Niere; Harn, Verhältniss zwischen Säuren und Basen.
und Kohlensäure bald frei und bald gesättigt erscheinen und die Phos- phorsäure bald mit Kali oder Erden, und zwar entweder mit einem oder mehreren Atomen verbunden, auftreten. -- Freie Basen sind dagegen im Harn niemals beobachtet, indem immer genug Kohlensäure vorhanden zu sein scheint, um diejenigen derselben zu binden, welche durch die übri- gen Säuren nicht aufgenommen wurden.
Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt es nun aber noch Werth, die Umstände, unter denen die Säuren ein Uebergewicht über die Basen gewinnen, und diejenigen, die eine Veränderlichkeit des Säuregehaltes der fixen Harnbestandtheile (der Harnasche) im Ganzen bedingen, zu ermitteln.
Verhältniss der Säuren zu den Basen. Die Säuren oder sauren Salze sind in vorwiegender Menge im Harn enthalten, so dass dieser letztere eine stark saure Reaktion annimmt nach dem Genuss von Schwefelsäure, Weinsäure, von kohlensaurem und weinsaurem Am- moniak, Zucker, Brod, Gemüse (B. Jones) *) und nach längerer Ent- ziehung der Nahrung. Die Säuren, welche in diesem Falle im Ueber- schuss auftreten, sind verschieden; so bildet sich z. B. nach dem Ge- nuss von Ammoniak Salpetersäure. -- B. Jones hat zugleich bestimmt, dass der steigende Gehalt der Säuren nicht vorzugsweise Hand in Hand geht mit dem Auftreten der Harnsäure, denn er fand, dass oft ein an dieser Säure sehr reicher Urin sehr viel weniger freies Alkali zur voll- kommenen Neutralisation bedurfte, als ein daran ärmerer. Nach den Beobachtungen von Winter scheint dagegen mit dem steigenden Gehalt des Harns an Phosphorsäure im Allgemeinen auch derjenige an freier Säure zu wachsen.
Die basischen Salze (kohlensaure Alkalien und phosphorsaure Alka- lien mit 2 Atomen fixer Basis) treten dagegen in das Uebergewicht nach Fleischkost und dem Genuss von Kalien, die mit Kohlensäure oder orga- nischen Säuren (Weinsäure, Aepfelsäure, Essigsäure u. s. w.) gesättigt sind; bemerkenswerther Weise wirken in diesem Sinne die organisch- sauren Salze mächtiger, als die kohlensauren (B. Jones).
Bei sehr regelmässiger Diät aus Fleisch, Eier und Kartoffeln, oder auch nur aus Fleisch und Kaffee, fand B. Jones, dass der Säuregehalt sein Maximum erreicht vor dem Essen; einige Stunden nach der Mahlzeit reagirt der Harn dagegen alkalisch; diese letztere Beschaffenheit hält dann mehrere Stunden, je nach der Reichlichkeit der Mahlzeit, an und geht darauf wieder in die saure über. -- Winter beobachtete dagegen, dass die freie Säure in der Nacht am grössten, vor dem Mittagsessen am gering- sten und während der Verdauungszeit durch einen mittleren Werth ver- treten war.
*) Philosophical transactions. 1849. p. 237. und 1850. 669.
Niere; Harn, Verhältniss zwischen Säuren und Basen.
und Kohlensäure bald frei und bald gesättigt erscheinen und die Phos- phorsäure bald mit Kali oder Erden, und zwar entweder mit einem oder mehreren Atomen verbunden, auftreten. — Freie Basen sind dagegen im Harn niemals beobachtet, indem immer genug Kohlensäure vorhanden zu sein scheint, um diejenigen derselben zu binden, welche durch die übri- gen Säuren nicht aufgenommen wurden.
Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt es nun aber noch Werth, die Umstände, unter denen die Säuren ein Uebergewicht über die Basen gewinnen, und diejenigen, die eine Veränderlichkeit des Säuregehaltes der fixen Harnbestandtheile (der Harnasche) im Ganzen bedingen, zu ermitteln.
Verhältniss der Säuren zu den Basen. Die Säuren oder sauren Salze sind in vorwiegender Menge im Harn enthalten, so dass dieser letztere eine stark saure Reaktion annimmt nach dem Genuss von Schwefelsäure, Weinsäure, von kohlensaurem und weinsaurem Am- moniak, Zucker, Brod, Gemüse (B. Jones) *) und nach längerer Ent- ziehung der Nahrung. Die Säuren, welche in diesem Falle im Ueber- schuss auftreten, sind verschieden; so bildet sich z. B. nach dem Ge- nuss von Ammoniak Salpetersäure. — B. Jones hat zugleich bestimmt, dass der steigende Gehalt der Säuren nicht vorzugsweise Hand in Hand geht mit dem Auftreten der Harnsäure, denn er fand, dass oft ein an dieser Säure sehr reicher Urin sehr viel weniger freies Alkali zur voll- kommenen Neutralisation bedurfte, als ein daran ärmerer. Nach den Beobachtungen von Winter scheint dagegen mit dem steigenden Gehalt des Harns an Phosphorsäure im Allgemeinen auch derjenige an freier Säure zu wachsen.
Die basischen Salze (kohlensaure Alkalien und phosphorsaure Alka- lien mit 2 Atomen fixer Basis) treten dagegen in das Uebergewicht nach Fleischkost und dem Genuss von Kalien, die mit Kohlensäure oder orga- nischen Säuren (Weinsäure, Aepfelsäure, Essigsäure u. s. w.) gesättigt sind; bemerkenswerther Weise wirken in diesem Sinne die organisch- sauren Salze mächtiger, als die kohlensauren (B. Jones).
Bei sehr regelmässiger Diät aus Fleisch, Eier und Kartoffeln, oder auch nur aus Fleisch und Kaffee, fand B. Jones, dass der Säuregehalt sein Maximum erreicht vor dem Essen; einige Stunden nach der Mahlzeit reagirt der Harn dagegen alkalisch; diese letztere Beschaffenheit hält dann mehrere Stunden, je nach der Reichlichkeit der Mahlzeit, an und geht darauf wieder in die saure über. — Winter beobachtete dagegen, dass die freie Säure in der Nacht am grössten, vor dem Mittagsessen am gering- sten und während der Verdauungszeit durch einen mittleren Werth ver- treten war.
*) Philosophical transactions. 1849. p. 237. und 1850. 669.
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Niere; Harn, Verhältniss zwischen Säuren und Basen.
und Kohlensäure bald frei und bald gesättigt erscheinen und die Phos-
phorsäure bald mit Kali oder Erden, und zwar entweder mit einem oder
mehreren Atomen verbunden, auftreten. — Freie Basen sind dagegen im
Harn niemals beobachtet, indem immer genug Kohlensäure vorhanden zu
sein scheint, um diejenigen derselben zu binden, welche durch die übri-
gen Säuren nicht aufgenommen wurden.
Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt es nun aber noch Werth,
die Umstände, unter denen die Säuren ein Uebergewicht über die Basen
gewinnen, und diejenigen, die eine Veränderlichkeit des Säuregehaltes
der fixen Harnbestandtheile (der Harnasche) im Ganzen bedingen, zu
ermitteln.
Verhältniss der Säuren zu den Basen. Die Säuren oder
sauren Salze sind in vorwiegender Menge im Harn enthalten, so dass
dieser letztere eine stark saure Reaktion annimmt nach dem Genuss
von Schwefelsäure, Weinsäure, von kohlensaurem und weinsaurem Am-
moniak, Zucker, Brod, Gemüse (B. Jones) *) und nach längerer Ent-
ziehung der Nahrung. Die Säuren, welche in diesem Falle im Ueber-
schuss auftreten, sind verschieden; so bildet sich z. B. nach dem Ge-
nuss von Ammoniak Salpetersäure. — B. Jones hat zugleich bestimmt,
dass der steigende Gehalt der Säuren nicht vorzugsweise Hand in Hand
geht mit dem Auftreten der Harnsäure, denn er fand, dass oft ein an
dieser Säure sehr reicher Urin sehr viel weniger freies Alkali zur voll-
kommenen Neutralisation bedurfte, als ein daran ärmerer. Nach den
Beobachtungen von Winter scheint dagegen mit dem steigenden Gehalt
des Harns an Phosphorsäure im Allgemeinen auch derjenige an freier
Säure zu wachsen.
Die basischen Salze (kohlensaure Alkalien und phosphorsaure Alka-
lien mit 2 Atomen fixer Basis) treten dagegen in das Uebergewicht nach
Fleischkost und dem Genuss von Kalien, die mit Kohlensäure oder orga-
nischen Säuren (Weinsäure, Aepfelsäure, Essigsäure u. s. w.) gesättigt
sind; bemerkenswerther Weise wirken in diesem Sinne die organisch-
sauren Salze mächtiger, als die kohlensauren (B. Jones).
Bei sehr regelmässiger Diät aus Fleisch, Eier und Kartoffeln, oder
auch nur aus Fleisch und Kaffee, fand B. Jones, dass der Säuregehalt sein
Maximum erreicht vor dem Essen; einige Stunden nach der Mahlzeit reagirt
der Harn dagegen alkalisch; diese letztere Beschaffenheit hält dann mehrere
Stunden, je nach der Reichlichkeit der Mahlzeit, an und geht darauf
wieder in die saure über. — Winter beobachtete dagegen, dass die
freie Säure in der Nacht am grössten, vor dem Mittagsessen am gering-
sten und während der Verdauungszeit durch einen mittleren Werth ver-
treten war.
*) Philosophical transactions. 1849. p. 237. und 1850. 669.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/283>, abgerufen am 17.06.2024.
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