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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 2. Die zweyte Quelle
Grund-Regeln, Humor und Neigung des Königs
aller Königen für eine Bewandniß habe, noch viel-
weniger sie zur Glaubens-Zukehr zu ihme gelüstig
machen. Wann JEsus Gold, Pracht, irrdische
Vortheile, Herrschafften, Fürstenthümer, Gewalt
über Städte und Ländereyen austheilete, oder die
Wohlverdienteste von seinen Anhängern damit be-
schenckte; O wie eifrig würden junge Leute ange-
halten werden, ihme den Hof zu machen, seinen
Humor kennen und sich in denselben schicken zu ler-
nen, mithin sich von Kindheit an nach seinen Grund-
Regeln zu bequemen, damit man der nächste und
angenehmste bey seiner Majestät seyn möchte: Nun
aber da sein Reich ein geistliches Reich und nicht
von dieser Welt, einfolglich auch die Vortheile
desselben geistlich, himmlisch und Seel-ersprießlich
sind, so liegt die Strasse gen Zion ziemlich wüst,
und zu Stadt und Land gehen Eltern auf dem
Karn-Wege der irrdischen Sucht in die äusserste
Finsterniß, und ihre (leider GOtt erbarme sich)
blinde Kinder hinter ihnen her. Wanns noch
wohl gehet, so haben sie Schatten, Buchstaben und
todte Bilder, ohne Krafft, Geist und Leben, im
Kopf, wobey sie stehen bleiben und auch die Jhren
stehen lassen. Jm Jrrdischen ist man nicht zufrie-
den nur zu wissen, wer der Herr im Lande seye;
sondern man schmeichelt sich gern bey ihme ein, und
zeigt mit seiner gantzen Aufführung, daß einem an
desselben Gunst etwas gelegen seye. Und einem
Armen ist es ebenfalls nicht genug, wann er weißt,
was Palläste, Acker und Weinberge sind; blickt
ihn die geringste Hoffnung an, dieser Sachen hab-

hafft

Cap. 2. Die zweyte Quelle
Grund-Regeln, Humor und Neigung des Koͤnigs
aller Koͤnigen fuͤr eine Bewandniß habe, noch viel-
weniger ſie zur Glaubens-Zukehr zu ihme geluͤſtig
machen. Wann JEſus Gold, Pracht, irrdiſche
Vortheile, Herrſchafften, Fuͤrſtenthuͤmer, Gewalt
uͤber Staͤdte und Laͤndereyen austheilete, oder die
Wohlverdienteſte von ſeinen Anhaͤngern damit be-
ſchenckte; O wie eifrig wuͤrden junge Leute ange-
halten werden, ihme den Hof zu machen, ſeinen
Humor kennen und ſich in denſelben ſchicken zu ler-
nen, mithin ſich von Kindheit an nach ſeinen Grund-
Regeln zu bequemen, damit man der naͤchſte und
angenehmſte bey ſeiner Majeſtaͤt ſeyn moͤchte: Nun
aber da ſein Reich ein geiſtliches Reich und nicht
von dieſer Welt, einfolglich auch die Vortheile
deſſelben geiſtlich, himmliſch und Seel-erſprießlich
ſind, ſo liegt die Straſſe gen Zion ziemlich wuͤſt,
und zu Stadt und Land gehen Eltern auf dem
Karn-Wege der irrdiſchen Sucht in die aͤuſſerſte
Finſterniß, und ihre (leider GOtt erbarme ſich)
blinde Kinder hinter ihnen her. Wanns noch
wohl gehet, ſo haben ſie Schatten, Buchſtaben und
todte Bilder, ohne Krafft, Geiſt und Leben, im
Kopf, wobey ſie ſtehen bleiben und auch die Jhren
ſtehen laſſen. Jm Jrrdiſchen iſt man nicht zufrie-
den nur zu wiſſen, wer der Herr im Lande ſeye;
ſondern man ſchmeichelt ſich gern bey ihme ein, und
zeigt mit ſeiner gantzen Auffuͤhrung, daß einem an
deſſelben Gunſt etwas gelegen ſeye. Und einem
Armen iſt es ebenfalls nicht genug, wann er weißt,
was Pallaͤſte, Acker und Weinberge ſind; blickt
ihn die geringſte Hoffnung an, dieſer Sachen hab-

hafft
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[88/0106] Cap. 2. Die zweyte Quelle Grund-Regeln, Humor und Neigung des Koͤnigs aller Koͤnigen fuͤr eine Bewandniß habe, noch viel- weniger ſie zur Glaubens-Zukehr zu ihme geluͤſtig machen. Wann JEſus Gold, Pracht, irrdiſche Vortheile, Herrſchafften, Fuͤrſtenthuͤmer, Gewalt uͤber Staͤdte und Laͤndereyen austheilete, oder die Wohlverdienteſte von ſeinen Anhaͤngern damit be- ſchenckte; O wie eifrig wuͤrden junge Leute ange- halten werden, ihme den Hof zu machen, ſeinen Humor kennen und ſich in denſelben ſchicken zu ler- nen, mithin ſich von Kindheit an nach ſeinen Grund- Regeln zu bequemen, damit man der naͤchſte und angenehmſte bey ſeiner Majeſtaͤt ſeyn moͤchte: Nun aber da ſein Reich ein geiſtliches Reich und nicht von dieſer Welt, einfolglich auch die Vortheile deſſelben geiſtlich, himmliſch und Seel-erſprießlich ſind, ſo liegt die Straſſe gen Zion ziemlich wuͤſt, und zu Stadt und Land gehen Eltern auf dem Karn-Wege der irrdiſchen Sucht in die aͤuſſerſte Finſterniß, und ihre (leider GOtt erbarme ſich) blinde Kinder hinter ihnen her. Wanns noch wohl gehet, ſo haben ſie Schatten, Buchſtaben und todte Bilder, ohne Krafft, Geiſt und Leben, im Kopf, wobey ſie ſtehen bleiben und auch die Jhren ſtehen laſſen. Jm Jrrdiſchen iſt man nicht zufrie- den nur zu wiſſen, wer der Herr im Lande ſeye; ſondern man ſchmeichelt ſich gern bey ihme ein, und zeigt mit ſeiner gantzen Auffuͤhrung, daß einem an deſſelben Gunſt etwas gelegen ſeye. Und einem Armen iſt es ebenfalls nicht genug, wann er weißt, was Pallaͤſte, Acker und Weinberge ſind; blickt ihn die geringſte Hoffnung an, dieſer Sachen hab- hafft

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/106>, abgerufen am 29.04.2024.