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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Weyhnachts-Gedancken.
der De-
muth,

§. 3. Also ist auch seine Demuth recht erstaunlich, und soll uns ma-
chen zittern, so offt wir einen hoffärtigen Gedancken in uns mercken,
eine Begierd der Erhebung über andere, daß uns weh thut, die unter-
sten zu seyn a, andern Menschen nachzugehen und aufzuwarten. O
welch ein gräulich Gericht wird ergehen über alle Aufgeblasenen, nach-
dem sich der Allmächtige so tieff erniedriget hat! Wann wir uns un-
ter alle Teufel in der Höll demüthigten, wir, die wir von Natur Kinder
des Zorns, und unsers Wesens und Lebens nicht einen Augenblick sicher
sind; so wäre es doch eine stinckende Demuth, gegen der Demuth Chri-
sti, der das unendliche Gut ist, wann er sich auch nur einen Grad un-
ter die höchsten Engel erniedriget hätte, oder den Himmel verlassen, um
der glückseligste Monarch auf der Welt zu seyn. Dann was ist die Er-
de gegen dem Himmel zu rechnen: und das Geschöpff gegen GOtt, der
doch hier seine Majestät, sein unbegreifflich Wesen, Gewalt und Weiß-
heit unter die Gestalt eines ungeschickten Kinds verbirget?

deren sich
die Hohe
am mei-
sten be-
fleissen
sollen,

§. 4. Was haben Reiche, Mächtige und Prächtige hieraus zu lernen,
die alles so geschliffen wollen haben, billich sollen sie sich schämen ihrer b
allamodischen Wohnungen, daß sie dem allerhöchsten GOtt in diesem
Leben so gar unähnlich sind, und also gedencken: mein GOtt und Kö-
nig, der eine unbeschränckte Bottmäßigkeit hat über alles, der ligt in ei-
nem Stall, und ich in diesem kostbarlich aufgerüsteten Zimmer; ach
was wills in jener Welt mit mir werden c? Wird der HErr mich auch
wohl vor seinen rechten Jünger und wahren Nachfolger erkennen wol-
len, der ich so gar ungleichen Sinnes und Lebens bin mit ihme? Der-
gleichen Betrachtungen lehren das Hertz von aller Höhe hinunter stei-
gen in die Demuth d, sich ja nicht abgöttisch zu erfreuen in sothaner
Eitelkeit, sondern das gantze Hertz an JEsum den lebendigen GOtt
zu hencken. Kommet denn her ihr Fürsten, Kayser und Könige, trettet
hervor aus euern hohen Pallästen, und sehet hier euern König und Rich-
ter im Stall, in einer Krippen liegen; betrachtets wohl und nehmets
zu Hertzen, also daß ihr euch hinführo schämet euern Unterthanen ih-
ren Schweiß und Blut mit schweren Schatzungen abzupressen, um die
betriegliche Gelüste des alten Menschen zu begnügen zu ewiger Schan-
de am Jüngsten Tag. Als der Hertzog von Venedig Carolo V. seine
Palläst und Lust-Gärten zeigte: sagte dieser zu jenem; Er möge wohl zu

sehen
a Phil. II. 5-8. Jes XLIX. 7.
b Jac. I. 10. 11. & V. 1.
c Luc. XVI. 25. &
XIII.
27.
d 1 Cor. VII. 29. 30.
Weyhnachts-Gedancken.
der De-
muth,

§. 3. Alſo iſt auch ſeine Demuth recht erſtaunlich, und ſoll uns ma-
chen zittern, ſo offt wir einen hoffaͤrtigen Gedancken in uns mercken,
eine Begierd der Erhebung uͤber andere, daß uns weh thut, die unter-
ſten zu ſeyn a, andern Menſchen nachzugehen und aufzuwarten. O
welch ein graͤulich Gericht wird ergehen uͤber alle Aufgeblaſenen, nach-
dem ſich der Allmaͤchtige ſo tieff erniedriget hat! Wann wir uns un-
ter alle Teufel in der Hoͤll demuͤthigten, wir, die wir von Natur Kinder
des Zorns, und unſers Weſens und Lebens nicht einen Augenblick ſicher
ſind; ſo waͤre es doch eine ſtinckende Demuth, gegen der Demuth Chri-
ſti, der das unendliche Gut iſt, wann er ſich auch nur einen Grad un-
ter die hoͤchſten Engel erniedriget haͤtte, oder den Himmel verlaſſen, um
der gluͤckſeligſte Monarch auf der Welt zu ſeyn. Dann was iſt die Er-
de gegen dem Himmel zu rechnen: und das Geſchoͤpff gegen GOtt, der
doch hier ſeine Majeſtaͤt, ſein unbegreifflich Weſen, Gewalt und Weiß-
heit unter die Geſtalt eines ungeſchickten Kinds verbirget?

deren ſich
die Hohe
am mei-
ſten be-
fleiſſen
ſollen,

§. 4. Was haben Reiche, Maͤchtige und Praͤchtige hieraus zu lernen,
die alles ſo geſchliffen wollen haben, billich ſollen ſie ſich ſchaͤmen ihrer b
allamodiſchen Wohnungen, daß ſie dem allerhoͤchſten GOtt in dieſem
Leben ſo gar unaͤhnlich ſind, und alſo gedencken: mein GOtt und Koͤ-
nig, der eine unbeſchraͤnckte Bottmaͤßigkeit hat uͤber alles, der ligt in ei-
nem Stall, und ich in dieſem koſtbarlich aufgeruͤſteten Zimmer; ach
was wills in jener Welt mit mir werden c? Wird der HErr mich auch
wohl vor ſeinen rechten Juͤnger und wahren Nachfolger erkennen wol-
len, der ich ſo gar ungleichen Sinnes und Lebens bin mit ihme? Der-
gleichen Betrachtungen lehren das Hertz von aller Hoͤhe hinunter ſtei-
gen in die Demuth d, ſich ja nicht abgoͤttiſch zu erfreuen in ſothaner
Eitelkeit, ſondern das gantze Hertz an JEſum den lebendigen GOtt
zu hencken. Kommet denn her ihr Fuͤrſten, Kayſer und Koͤnige, trettet
hervor aus euern hohen Pallaͤſten, und ſehet hier euern Koͤnig und Rich-
ter im Stall, in einer Krippen liegen; betrachtets wohl und nehmets
zu Hertzen, alſo daß ihr euch hinfuͤhro ſchaͤmet euern Unterthanen ih-
ren Schweiß und Blut mit ſchweren Schatzungen abzupreſſen, um die
betriegliche Geluͤſte des alten Menſchen zu begnuͤgen zu ewiger Schan-
de am Juͤngſten Tag. Als der Hertzog von Venedig Carolo V. ſeine
Pallaͤſt und Luſt-Gaͤrten zeigte: ſagte dieſer zu jenem; Er moͤge wohl zu

ſehen
a Phil. II. 5-8. Jeſ XLIX. 7.
b Jac. I. 10. 11. & V. 1.
c Luc. XVI. 25. &
XIII.
27.
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[646/0742] Weyhnachts-Gedancken. §. 3. Alſo iſt auch ſeine Demuth recht erſtaunlich, und ſoll uns ma- chen zittern, ſo offt wir einen hoffaͤrtigen Gedancken in uns mercken, eine Begierd der Erhebung uͤber andere, daß uns weh thut, die unter- ſten zu ſeyn a, andern Menſchen nachzugehen und aufzuwarten. O welch ein graͤulich Gericht wird ergehen uͤber alle Aufgeblaſenen, nach- dem ſich der Allmaͤchtige ſo tieff erniedriget hat! Wann wir uns un- ter alle Teufel in der Hoͤll demuͤthigten, wir, die wir von Natur Kinder des Zorns, und unſers Weſens und Lebens nicht einen Augenblick ſicher ſind; ſo waͤre es doch eine ſtinckende Demuth, gegen der Demuth Chri- ſti, der das unendliche Gut iſt, wann er ſich auch nur einen Grad un- ter die hoͤchſten Engel erniedriget haͤtte, oder den Himmel verlaſſen, um der gluͤckſeligſte Monarch auf der Welt zu ſeyn. Dann was iſt die Er- de gegen dem Himmel zu rechnen: und das Geſchoͤpff gegen GOtt, der doch hier ſeine Majeſtaͤt, ſein unbegreifflich Weſen, Gewalt und Weiß- heit unter die Geſtalt eines ungeſchickten Kinds verbirget? §. 4. Was haben Reiche, Maͤchtige und Praͤchtige hieraus zu lernen, die alles ſo geſchliffen wollen haben, billich ſollen ſie ſich ſchaͤmen ihrer b allamodiſchen Wohnungen, daß ſie dem allerhoͤchſten GOtt in dieſem Leben ſo gar unaͤhnlich ſind, und alſo gedencken: mein GOtt und Koͤ- nig, der eine unbeſchraͤnckte Bottmaͤßigkeit hat uͤber alles, der ligt in ei- nem Stall, und ich in dieſem koſtbarlich aufgeruͤſteten Zimmer; ach was wills in jener Welt mit mir werden c? Wird der HErr mich auch wohl vor ſeinen rechten Juͤnger und wahren Nachfolger erkennen wol- len, der ich ſo gar ungleichen Sinnes und Lebens bin mit ihme? Der- gleichen Betrachtungen lehren das Hertz von aller Hoͤhe hinunter ſtei- gen in die Demuth d, ſich ja nicht abgoͤttiſch zu erfreuen in ſothaner Eitelkeit, ſondern das gantze Hertz an JEſum den lebendigen GOtt zu hencken. Kommet denn her ihr Fuͤrſten, Kayſer und Koͤnige, trettet hervor aus euern hohen Pallaͤſten, und ſehet hier euern Koͤnig und Rich- ter im Stall, in einer Krippen liegen; betrachtets wohl und nehmets zu Hertzen, alſo daß ihr euch hinfuͤhro ſchaͤmet euern Unterthanen ih- ren Schweiß und Blut mit ſchweren Schatzungen abzupreſſen, um die betriegliche Geluͤſte des alten Menſchen zu begnuͤgen zu ewiger Schan- de am Juͤngſten Tag. Als der Hertzog von Venedig Carolo V. ſeine Pallaͤſt und Luſt-Gaͤrten zeigte: ſagte dieſer zu jenem; Er moͤge wohl zu ſehen a Phil. II. 5-8. Jeſ XLIX. 7. b Jac. I. 10. 11. & V. 1. c Luc. XVI. 25. & XIII. 27. d 1 Cor. VII. 29. 30.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/742>, abgerufen am 29.04.2024.