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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Labdrüsen; Bereitung des Saftes.
schliessen wir nun, dass die Absonderungsgeschwindigkeit steige mit der
bestehenden Nervenerregung des Magens, ein Schluss, der noch dadurch
bestätigt wird, dass nach Durchschneidung der n. vagi am Halse die Ab-
sonderung, wenn auch nicht vollkommen aufgehoben, doch zum minde-
sten beschränkt wird (Bidder, Schmidt, Frerichs, Bernard).

Eine sinnreiche Methode haben Bidder und Schmidt in Vorschlag
gebracht, die tägliche Menge des vom Menschen abgesonderten Pepsins
und der freien Säure zu bestimmen. -- Setzt man, wie es annähernd
mindestens geschehen darf, voraus, dass die festen Eiweissstoffe unserer
Nahrung mit Hilfe jener Körper (in dem Magen oder Dünndarm) auf-
gelöst werden, und hätte man aus künstlichen Verdauungsversuchen er-
mittelt, wie viel Pepsin und Säure nöthig sind, um die Gewichtseinheit
des Muskelfleisches, Käses u. s. w. zur Auflösung zu bringen, so kann
man, vollkommene Auflösung vorausgesetzt, aus dem bekannten Gewicht
der eiweisshaltigen Nahrung die vom Magen gelieferten Pepsin- und
Säurenmengen berechnen. Würde schliesslich das Verhältniss dieser beiden
Stoffe zum Wasser des Labsaftes bekannt sein, so würde man damit auch
das Volum des ganzen Saftes gefunden haben. -- Eine genaue Ausfüh-
rung ist diesem Vorschlag noch nicht zu Theil geworden.

4. Bereitung des Labsaftes. Pepsin und freie Säure gehören nicht
zu den Blutbestandtheilen, sie müssen also beide in den Labdrüsen ent-
standen sein. Das erste, welches seiner Eigenschaften wegen zu den
eiweissartigen Körpern gestellt werden muss, wird wahrscheinlich aus
dem Bluteiweiss gebildet, welches in dem Innern der Labzellen abgeschie-
den wurde; diese letzten enthalten mindestens den bezeichneten Stoff
(Frerichs). -- Die freie Säure, insofern sie Salzsäure ist, wird durch
die Zerlegung der Chloralkalien gewonnen werden müssen; wie und wo
dieses geschieht, ist bis dahin ein Räthsel. -- Die schon vorhin mit-
getheilten Gründe deuten darauf hin, dass das zeitweise verstärkte Her-
vortreten von Flüssigkeit unter dem Einfluss einer plötzlich eintretenden
Nervenerregung geschieht. Wie die Flüssigkeit beschaffen ist, die in die
Labdrüsen übergeführt wird, wissen wir nicht. Wir vermuthen aber,
dass sie eine (saure?) Salzlösung sei, welche auf ihrem Wege durch die
Drüse das Pepsin aus den Labzellen auswäscht (Donders). -- Der
Mechanismus, durch welchen die Nerven die Absonderung einleiten, ist
uns unbekannt; für die Annahme, dass dieses durch eine Veränderung
im Durchmesser der Blutgefässe geschähe, spricht die lebhaftere Röthung
des Magens zur Zeit der gesteigerten Absonderung. Die Bahnen, in
welchen die Absonderungsnerven laufen, sind ebenfalls noch problematisch,
in dem Halstheil des n. vagus scheint nach übereinstimmenden Beobach-
tungen mindestens ein Theil derselben gesucht werden zu müssen. In
dem n. splanchnicus oder in den sympathischen Zweigen, welche in der

Labdrüsen; Bereitung des Saftes.
schliessen wir nun, dass die Absonderungsgeschwindigkeit steige mit der
bestehenden Nervenerregung des Magens, ein Schluss, der noch dadurch
bestätigt wird, dass nach Durchschneidung der n. vagi am Halse die Ab-
sonderung, wenn auch nicht vollkommen aufgehoben, doch zum minde-
sten beschränkt wird (Bidder, Schmidt, Frerichs, Bernard).

Eine sinnreiche Methode haben Bidder und Schmidt in Vorschlag
gebracht, die tägliche Menge des vom Menschen abgesonderten Pepsins
und der freien Säure zu bestimmen. — Setzt man, wie es annähernd
mindestens geschehen darf, voraus, dass die festen Eiweissstoffe unserer
Nahrung mit Hilfe jener Körper (in dem Magen oder Dünndarm) auf-
gelöst werden, und hätte man aus künstlichen Verdauungsversuchen er-
mittelt, wie viel Pepsin und Säure nöthig sind, um die Gewichtseinheit
des Muskelfleisches, Käses u. s. w. zur Auflösung zu bringen, so kann
man, vollkommene Auflösung vorausgesetzt, aus dem bekannten Gewicht
der eiweisshaltigen Nahrung die vom Magen gelieferten Pepsin- und
Säurenmengen berechnen. Würde schliesslich das Verhältniss dieser beiden
Stoffe zum Wasser des Labsaftes bekannt sein, so würde man damit auch
das Volum des ganzen Saftes gefunden haben. — Eine genaue Ausfüh-
rung ist diesem Vorschlag noch nicht zu Theil geworden.

4. Bereitung des Labsaftes. Pepsin und freie Säure gehören nicht
zu den Blutbestandtheilen, sie müssen also beide in den Labdrüsen ent-
standen sein. Das erste, welches seiner Eigenschaften wegen zu den
eiweissartigen Körpern gestellt werden muss, wird wahrscheinlich aus
dem Bluteiweiss gebildet, welches in dem Innern der Labzellen abgeschie-
den wurde; diese letzten enthalten mindestens den bezeichneten Stoff
(Frerichs). — Die freie Säure, insofern sie Salzsäure ist, wird durch
die Zerlegung der Chloralkalien gewonnen werden müssen; wie und wo
dieses geschieht, ist bis dahin ein Räthsel. — Die schon vorhin mit-
getheilten Gründe deuten darauf hin, dass das zeitweise verstärkte Her-
vortreten von Flüssigkeit unter dem Einfluss einer plötzlich eintretenden
Nervenerregung geschieht. Wie die Flüssigkeit beschaffen ist, die in die
Labdrüsen übergeführt wird, wissen wir nicht. Wir vermuthen aber,
dass sie eine (saure?) Salzlösung sei, welche auf ihrem Wege durch die
Drüse das Pepsin aus den Labzellen auswäscht (Donders). — Der
Mechanismus, durch welchen die Nerven die Absonderung einleiten, ist
uns unbekannt; für die Annahme, dass dieses durch eine Veränderung
im Durchmesser der Blutgefässe geschähe, spricht die lebhaftere Röthung
des Magens zur Zeit der gesteigerten Absonderung. Die Bahnen, in
welchen die Absonderungsnerven laufen, sind ebenfalls noch problematisch,
in dem Halstheil des n. vagus scheint nach übereinstimmenden Beobach-
tungen mindestens ein Theil derselben gesucht werden zu müssen. In
dem n. splanchnicus oder in den sympathischen Zweigen, welche in der

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[248/0264] Labdrüsen; Bereitung des Saftes. schliessen wir nun, dass die Absonderungsgeschwindigkeit steige mit der bestehenden Nervenerregung des Magens, ein Schluss, der noch dadurch bestätigt wird, dass nach Durchschneidung der n. vagi am Halse die Ab- sonderung, wenn auch nicht vollkommen aufgehoben, doch zum minde- sten beschränkt wird (Bidder, Schmidt, Frerichs, Bernard). Eine sinnreiche Methode haben Bidder und Schmidt in Vorschlag gebracht, die tägliche Menge des vom Menschen abgesonderten Pepsins und der freien Säure zu bestimmen. — Setzt man, wie es annähernd mindestens geschehen darf, voraus, dass die festen Eiweissstoffe unserer Nahrung mit Hilfe jener Körper (in dem Magen oder Dünndarm) auf- gelöst werden, und hätte man aus künstlichen Verdauungsversuchen er- mittelt, wie viel Pepsin und Säure nöthig sind, um die Gewichtseinheit des Muskelfleisches, Käses u. s. w. zur Auflösung zu bringen, so kann man, vollkommene Auflösung vorausgesetzt, aus dem bekannten Gewicht der eiweisshaltigen Nahrung die vom Magen gelieferten Pepsin- und Säurenmengen berechnen. Würde schliesslich das Verhältniss dieser beiden Stoffe zum Wasser des Labsaftes bekannt sein, so würde man damit auch das Volum des ganzen Saftes gefunden haben. — Eine genaue Ausfüh- rung ist diesem Vorschlag noch nicht zu Theil geworden. 4. Bereitung des Labsaftes. Pepsin und freie Säure gehören nicht zu den Blutbestandtheilen, sie müssen also beide in den Labdrüsen ent- standen sein. Das erste, welches seiner Eigenschaften wegen zu den eiweissartigen Körpern gestellt werden muss, wird wahrscheinlich aus dem Bluteiweiss gebildet, welches in dem Innern der Labzellen abgeschie- den wurde; diese letzten enthalten mindestens den bezeichneten Stoff (Frerichs). — Die freie Säure, insofern sie Salzsäure ist, wird durch die Zerlegung der Chloralkalien gewonnen werden müssen; wie und wo dieses geschieht, ist bis dahin ein Räthsel. — Die schon vorhin mit- getheilten Gründe deuten darauf hin, dass das zeitweise verstärkte Her- vortreten von Flüssigkeit unter dem Einfluss einer plötzlich eintretenden Nervenerregung geschieht. Wie die Flüssigkeit beschaffen ist, die in die Labdrüsen übergeführt wird, wissen wir nicht. Wir vermuthen aber, dass sie eine (saure?) Salzlösung sei, welche auf ihrem Wege durch die Drüse das Pepsin aus den Labzellen auswäscht (Donders). — Der Mechanismus, durch welchen die Nerven die Absonderung einleiten, ist uns unbekannt; für die Annahme, dass dieses durch eine Veränderung im Durchmesser der Blutgefässe geschähe, spricht die lebhaftere Röthung des Magens zur Zeit der gesteigerten Absonderung. Die Bahnen, in welchen die Absonderungsnerven laufen, sind ebenfalls noch problematisch, in dem Halstheil des n. vagus scheint nach übereinstimmenden Beobach- tungen mindestens ein Theil derselben gesucht werden zu müssen. In dem n. splanchnicus oder in den sympathischen Zweigen, welche in der

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/264>, abgerufen am 28.04.2024.