die schönen greisen Gesichter sagen es, auf dem Thurm¬ dach von Sankt Georg kannst du es lesen: Von Glück und Unglück reden die Menschen, das der Him¬ mel ihnen bringe. Was die Menschen Glück und Un¬ glück nennen, ist nur der rohe Stoff dazu. Am Men¬ schen liegt's, wozu er ihn formt. Nicht der Himmel bringt das Glück; der Mensch bereitet sich sein Glück und spannt seinen Himmel selber in der eigenen Brust. Der Mensch soll nicht sorgen, daß er in den Himmel, sondern daß der Himmel in ihn komme. Wer ihn nicht in sich selber trägt, der sucht ihn vergebens im ganzen All. Laß' dich vom Verstande leiten, aber verletze nicht die heilige Schranke des Gefühls. Kehre dich nicht tadelnd von der Welt, wie sie ist; suche ihr gerecht zu werden, dann wirst du dir gerecht. Und in diesem Sinne sei dein Wandel: Zwischen Himmel und Erde!
Druck von C. W. Leske in Darmstadt.
die ſchönen greiſen Geſichter ſagen es, auf dem Thurm¬ dach von Sankt Georg kannſt du es leſen: Von Glück und Unglück reden die Menſchen, das der Him¬ mel ihnen bringe. Was die Menſchen Glück und Un¬ glück nennen, iſt nur der rohe Stoff dazu. Am Men¬ ſchen liegt's, wozu er ihn formt. Nicht der Himmel bringt das Glück; der Menſch bereitet ſich ſein Glück und ſpannt ſeinen Himmel ſelber in der eigenen Bruſt. Der Menſch ſoll nicht ſorgen, daß er in den Himmel, ſondern daß der Himmel in ihn komme. Wer ihn nicht in ſich ſelber trägt, der ſucht ihn vergebens im ganzen All. Laß' dich vom Verſtande leiten, aber verletze nicht die heilige Schranke des Gefühls. Kehre dich nicht tadelnd von der Welt, wie ſie iſt; ſuche ihr gerecht zu werden, dann wirſt du dir gerecht. Und in dieſem Sinne ſei dein Wandel: Zwiſchen Himmel und Erde!
Druck von C. W. Leske in Darmſtadt.
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dach von Sankt Georg kannſt du es leſen: Von
Glück und Unglück reden die Menſchen, das der Him¬
mel ihnen bringe. Was die Menſchen Glück und Un¬
glück nennen, iſt nur der rohe Stoff dazu. Am Men¬
ſchen liegt's, wozu er ihn formt. Nicht der Himmel
bringt das Glück; der Menſch bereitet ſich ſein Glück
und ſpannt ſeinen Himmel ſelber in der eigenen Bruſt.
Der Menſch ſoll nicht ſorgen, daß er in den Himmel,
ſondern daß der Himmel in ihn komme. Wer ihn
nicht in ſich ſelber trägt, der ſucht ihn vergebens
im ganzen All. Laß' dich vom Verſtande leiten,
aber verletze nicht die heilige Schranke des Gefühls.
Kehre dich nicht tadelnd von der Welt, wie ſie iſt;
ſuche ihr gerecht zu werden, dann wirſt du dir
gerecht. Und in dieſem Sinne ſei dein Wandel:
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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/329>, abgerufen am 30.04.2024.
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