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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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der Eltern in Ansehung ihrer Kinder.
die Sünder so lieb! Er behält das schlechteste"
für sich, und sparet das niedlichste für die Sün-"
der auf: Jch will ihm nun auch etwas zu lieb"
thun und ihm von Hertzen dancken für alles, so"
bleibt er bey mir; sonst weicht er von mir. Ach!"
warum sollte ich nach fleischlicher Lust schnap-"
pen? Sind doch meine eitele Gedancken die"
gifftige Dörner, so ihme sein Haupt durchsta-"
chen, und meine unnütze Worte und sündliche"
Wercke die Nägel und Geisseln, die seinen zar-"
ten heiligen Leib so bitterlich durchschlagen, zer-"
rissen und zermartert hatten; da mich, ja eben"
mich, von Rechts-wegen unzehlich-höllische Geis-"
sel und Faust-Schläge ewig zerpeitschen, und so"
viele glüende, verfluchte Nägel und Dörner durch-"
stechen sollten."

Fern seye es indessen, mein Kind! daß du die-
ses aus deiner eigenen Krafft zu vollbringen ge-
dencken wolltest: Ach nein! Wann dir eine gute
Anweisung etwa gegeben wird, so hat es nicht die
Meynung, daß du sogleich darauf fallest, in der
Einbildung, du wollest es flugs aus dir selbst ins
Werck setzen: Ach das wäre ein menschlich, un-
fruchtbar Unternehmen. GOttes Gnade und die
Hülffe seines Geistes must du suchen: der dir dann
zu rechter Zeit und in einer von ihme selbsten aus-
erkohrnen gesegneten Stunde geben und verschaf-
fen wird, daß du die Liebe deines JEsu nicht so
fast mit deiner Vernunfft als aber mit einem von
GOtt erleuchteten Verstand im Glauben gründ-
lich erwegen wirst: Worüber dann die Lust des
Fleisches vergehet, dein Erb-Feind, der alte Adam

erwür-

der Eltern in Anſehung ihrer Kinder.
die Suͤnder ſo lieb! Er behaͤlt das ſchlechteſte“
fuͤr ſich, und ſparet das niedlichſte fuͤr die Suͤn-“
der auf: Jch will ihm nun auch etwas zu lieb“
thun und ihm von Hertzen dancken fuͤr alles, ſo“
bleibt er bey mir; ſonſt weicht er von mir. Ach!“
warum ſollte ich nach fleiſchlicher Luſt ſchnap-“
pen? Sind doch meine eitele Gedancken die“
gifftige Doͤrner, ſo ihme ſein Haupt durchſta-“
chen, und meine unnuͤtze Worte und ſuͤndliche“
Wercke die Naͤgel und Geiſſeln, die ſeinen zar-“
ten heiligen Leib ſo bitterlich durchſchlagen, zer-“
riſſen und zermartert hatten; da mich, ja eben“
mich, von Rechts-wegen unzehlich-hoͤlliſche Geiſ-“
ſel und Fauſt-Schlaͤge ewig zerpeitſchen, und ſo“
viele gluͤende, verfluchte Naͤgel und Doͤrner durch-“
ſtechen ſollten.‟

Fern ſeye es indeſſen, mein Kind! daß du die-
ſes aus deiner eigenen Krafft zu vollbringen ge-
dencken wollteſt: Ach nein! Wann dir eine gute
Anweiſung etwa gegeben wird, ſo hat es nicht die
Meynung, daß du ſogleich darauf falleſt, in der
Einbildung, du wolleſt es flugs aus dir ſelbſt ins
Werck ſetzen: Ach das waͤre ein menſchlich, un-
fruchtbar Unternehmen. GOttes Gnade und die
Huͤlffe ſeines Geiſtes muſt du ſuchen: der dir dann
zu rechter Zeit und in einer von ihme ſelbſten aus-
erkohrnen geſegneten Stunde geben und verſchaf-
fen wird, daß du die Liebe deines JEſu nicht ſo
faſt mit deiner Vernunfft als aber mit einem von
GOtt erleuchteten Verſtand im Glauben gruͤnd-
lich erwegen wirſt: Woruͤber dann die Luſt des
Fleiſches vergehet, dein Erb-Feind, der alte Adam

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[203/0221] der Eltern in Anſehung ihrer Kinder. die Suͤnder ſo lieb! Er behaͤlt das ſchlechteſte“ fuͤr ſich, und ſparet das niedlichſte fuͤr die Suͤn-“ der auf: Jch will ihm nun auch etwas zu lieb“ thun und ihm von Hertzen dancken fuͤr alles, ſo“ bleibt er bey mir; ſonſt weicht er von mir. Ach!“ warum ſollte ich nach fleiſchlicher Luſt ſchnap-“ pen? Sind doch meine eitele Gedancken die“ gifftige Doͤrner, ſo ihme ſein Haupt durchſta-“ chen, und meine unnuͤtze Worte und ſuͤndliche“ Wercke die Naͤgel und Geiſſeln, die ſeinen zar-“ ten heiligen Leib ſo bitterlich durchſchlagen, zer-“ riſſen und zermartert hatten; da mich, ja eben“ mich, von Rechts-wegen unzehlich-hoͤlliſche Geiſ-“ ſel und Fauſt-Schlaͤge ewig zerpeitſchen, und ſo“ viele gluͤende, verfluchte Naͤgel und Doͤrner durch-“ ſtechen ſollten.‟ Fern ſeye es indeſſen, mein Kind! daß du die- ſes aus deiner eigenen Krafft zu vollbringen ge- dencken wollteſt: Ach nein! Wann dir eine gute Anweiſung etwa gegeben wird, ſo hat es nicht die Meynung, daß du ſogleich darauf falleſt, in der Einbildung, du wolleſt es flugs aus dir ſelbſt ins Werck ſetzen: Ach das waͤre ein menſchlich, un- fruchtbar Unternehmen. GOttes Gnade und die Huͤlffe ſeines Geiſtes muſt du ſuchen: der dir dann zu rechter Zeit und in einer von ihme ſelbſten aus- erkohrnen geſegneten Stunde geben und verſchaf- fen wird, daß du die Liebe deines JEſu nicht ſo faſt mit deiner Vernunfft als aber mit einem von GOtt erleuchteten Verſtand im Glauben gruͤnd- lich erwegen wirſt: Woruͤber dann die Luſt des Fleiſches vergehet, dein Erb-Feind, der alte Adam erwuͤr-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/221>, abgerufen am 27.04.2024.