Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

und wohlklingend. Er hörte Beide, ohne zu ver¬
stehn, was sie sprachen. Er erschrak. So weit gekom¬
men hatt' er sich das Zerwürfniß nicht vorgestellt. Und
er war schuld an dem Zerwürfniß. Er mußte thun,
was er konnte, den Zustand zu bessern.

Der Bruder blieb erst wie versteint in seiner dro¬
henden Stellung, als er den Eintretenden erblickte. Er
hatte das Gefühl eines Menschen, der plötzlich bei ei¬
nem Unrechte überrascht wird. Hätte ihn Apollonius
angelassen, wie er verdiente, er wäre vor ihm gekro¬
chen. Aber Apollonius wollte ja versöhnen und sprach
das ruhig und herzlich aus. Er hätte es freilich wis¬
sen können, er hatte es oft genug erfahren, seine Milde
gab dem Bruder nur Muth zu höhnendem Trotz. Er
erfuhr es jetzt wieder. Fritz verhöhnte ihn wild la¬
chend, daß er einen Vorwand mache, wo er Herr sei.
Ob er sich deßhalb zum Herrn des Hauses gemacht?
Er wußte, er an Apollonius Stelle wäre anders auf¬
getreten. Er hätt' es die fühlen lassen, die er in seiner
Gewalt wußte. Er war ein ehrlicher Kerl und brauchte
nicht schön zu thun. Dazu fiel ihm ein, wie oft er
vergeblich die Thür umschlichen, um Apollonius in der
Stube zu überraschen. Jetzt war er ja da in der
Stube. Er war hereingetreten, weil er ihn nicht zu
finden meinte. Apollonius war's, der erschrecken mußte,
Apollonius war der Ertappte, nicht er. Die Versöh¬
nung war nur der erste, beste Vorwand, nach dem

10*

und wohlklingend. Er hörte Beide, ohne zu ver¬
ſtehn, was ſie ſprachen. Er erſchrak. So weit gekom¬
men hatt' er ſich das Zerwürfniß nicht vorgeſtellt. Und
er war ſchuld an dem Zerwürfniß. Er mußte thun,
was er konnte, den Zuſtand zu beſſern.

Der Bruder blieb erſt wie verſteint in ſeiner dro¬
henden Stellung, als er den Eintretenden erblickte. Er
hatte das Gefühl eines Menſchen, der plötzlich bei ei¬
nem Unrechte überraſcht wird. Hätte ihn Apollonius
angelaſſen, wie er verdiente, er wäre vor ihm gekro¬
chen. Aber Apollonius wollte ja verſöhnen und ſprach
das ruhig und herzlich aus. Er hätte es freilich wiſ¬
ſen können, er hatte es oft genug erfahren, ſeine Milde
gab dem Bruder nur Muth zu höhnendem Trotz. Er
erfuhr es jetzt wieder. Fritz verhöhnte ihn wild la¬
chend, daß er einen Vorwand mache, wo er Herr ſei.
Ob er ſich deßhalb zum Herrn des Hauſes gemacht?
Er wußte, er an Apollonius Stelle wäre anders auf¬
getreten. Er hätt' es die fühlen laſſen, die er in ſeiner
Gewalt wußte. Er war ein ehrlicher Kerl und brauchte
nicht ſchön zu thun. Dazu fiel ihm ein, wie oft er
vergeblich die Thür umſchlichen, um Apollonius in der
Stube zu überraſchen. Jetzt war er ja da in der
Stube. Er war hereingetreten, weil er ihn nicht zu
finden meinte. Apollonius war's, der erſchrecken mußte,
Apollonius war der Ertappte, nicht er. Die Verſöh¬
nung war nur der erſte, beſte Vorwand, nach dem

10*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="147"/>
und wohlklingend. Er hörte Beide, ohne zu ver¬<lb/>
&#x017F;tehn, was &#x017F;ie &#x017F;prachen. Er er&#x017F;chrak. So weit gekom¬<lb/>
men hatt' er &#x017F;ich das Zerwürfniß nicht vorge&#x017F;tellt. Und<lb/>
er war &#x017F;chuld an dem Zerwürfniß. Er mußte thun,<lb/>
was er konnte, den Zu&#x017F;tand zu be&#x017F;&#x017F;ern.</p><lb/>
        <p>Der Bruder blieb er&#x017F;t wie ver&#x017F;teint in &#x017F;einer dro¬<lb/>
henden Stellung, als er den Eintretenden erblickte. Er<lb/>
hatte das Gefühl eines Men&#x017F;chen, der plötzlich bei ei¬<lb/>
nem Unrechte überra&#x017F;cht wird. Hätte ihn Apollonius<lb/>
angela&#x017F;&#x017F;en, wie er verdiente, er wäre vor ihm gekro¬<lb/>
chen. Aber Apollonius wollte ja ver&#x017F;öhnen und &#x017F;prach<lb/>
das ruhig und herzlich aus. Er hätte es freilich wi&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en können, er hatte es oft genug erfahren, &#x017F;eine Milde<lb/>
gab dem Bruder nur Muth zu höhnendem Trotz. Er<lb/>
erfuhr es jetzt wieder. Fritz verhöhnte ihn wild la¬<lb/>
chend, daß er einen Vorwand mache, wo er Herr &#x017F;ei.<lb/>
Ob er &#x017F;ich deßhalb zum Herrn des Hau&#x017F;es gemacht?<lb/>
Er wußte, er an Apollonius Stelle wäre anders auf¬<lb/>
getreten. Er hätt' es die fühlen la&#x017F;&#x017F;en, die er in &#x017F;einer<lb/>
Gewalt wußte. Er war ein ehrlicher Kerl und brauchte<lb/>
nicht &#x017F;chön zu thun. Dazu fiel ihm ein, wie oft er<lb/>
vergeblich die Thür um&#x017F;chlichen, um Apollonius in der<lb/>
Stube zu überra&#x017F;chen. Jetzt war er ja da in der<lb/>
Stube. Er war hereingetreten, weil er ihn nicht zu<lb/>
finden meinte. Apollonius war's, der er&#x017F;chrecken mußte,<lb/>
Apollonius war der Ertappte, nicht er. Die Ver&#x017F;öh¬<lb/>
nung war nur der er&#x017F;te, be&#x017F;te Vorwand, nach dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">10*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0156] und wohlklingend. Er hörte Beide, ohne zu ver¬ ſtehn, was ſie ſprachen. Er erſchrak. So weit gekom¬ men hatt' er ſich das Zerwürfniß nicht vorgeſtellt. Und er war ſchuld an dem Zerwürfniß. Er mußte thun, was er konnte, den Zuſtand zu beſſern. Der Bruder blieb erſt wie verſteint in ſeiner dro¬ henden Stellung, als er den Eintretenden erblickte. Er hatte das Gefühl eines Menſchen, der plötzlich bei ei¬ nem Unrechte überraſcht wird. Hätte ihn Apollonius angelaſſen, wie er verdiente, er wäre vor ihm gekro¬ chen. Aber Apollonius wollte ja verſöhnen und ſprach das ruhig und herzlich aus. Er hätte es freilich wiſ¬ ſen können, er hatte es oft genug erfahren, ſeine Milde gab dem Bruder nur Muth zu höhnendem Trotz. Er erfuhr es jetzt wieder. Fritz verhöhnte ihn wild la¬ chend, daß er einen Vorwand mache, wo er Herr ſei. Ob er ſich deßhalb zum Herrn des Hauſes gemacht? Er wußte, er an Apollonius Stelle wäre anders auf¬ getreten. Er hätt' es die fühlen laſſen, die er in ſeiner Gewalt wußte. Er war ein ehrlicher Kerl und brauchte nicht ſchön zu thun. Dazu fiel ihm ein, wie oft er vergeblich die Thür umſchlichen, um Apollonius in der Stube zu überraſchen. Jetzt war er ja da in der Stube. Er war hereingetreten, weil er ihn nicht zu finden meinte. Apollonius war's, der erſchrecken mußte, Apollonius war der Ertappte, nicht er. Die Verſöh¬ nung war nur der erſte, beſte Vorwand, nach dem 10*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/156
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/156>, abgerufen am 06.05.2024.