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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 2. Von Begehungs-Sünden
Niedrigkeit und Demuth, und erwäge, wie die
Welt nicht nur so wenig von ihme gehalten, son-
dern ihne noch mit Spott und Hohn, Schmach
und Schande begossen, ja ärger als den Schächer
berurtheilet und verlästert haben. Laß dich dann,
im Bedencken an JEsum und seine Schmach, in
die er um deinetwillen gesetzet worden, nicht von
der Welt rühmen noch durch schmeichlerisches Lieb-
kosen dein Hertz vergifften. Da der letztere Evan-
gelisch-Lutherische Erb-Printz von Wür-
temberg
in Lausanne/ wo er sich aufhielte und
ich ihne gesprochen hatte, von einem dortigen
Herrn Professor sehr schmeichelhafftig, und so wie
die welsche (frantzösische) Nation meisterlich zu fla-
tiren weiß, ins Angesicht gerühmet wurde; hörte
er ihne stillschweigend an, und bewegte endlich, da
er mit seinen Lob-Sprüchen fertig ware, seine Hän-
de weit aus einander, als wann er ein Ellen-lan-
ges Ruban oder Band ausdehnete, und fragete
den Schmeichler: Ob er das schöne Band auch
sehe? Nein, antworte der schmeichlerische Herr
Professor, ich sehe nichts: Ey, sagte der Printz,
es ist doch so schön weiß, roth, grün, blau etc.
mit Gold gestickt und mit Edelsteinen besetzt. Da
aber der Schmeichler abermal nichts zu sehen be-
zeugete, so erklärte sich der Printz folgender Massen
gegen ihne: Was ist das für ein Handel?
Jhr wollet einem Printzen keinen Glau-
ben beymessen/ wann er euch was saget/
weil ihr das/ worvon er euch saget/ nicht
sehet; ey warum wolt ihr dann/ daß ich
euern abgeschmackten Schmeichel-Reden

glaube/

Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden
Niedrigkeit und Demuth, und erwaͤge, wie die
Welt nicht nur ſo wenig von ihme gehalten, ſon-
dern ihne noch mit Spott und Hohn, Schmach
und Schande begoſſen, ja aͤrger als den Schaͤcher
berurtheilet und verlaͤſtert haben. Laß dich dann,
im Bedencken an JEſum und ſeine Schmach, in
die er um deinetwillen geſetzet worden, nicht von
der Welt ruͤhmen noch durch ſchmeichleriſches Lieb-
koſen dein Hertz vergifften. Da der letztere Evan-
geliſch-Lutheriſche Erb-Printz von Wuͤr-
temberg
in Lauſanne/ wo er ſich aufhielte und
ich ihne geſprochen hatte, von einem dortigen
Herrn Profeſſor ſehr ſchmeichelhafftig, und ſo wie
die welſche (frantzoͤſiſche) Nation meiſterlich zu fla-
tiren weiß, ins Angeſicht geruͤhmet wurde; hoͤrte
er ihne ſtillſchweigend an, und bewegte endlich, da
er mit ſeinen Lob-Spruͤchen fertig ware, ſeine Haͤn-
de weit aus einander, als wann er ein Ellen-lan-
ges Ruban oder Band ausdehnete, und fragete
den Schmeichler: Ob er das ſchoͤne Band auch
ſehe? Nein, antworte der ſchmeichleriſche Herr
Profeſſor, ich ſehe nichts: Ey, ſagte der Printz,
es iſt doch ſo ſchoͤn weiß, roth, gruͤn, blau ꝛc.
mit Gold geſtickt und mit Edelſteinen beſetzt. Da
aber der Schmeichler abermal nichts zu ſehen be-
zeugete, ſo erklaͤrte ſich der Printz folgender Maſſen
gegen ihne: Was iſt das fuͤr ein Handel?
Jhr wollet einem Printzen keinen Glau-
ben beymeſſen/ wann er euch was ſaget/
weil ihr das/ worvon er euch ſaget/ nicht
ſehet; ey warum wolt ihr dann/ daß ich
euern abgeſchmackten Schmeichel-Reden

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[208/0226] Cap. 2. Von Begehungs-Suͤnden Niedrigkeit und Demuth, und erwaͤge, wie die Welt nicht nur ſo wenig von ihme gehalten, ſon- dern ihne noch mit Spott und Hohn, Schmach und Schande begoſſen, ja aͤrger als den Schaͤcher berurtheilet und verlaͤſtert haben. Laß dich dann, im Bedencken an JEſum und ſeine Schmach, in die er um deinetwillen geſetzet worden, nicht von der Welt ruͤhmen noch durch ſchmeichleriſches Lieb- koſen dein Hertz vergifften. Da der letztere Evan- geliſch-Lutheriſche Erb-Printz von Wuͤr- temberg in Lauſanne/ wo er ſich aufhielte und ich ihne geſprochen hatte, von einem dortigen Herrn Profeſſor ſehr ſchmeichelhafftig, und ſo wie die welſche (frantzoͤſiſche) Nation meiſterlich zu fla- tiren weiß, ins Angeſicht geruͤhmet wurde; hoͤrte er ihne ſtillſchweigend an, und bewegte endlich, da er mit ſeinen Lob-Spruͤchen fertig ware, ſeine Haͤn- de weit aus einander, als wann er ein Ellen-lan- ges Ruban oder Band ausdehnete, und fragete den Schmeichler: Ob er das ſchoͤne Band auch ſehe? Nein, antworte der ſchmeichleriſche Herr Profeſſor, ich ſehe nichts: Ey, ſagte der Printz, es iſt doch ſo ſchoͤn weiß, roth, gruͤn, blau ꝛc. mit Gold geſtickt und mit Edelſteinen beſetzt. Da aber der Schmeichler abermal nichts zu ſehen be- zeugete, ſo erklaͤrte ſich der Printz folgender Maſſen gegen ihne: Was iſt das fuͤr ein Handel? Jhr wollet einem Printzen keinen Glau- ben beymeſſen/ wann er euch was ſaget/ weil ihr das/ worvon er euch ſaget/ nicht ſehet; ey warum wolt ihr dann/ daß ich euern abgeſchmackten Schmeichel-Reden glaube/

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/226>, abgerufen am 29.04.2024.