 4-7.
c Hagg. II. 22.
d Apoc. XX. 11.
e Ps. XXXVI.
f 1 Petr. II. 2.
g Ps. CXIX.
h Jerem. XXXI. 12. Jes. LXVI.
i 2 Petr. III. 10.
k Luc. VI.
l 1 Thess. I. 10.
H h h h 2

Weyhnachts-Gedancken.
Stall weynen hoͤrt, ſo ſchaͤme ich mich meiner Unleidigkeit, weil
ich meinem GOtt mit meinen Suͤnden und eitelen Luͤſten, Kurtz-
weilen und unnuͤtzem Zeit-Vertreib, dieſe Thraͤnen ausgepreſſet.
Der allmaͤchtige HErr, der alles traͤgt mit ſeinem Krafft-Wort a,
der wird von einer Magd als ein ſchwaches Kind auf den Armen
getragen, damit er die ſchwach gewordene Menſchheit ſtaͤrckte,
Suͤnd, Teufel und Welt zu beſiegen. Der, vor welches Ange-
ſicht die gantze Welt erbebet b, der die Stuͤhle der Koͤnigen umſtoſ-
ſet c, vor welchem Himmel, Erden und die Hoͤll ſelbſt erzittert d,
der liegt in der Schooß einer Jungfrau, als ein huldreich, lieb-
lich-ſpielend Kind. Der, der nicht nur alle Waſſer und koͤſtliche
Getraͤnck auf Erden gemacht, ſondern auch unzehlich viel tauſend
mahl tauſend ſeelige Menſchen und Engel truncken macht von den
reichen Guͤtern ſeines Hauſes, und aus dem Bach ſeiner ſelbſt-ei-
genen Wolluͤſten e, der ſaugt jetzt die Bruͤſte ſeiner Mutter, damit
er uns entwehne von dem Gifft und Galle der verfuͤhriſchen Luſt-
Seuchen, Geld- und Ehr-Geitz, hingegen uns gierig mache nach
ſeiner geſunden und lebendigmachenden Gnaden-Lehr, nach der lau-
tern Milch des Worts f, und die Reden GOttes unſerm Mund
ſuͤſſer werden dann Honig g; daß wir unſern Rachen aufſperren,
und darnach ſuͤchten und keichen, und ſeine Gebotte lieb haben uͤber
gelaͤutert Gold; ja daß wir von der Hoͤhe des Sions jauchzen uͤber
den Guͤtern des HErrn, dem Getraid, Moſt und Oel, auf daß
wir ſaugen h und ſatt werden von den Bruͤſten der Troͤſtungen Je-
ruſalems, auf daß wir ausſaugen und uns ergoͤtzen von dem Glantz
ihrer Herrlichkeit. Der, an deſſen groſſen Tag die Himmel mit groſ-
ſem Krachen zergehen, die Element aber vor Hitz zerſchmeltzen,
und die Erden, und die Werck die drinnen ſind, verbrennen wer-
den i, der laßt ſich jetzt von jedermann auf die Arme nehmen, her-
tzen und drucken, damit wir durch ſeine ſuͤſſe Liebe angezuͤndet,
alle Menſchen hertzlich wohl meynen, redlich und ohne Falſch
ſeyen k, als untadeliche Kinder, barmhertzig, wie unſer Vatter
im Himmel l, und hiemit vom kuͤnfftigen Zorn errettet, an jenem

Tag
a Hebr. I. 3. Pſ. CIV. Joh. I. 3.
b Nah. I. 4-7.
c Hagg. II. 22.
d Apoc. XX. 11.
e Pſ. XXXVI.
f 1 Petr. II. 2.
g Pſ. CXIX.
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i 2 Petr. III. 10.
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[611/0707] Weyhnachts-Gedancken. Stall weynen hoͤrt, ſo ſchaͤme ich mich meiner Unleidigkeit, weil ich meinem GOtt mit meinen Suͤnden und eitelen Luͤſten, Kurtz- weilen und unnuͤtzem Zeit-Vertreib, dieſe Thraͤnen ausgepreſſet. Der allmaͤchtige HErr, der alles traͤgt mit ſeinem Krafft-Wort a, der wird von einer Magd als ein ſchwaches Kind auf den Armen getragen, damit er die ſchwach gewordene Menſchheit ſtaͤrckte, Suͤnd, Teufel und Welt zu beſiegen. Der, vor welches Ange- ſicht die gantze Welt erbebet b, der die Stuͤhle der Koͤnigen umſtoſ- ſet c, vor welchem Himmel, Erden und die Hoͤll ſelbſt erzittert d, der liegt in der Schooß einer Jungfrau, als ein huldreich, lieb- lich-ſpielend Kind. Der, der nicht nur alle Waſſer und koͤſtliche Getraͤnck auf Erden gemacht, ſondern auch unzehlich viel tauſend mahl tauſend ſeelige Menſchen und Engel truncken macht von den reichen Guͤtern ſeines Hauſes, und aus dem Bach ſeiner ſelbſt-ei- genen Wolluͤſten e, der ſaugt jetzt die Bruͤſte ſeiner Mutter, damit er uns entwehne von dem Gifft und Galle der verfuͤhriſchen Luſt- Seuchen, Geld- und Ehr-Geitz, hingegen uns gierig mache nach ſeiner geſunden und lebendigmachenden Gnaden-Lehr, nach der lau- tern Milch des Worts f, und die Reden GOttes unſerm Mund ſuͤſſer werden dann Honig g; daß wir unſern Rachen aufſperren, und darnach ſuͤchten und keichen, und ſeine Gebotte lieb haben uͤber gelaͤutert Gold; ja daß wir von der Hoͤhe des Sions jauchzen uͤber den Guͤtern des HErrn, dem Getraid, Moſt und Oel, auf daß wir ſaugen h und ſatt werden von den Bruͤſten der Troͤſtungen Je- ruſalems, auf daß wir ausſaugen und uns ergoͤtzen von dem Glantz ihrer Herrlichkeit. Der, an deſſen groſſen Tag die Himmel mit groſ- ſem Krachen zergehen, die Element aber vor Hitz zerſchmeltzen, und die Erden, und die Werck die drinnen ſind, verbrennen wer- den i, der laßt ſich jetzt von jedermann auf die Arme nehmen, her- tzen und drucken, damit wir durch ſeine ſuͤſſe Liebe angezuͤndet, alle Menſchen hertzlich wohl meynen, redlich und ohne Falſch ſeyen k, als untadeliche Kinder, barmhertzig, wie unſer Vatter im Himmel l, und hiemit vom kuͤnfftigen Zorn errettet, an jenem Tag a Hebr. I. 3. Pſ. CIV. Joh. I. 3. b Nah. I. 4-7. c Hagg. II. 22. d Apoc. XX. 11. e Pſ. XXXVI. f 1 Petr. II. 2. g Pſ. CXIX. h Jerem. XXXI. 12. Jeſ. LXVI. i 2 Petr. III. 10. k Luc. VI. l 1 Theſſ. I. 10. H h h h 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/707>, abgerufen am 05.05.2024.