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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Sclerotica, Augenlider.
nach der Methode von Helmholtz, indem zwei matte Farben bei ihrer Mischung nie-
mals glänzend werden. -- Die Figuren erscheinen im Stereoskop besonders schön
glänzend, wenn man eine derselben farbig und die andere schwarz anstreicht.

Schutzwerkzeuge des Auges.

Unter ihnen begreift man Gebilde sehr verschiedener Art und
verschiedener Funktion, welche nur darin Uebereinstimmung zeigen,
dass sie die in allernächster Beziehung zum Sehen stehenden Theile
des Auges vor gewissen schädlichen Einflüssen schützen. Man zählt
zu ihnen:

1. Die Sclerotica. -- Vermöge ihres festen Gewebes bildet sie
eine Capsel, in welchem die zur Accommodation und zur Lichtempfin-
dung dienenden Organe aufbewahrt sind. Die Spannung, welche sie
während des Lebens zeigt, und die nach dem Tode rasch verschwin-
det, verdankt sie wohl zunächst der Anfüllung ihres innern Raumes,
soweit er nicht von den Brechungskörpern eingenommen ist, durch
die Blutgefässe der Choroidea.

2. Die Augenlider. Dieser gespaltene Deckel schliesst sich mit
seiner hintern der vordern Fläche des Auges fast überall genau an,
wenn seine freien Ränder aufeinander liegen; in diesem Zustand bleibt
einzig an der hinteren Kante der sich berührenden Augenlider wegen
der Abstumpfung der Ränder ein kleiner dreiseitiger Kanal, dessen
Basis durch Cornea und Sclerotica und dessen geneigte Flächen durch
die Augenlider gebildet werden.

Dieser Apparat ist bekanntlich mit einem knorpeligen Skelett,
einer Muskulatur, einer Drüsenreihe, die ein Sekret zur Befettung sei-
ner Ränder (Meibom'sche Drüsen) liefert, und einer Behaarung verse-
hen. Das Skelett, tarsus, erhält die schlitzförmige Gestalt der Augen-
lidspalte aufrecht, so dass bei beträchtlichen Seitenbewegungen des Au-
ges die Cornea noch vom Licht getroffen wird. Die geschlossene Spalte
wird eröffnet, indem der m. levator palpebrarum das obere Augen-
lid vermittelst des tarsus, (wie an einer Vorhangstange) emporhebt,
während das untere Lid durch seine Schwere herabfällt. -- Die geöff-
neten Lider werden geschlossen durch den m. orbicularis palpebra-
rum, der wegen seiner Befestigung am inneren Augenwinkel (am lig.
palpebrale internum und Oberkieferknochen) zugleich den Augen-
deckel etwas nach innen zieht. -- Beide Muskeln erhalten aus ver-
schiedenen Bahnen ihre Nerven, m. levator palpebrarum vom n. ocu-
lomotorius; m. orbicularis palpebrarum vom n. facialis. -- Beide
Muskeln finden sich wechselnd im Erregungszustande, so dass das
Auge bald geöffnet und geschlossen wird. Der Zeitraum der Schlies-
sung geht gewöhnlich so rasch vorüber, dass die Nachbilder im Seh-
feld scheinbar keine Unterbrechung des Lichteintritts zulassen. --

Ausserdem werden die Augenlider reflektorisch geschlossen oder
wenigstens ihre Spalte durch den m. orbicularis verengert, wenn ein in-

Sclerotica, Augenlider.
nach der Methode von Helmholtz, indem zwei matte Farben bei ihrer Mischung nie-
mals glänzend werden. — Die Figuren erscheinen im Stereoskop besonders schön
glänzend, wenn man eine derselben farbig und die andere schwarz anstreicht.

Schutzwerkzeuge des Auges.

Unter ihnen begreift man Gebilde sehr verschiedener Art und
verschiedener Funktion, welche nur darin Uebereinstimmung zeigen,
dass sie die in allernächster Beziehung zum Sehen stehenden Theile
des Auges vor gewissen schädlichen Einflüssen schützen. Man zählt
zu ihnen:

1. Die Sclerotica. — Vermöge ihres festen Gewebes bildet sie
eine Capsel, in welchem die zur Accommodation und zur Lichtempfin-
dung dienenden Organe aufbewahrt sind. Die Spannung, welche sie
während des Lebens zeigt, und die nach dem Tode rasch verschwin-
det, verdankt sie wohl zunächst der Anfüllung ihres innern Raumes,
soweit er nicht von den Brechungskörpern eingenommen ist, durch
die Blutgefässe der Choroidea.

2. Die Augenlider. Dieser gespaltene Deckel schliesst sich mit
seiner hintern der vordern Fläche des Auges fast überall genau an,
wenn seine freien Ränder aufeinander liegen; in diesem Zustand bleibt
einzig an der hinteren Kante der sich berührenden Augenlider wegen
der Abstumpfung der Ränder ein kleiner dreiseitiger Kanal, dessen
Basis durch Cornea und Sclerotica und dessen geneigte Flächen durch
die Augenlider gebildet werden.

Dieser Apparat ist bekanntlich mit einem knorpeligen Skelett,
einer Muskulatur, einer Drüsenreihe, die ein Sekret zur Befettung sei-
ner Ränder (Meibom’sche Drüsen) liefert, und einer Behaarung verse-
hen. Das Skelett, tarsus, erhält die schlitzförmige Gestalt der Augen-
lidspalte aufrecht, so dass bei beträchtlichen Seitenbewegungen des Au-
ges die Cornea noch vom Licht getroffen wird. Die geschlossene Spalte
wird eröffnet, indem der m. levator palpebrarum das obere Augen-
lid vermittelst des tarsus, (wie an einer Vorhangstange) emporhebt,
während das untere Lid durch seine Schwere herabfällt. — Die geöff-
neten Lider werden geschlossen durch den m. orbicularis palpebra-
rum, der wegen seiner Befestigung am inneren Augenwinkel (am lig.
palpebrale internum und Oberkieferknochen) zugleich den Augen-
deckel etwas nach innen zieht. — Beide Muskeln erhalten aus ver-
schiedenen Bahnen ihre Nerven, m. levator palpebrarum vom n. ocu-
lomotorius; m. orbicularis palpebrarum vom n. facialis. — Beide
Muskeln finden sich wechselnd im Erregungszustande, so dass das
Auge bald geöffnet und geschlossen wird. Der Zeitraum der Schlies-
sung geht gewöhnlich so rasch vorüber, dass die Nachbilder im Seh-
feld scheinbar keine Unterbrechung des Lichteintritts zulassen. —

Ausserdem werden die Augenlider reflektorisch geschlossen oder
wenigstens ihre Spalte durch den m. orbicularis verengert, wenn ein in-

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[260/0274] Sclerotica, Augenlider. nach der Methode von Helmholtz, indem zwei matte Farben bei ihrer Mischung nie- mals glänzend werden. — Die Figuren erscheinen im Stereoskop besonders schön glänzend, wenn man eine derselben farbig und die andere schwarz anstreicht. Schutzwerkzeuge des Auges. Unter ihnen begreift man Gebilde sehr verschiedener Art und verschiedener Funktion, welche nur darin Uebereinstimmung zeigen, dass sie die in allernächster Beziehung zum Sehen stehenden Theile des Auges vor gewissen schädlichen Einflüssen schützen. Man zählt zu ihnen: 1. Die Sclerotica. — Vermöge ihres festen Gewebes bildet sie eine Capsel, in welchem die zur Accommodation und zur Lichtempfin- dung dienenden Organe aufbewahrt sind. Die Spannung, welche sie während des Lebens zeigt, und die nach dem Tode rasch verschwin- det, verdankt sie wohl zunächst der Anfüllung ihres innern Raumes, soweit er nicht von den Brechungskörpern eingenommen ist, durch die Blutgefässe der Choroidea. 2. Die Augenlider. Dieser gespaltene Deckel schliesst sich mit seiner hintern der vordern Fläche des Auges fast überall genau an, wenn seine freien Ränder aufeinander liegen; in diesem Zustand bleibt einzig an der hinteren Kante der sich berührenden Augenlider wegen der Abstumpfung der Ränder ein kleiner dreiseitiger Kanal, dessen Basis durch Cornea und Sclerotica und dessen geneigte Flächen durch die Augenlider gebildet werden. Dieser Apparat ist bekanntlich mit einem knorpeligen Skelett, einer Muskulatur, einer Drüsenreihe, die ein Sekret zur Befettung sei- ner Ränder (Meibom’sche Drüsen) liefert, und einer Behaarung verse- hen. Das Skelett, tarsus, erhält die schlitzförmige Gestalt der Augen- lidspalte aufrecht, so dass bei beträchtlichen Seitenbewegungen des Au- ges die Cornea noch vom Licht getroffen wird. Die geschlossene Spalte wird eröffnet, indem der m. levator palpebrarum das obere Augen- lid vermittelst des tarsus, (wie an einer Vorhangstange) emporhebt, während das untere Lid durch seine Schwere herabfällt. — Die geöff- neten Lider werden geschlossen durch den m. orbicularis palpebra- rum, der wegen seiner Befestigung am inneren Augenwinkel (am lig. palpebrale internum und Oberkieferknochen) zugleich den Augen- deckel etwas nach innen zieht. — Beide Muskeln erhalten aus ver- schiedenen Bahnen ihre Nerven, m. levator palpebrarum vom n. ocu- lomotorius; m. orbicularis palpebrarum vom n. facialis. — Beide Muskeln finden sich wechselnd im Erregungszustande, so dass das Auge bald geöffnet und geschlossen wird. Der Zeitraum der Schlies- sung geht gewöhnlich so rasch vorüber, dass die Nachbilder im Seh- feld scheinbar keine Unterbrechung des Lichteintritts zulassen. — Ausserdem werden die Augenlider reflektorisch geschlossen oder wenigstens ihre Spalte durch den m. orbicularis verengert, wenn ein in-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/274>, abgerufen am 29.04.2024.