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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Beziehungen des Gehirns zur Seele.
Empfindung macht sich das geltend, indem man darüber streitet, ob die Em-
pfindung ihren Sitz in den Grosshirnlappen oder der Brücke habe. Nach Exstirpation
der erstern leiten selbst Säugethiere (noch mehr aber Vögel), auf heftige Erregung
der Sinnes- und namentlich der Hautnerven, sehr complizirte Muskelbewegungen ein,
die viel Aehnlichkeit mit Schmerzensbewegungen zeigen, während nach Exstirpation
der Brücke (unter Zurücklassung der Pyramiden, Oliven u. s. w.) diese complizir-
ten Bewegungen (Schreien, Zusammenfahren u. s. w.) wegfallen. Warum ist aber
zur Erzielung dieser Bewegungen Empfindung nöthig? warum sind das nicht
complizirte Reflexbewegungen? Ebenso unmöglich als sie eben war, wird eine
Antwort auf die Frage, ob ein höheres geistiges Vermögen weggefallen sei oder
noch bestehe. Wer sieht dem Chloroformirten an, dass er noch auf die sanfteste
Art träumt, während seine sonst so empfindlichen Nerven zerschnitten werden.
Wer steht uns also dafür, dass sich nicht eine Taube, der man die Grosshirnlap-
pen wegnahm oder der Cretin, dem sie in der Entwickelung verkümmert sind in
ganz gleichem Zustande befinde. -- b. Sollte aber in der That der Ausfall einiger oder
aller geistiger Erscheinungen auch erwiesen sein, so müsste nun erst noch darge-
than werden, in welcher besondern mehr oder weniger direkten Beziehung das
fehlende und zerstörte Organ und das mangelnde Seelenvermögen zu einander
stehen. Sucht man sich hiervon nicht genau Rechenschaft zu geben, so wird man
nothwendiger Weise in den Fehler der alten Psychiatrikern zurückfallen, den Sitz
der bestimmten Seelenvermögen in Organen zu suchen, die doch nur entfernter
Weise und nur unter einzelnen günstigen Umständen die Seele zur Entwickelung
derselben stimmen konnten. Der Unterschied zwischen dem Fehler der Aelteren und
dem der Neueren wird nur darin liegen, dass die älteren den Sitz ihrer sogenannten
Seelenkräfte ausser dem Hirn (z. B. in das Herz, die Leber etc) versetzten, während
sie die Neueren in das Hirn an Orte setzen, wohin sie nicht gehören. -- Zu diesen
allgemeinen Fehlern zeigt nun jede einzelne Verfahrungsart noch besondere.

a. Die vergleichend anatomische Methode geht von dem Prinzip aus,
die verschiedenen Thiere, sowohl in Rücksicht auf ihre geistigen Leistungen zu ver-
gleichen, als auch in Rücksicht auf die absolute und relative Grösse ihres Hirns und
auf das Vorkommen, die Ausbildung und die besondere Gestaltung einzelner For-
men. -- Hätte sie in der That auf diesem etwas schwierigen Wege ermitteln wollen,
welchen Einfluss die Massen und Formen des Hirns auf die Entwickelung der geisti-
gen Fähigkeit ausüben, so hätte sie begreiflich auch noch angeben müssen, von
welchem Einfluss alle anderweitigen Umstände sind, die bei verschiedenen Thieren
verschieden sich vorfinden. -- Den Versuch hat sie nicht gewagt und wird ihn nicht
wagen. Zudem sind nun aber auch die Vergleiche zwischen den geistigen Fähigkeiten
ganz werthlos, ohne einen Maasstab für dieselben. Wie mangelhaft hat sie aber erst
das einzige was sie ohne zu grosse Schwierigkeit ausführen konnte, die Vergleichung
der Hirngewichte, unternommen? Gibt uns eine der vielen Wägungen und Beschrei-
bungen eine Vorstellung von der relativen Grösse einzelner Hirntheile?

b. Die Excisionsmethode gibt vor aus dem Unterschied der geistigen Fähigkeit
vor und nach dem Ausschneiden eines Hirntheils auf den Werth dieses Hirntheils für
die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten schliessen zu können. -- Dieses Verspre-
chen würde sie halten, wenn sie ein lebendes Hirn so zerstückeln könnte, dass sie nur
die beabsichtigte Verletzung anbrächte. -- Da sie aber neben der Entfernung dieses
oder jenes Stückes, noch in allen andern den Blutlauf stört, sie abkühlt, erschüttert,
unter andere mechanische Spannungen bringt u. s. w., so fehlt jede Entscheidung da-
rüber, ob der Ausfall dieser oder jener Funktion von der Entfernung des Hirnstücks
oder von einer der vielen Nebenverletzungen herrührt. --

g. Die pathologische Beobachtung. Die Beobachtung solcher Menschen,
die an mehr oder weniger ausgedehnten, angebornen oder erworbenen Verstümmlun-
gen des Hirns, ohne Beeinträchtigung des Lebens, leiden, liefert endlich ebenfalls ein

Beziehungen des Gehirns zur Seele.
Empfindung macht sich das geltend, indem man darüber streitet, ob die Em-
pfindung ihren Sitz in den Grosshirnlappen oder der Brücke habe. Nach Exstirpation
der erstern leiten selbst Säugethiere (noch mehr aber Vögel), auf heftige Erregung
der Sinnes- und namentlich der Hautnerven, sehr complizirte Muskelbewegungen ein,
die viel Aehnlichkeit mit Schmerzensbewegungen zeigen, während nach Exstirpation
der Brücke (unter Zurücklassung der Pyramiden, Oliven u. s. w.) diese complizir-
ten Bewegungen (Schreien, Zusammenfahren u. s. w.) wegfallen. Warum ist aber
zur Erzielung dieser Bewegungen Empfindung nöthig? warum sind das nicht
complizirte Reflexbewegungen? Ebenso unmöglich als sie eben war, wird eine
Antwort auf die Frage, ob ein höheres geistiges Vermögen weggefallen sei oder
noch bestehe. Wer sieht dem Chloroformirten an, dass er noch auf die sanfteste
Art träumt, während seine sonst so empfindlichen Nerven zerschnitten werden.
Wer steht uns also dafür, dass sich nicht eine Taube, der man die Grosshirnlap-
pen wegnahm oder der Cretin, dem sie in der Entwickelung verkümmert sind in
ganz gleichem Zustande befinde. — b. Sollte aber in der That der Ausfall einiger oder
aller geistiger Erscheinungen auch erwiesen sein, so müsste nun erst noch darge-
than werden, in welcher besondern mehr oder weniger direkten Beziehung das
fehlende und zerstörte Organ und das mangelnde Seelenvermögen zu einander
stehen. Sucht man sich hiervon nicht genau Rechenschaft zu geben, so wird man
nothwendiger Weise in den Fehler der alten Psychiatrikern zurückfallen, den Sitz
der bestimmten Seelenvermögen in Organen zu suchen, die doch nur entfernter
Weise und nur unter einzelnen günstigen Umständen die Seele zur Entwickelung
derselben stimmen konnten. Der Unterschied zwischen dem Fehler der Aelteren und
dem der Neueren wird nur darin liegen, dass die älteren den Sitz ihrer sogenannten
Seelenkräfte ausser dem Hirn (z. B. in das Herz, die Leber etc) versetzten, während
sie die Neueren in das Hirn an Orte setzen, wohin sie nicht gehören. — Zu diesen
allgemeinen Fehlern zeigt nun jede einzelne Verfahrungsart noch besondere.

α. Die vergleichend anatomische Methode geht von dem Prinzip aus,
die verschiedenen Thiere, sowohl in Rücksicht auf ihre geistigen Leistungen zu ver-
gleichen, als auch in Rücksicht auf die absolute und relative Grösse ihres Hirns und
auf das Vorkommen, die Ausbildung und die besondere Gestaltung einzelner For-
men. — Hätte sie in der That auf diesem etwas schwierigen Wege ermitteln wollen,
welchen Einfluss die Massen und Formen des Hirns auf die Entwickelung der geisti-
gen Fähigkeit ausüben, so hätte sie begreiflich auch noch angeben müssen, von
welchem Einfluss alle anderweitigen Umstände sind, die bei verschiedenen Thieren
verschieden sich vorfinden. — Den Versuch hat sie nicht gewagt und wird ihn nicht
wagen. Zudem sind nun aber auch die Vergleiche zwischen den geistigen Fähigkeiten
ganz werthlos, ohne einen Maasstab für dieselben. Wie mangelhaft hat sie aber erst
das einzige was sie ohne zu grosse Schwierigkeit ausführen konnte, die Vergleichung
der Hirngewichte, unternommen? Gibt uns eine der vielen Wägungen und Beschrei-
bungen eine Vorstellung von der relativen Grösse einzelner Hirntheile?

β. Die Excisionsmethode gibt vor aus dem Unterschied der geistigen Fähigkeit
vor und nach dem Ausschneiden eines Hirntheils auf den Werth dieses Hirntheils für
die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten schliessen zu können. — Dieses Verspre-
chen würde sie halten, wenn sie ein lebendes Hirn so zerstückeln könnte, dass sie nur
die beabsichtigte Verletzung anbrächte. — Da sie aber neben der Entfernung dieses
oder jenes Stückes, noch in allen andern den Blutlauf stört, sie abkühlt, erschüttert,
unter andere mechanische Spannungen bringt u. s. w., so fehlt jede Entscheidung da-
rüber, ob der Ausfall dieser oder jener Funktion von der Entfernung des Hirnstücks
oder von einer der vielen Nebenverletzungen herrührt. —

γ. Die pathologische Beobachtung. Die Beobachtung solcher Menschen,
die an mehr oder weniger ausgedehnten, angebornen oder erworbenen Verstümmlun-
gen des Hirns, ohne Beeinträchtigung des Lebens, leiden, liefert endlich ebenfalls ein

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[454/0468] Beziehungen des Gehirns zur Seele. Empfindung macht sich das geltend, indem man darüber streitet, ob die Em- pfindung ihren Sitz in den Grosshirnlappen oder der Brücke habe. Nach Exstirpation der erstern leiten selbst Säugethiere (noch mehr aber Vögel), auf heftige Erregung der Sinnes- und namentlich der Hautnerven, sehr complizirte Muskelbewegungen ein, die viel Aehnlichkeit mit Schmerzensbewegungen zeigen, während nach Exstirpation der Brücke (unter Zurücklassung der Pyramiden, Oliven u. s. w.) diese complizir- ten Bewegungen (Schreien, Zusammenfahren u. s. w.) wegfallen. Warum ist aber zur Erzielung dieser Bewegungen Empfindung nöthig? warum sind das nicht complizirte Reflexbewegungen? Ebenso unmöglich als sie eben war, wird eine Antwort auf die Frage, ob ein höheres geistiges Vermögen weggefallen sei oder noch bestehe. Wer sieht dem Chloroformirten an, dass er noch auf die sanfteste Art träumt, während seine sonst so empfindlichen Nerven zerschnitten werden. Wer steht uns also dafür, dass sich nicht eine Taube, der man die Grosshirnlap- pen wegnahm oder der Cretin, dem sie in der Entwickelung verkümmert sind in ganz gleichem Zustande befinde. — b. Sollte aber in der That der Ausfall einiger oder aller geistiger Erscheinungen auch erwiesen sein, so müsste nun erst noch darge- than werden, in welcher besondern mehr oder weniger direkten Beziehung das fehlende und zerstörte Organ und das mangelnde Seelenvermögen zu einander stehen. Sucht man sich hiervon nicht genau Rechenschaft zu geben, so wird man nothwendiger Weise in den Fehler der alten Psychiatrikern zurückfallen, den Sitz der bestimmten Seelenvermögen in Organen zu suchen, die doch nur entfernter Weise und nur unter einzelnen günstigen Umständen die Seele zur Entwickelung derselben stimmen konnten. Der Unterschied zwischen dem Fehler der Aelteren und dem der Neueren wird nur darin liegen, dass die älteren den Sitz ihrer sogenannten Seelenkräfte ausser dem Hirn (z. B. in das Herz, die Leber etc) versetzten, während sie die Neueren in das Hirn an Orte setzen, wohin sie nicht gehören. — Zu diesen allgemeinen Fehlern zeigt nun jede einzelne Verfahrungsart noch besondere. α. Die vergleichend anatomische Methode geht von dem Prinzip aus, die verschiedenen Thiere, sowohl in Rücksicht auf ihre geistigen Leistungen zu ver- gleichen, als auch in Rücksicht auf die absolute und relative Grösse ihres Hirns und auf das Vorkommen, die Ausbildung und die besondere Gestaltung einzelner For- men. — Hätte sie in der That auf diesem etwas schwierigen Wege ermitteln wollen, welchen Einfluss die Massen und Formen des Hirns auf die Entwickelung der geisti- gen Fähigkeit ausüben, so hätte sie begreiflich auch noch angeben müssen, von welchem Einfluss alle anderweitigen Umstände sind, die bei verschiedenen Thieren verschieden sich vorfinden. — Den Versuch hat sie nicht gewagt und wird ihn nicht wagen. Zudem sind nun aber auch die Vergleiche zwischen den geistigen Fähigkeiten ganz werthlos, ohne einen Maasstab für dieselben. Wie mangelhaft hat sie aber erst das einzige was sie ohne zu grosse Schwierigkeit ausführen konnte, die Vergleichung der Hirngewichte, unternommen? Gibt uns eine der vielen Wägungen und Beschrei- bungen eine Vorstellung von der relativen Grösse einzelner Hirntheile? β. Die Excisionsmethode gibt vor aus dem Unterschied der geistigen Fähigkeit vor und nach dem Ausschneiden eines Hirntheils auf den Werth dieses Hirntheils für die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten schliessen zu können. — Dieses Verspre- chen würde sie halten, wenn sie ein lebendes Hirn so zerstückeln könnte, dass sie nur die beabsichtigte Verletzung anbrächte. — Da sie aber neben der Entfernung dieses oder jenes Stückes, noch in allen andern den Blutlauf stört, sie abkühlt, erschüttert, unter andere mechanische Spannungen bringt u. s. w., so fehlt jede Entscheidung da- rüber, ob der Ausfall dieser oder jener Funktion von der Entfernung des Hirnstücks oder von einer der vielen Nebenverletzungen herrührt. — γ. Die pathologische Beobachtung. Die Beobachtung solcher Menschen, die an mehr oder weniger ausgedehnten, angebornen oder erworbenen Verstümmlun- gen des Hirns, ohne Beeinträchtigung des Lebens, leiden, liefert endlich ebenfalls ein

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/468>, abgerufen am 27.04.2024.