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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Aufsaugung durch Chylusgefässe.
Stelle sehr leicht durchdringlich. Der Durchgangswiderstand des Epitheliums
würde aber noch mehr verringert sein, wenn, wie es Brücke sehr wahr-
scheinlich zu machen weiss, jedem einzelnen Epithelialcylinder die beklei-
dende Wand fehlt an der nach der Darmhöhle gerichteten Basis und an
der in die Wand eingefügten Spitze, und sein Binnenraum nur ausgefüllt
ist durch einen leichten Schleimpfropf. Jenseits der Oberhaut stösst
die eingedrungene Flüssigkeit sogleich auf ein lockeres Gewebe, dessen
Lücken sich in Lymphgefässe öffnen, und das ausserdem reichlich von
Blutgefässen durchzogen ist; von da aus wird also das Absorbirte den
einen oder anderen Weg nehmen.

A. Aufsaugung durch die Lymphgefässe.

1. Anatomisches Verhalten der Anfänge *). Das Stroma der Schleim-
haut ist überall mit zahlreichen unter einander communizirenden Lücken
versehen, in welche der Chylus zunächst eintritt, so dass er das ganze Ge-
webe in dessen Zwischenräumen erfüllt, sowohl innerhalb der Zotten als
zwischen den Lieberkühn'schen Krypten. In jeder Zotte verläuft ausserdem
der Länge nach ein grösserer Hohlraum, der sog. Centralkanal, in dem der
Chylus fortgeleitet wird und der unter der Zotte durch angehäuften Chylus
oft flaschenförmig ausgedehnt ist (Lieberkühn's Ampulla). Aus diesem Sy-
stem von Hohlräumen entspringen unter den Zotten und ganz in der Tiefe
der Schleimhaut die wahren Chylusgefässe mit offenen Ursprüngen. In schie-
fer Richtung durchsetzen sie die Muskellager der Schleimhaut, bekommen dar-
auf Klappen und vereinigen sich im Unterschleimhautgewebe zu grossen
Stämmen, mit denen sie die Muskelhaut durchbohren, um unter dem Peri-
tonaealüberzuge und im Mesenterium in allbekannter Weise weiter fortzu-
schreiten. In den lockeren oberflächlichen Schleimhautpartieen ist überall
ein engmaschiges Netz von Blutgefässen eingebettet, das mit freien Wan-
dungen an die Lücken, welche den Anfang der Chylusgefässe darstellen,
hineinragt. Daraus folgt zweierlei; einmal nemlich wird die Möglichkeit
eines Austausches zwischen den Flüssigkeiten gegeben sein, die in den
Lücken und den Blutgefässen eingeschlossen sind; zugleich werden aber
auch die Blutgefässe vermöge ihres durch den Blutstrom gespannten
Inhaltes die Schleimhautoberfläche und namentlich den Zottenmantel aus-
spannen, resp. die den Lymphgefässanfang darstellenden Hohlräume offen
erhalten, selbst wenn ein gelinder von der Darmhöhle her wirkender Druck sie
zusammenzupressen sucht (Brücke, Donders). Ausser diesen Gebilden
enthält die Schleimhaut bekanntlich noch Muskelzellen. Diese sind in den
Zotten zu Fasern angeordnet, welche der grössten Länge der ersteren entspre-
chend verlaufen; sie liegen nach innen von den Blutgefässcapillaren und
nach aussen vom Centralkanal der Zotte. Ziehen sich die Muskeln zusammen,
wie dieses am geöffneten Darme des lebenden oder eben getödteten Thieres

*) Brücke, Ueber Chylusgefässe u. d. Resorption d. Chylus. Wien 1853. -- Donders, Henle's
und Pfeufer's Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 230.

Aufsaugung durch Chylusgefässe.
Stelle sehr leicht durchdringlich. Der Durchgangswiderstand des Epitheliums
würde aber noch mehr verringert sein, wenn, wie es Brücke sehr wahr-
scheinlich zu machen weiss, jedem einzelnen Epithelialcylinder die beklei-
dende Wand fehlt an der nach der Darmhöhle gerichteten Basis und an
der in die Wand eingefügten Spitze, und sein Binnenraum nur ausgefüllt
ist durch einen leichten Schleimpfropf. Jenseits der Oberhaut stösst
die eingedrungene Flüssigkeit sogleich auf ein lockeres Gewebe, dessen
Lücken sich in Lymphgefässe öffnen, und das ausserdem reichlich von
Blutgefässen durchzogen ist; von da aus wird also das Absorbirte den
einen oder anderen Weg nehmen.

A. Aufsaugung durch die Lymphgefässe.

1. Anatomisches Verhalten der Anfänge *). Das Stroma der Schleim-
haut ist überall mit zahlreichen unter einander communizirenden Lücken
versehen, in welche der Chylus zunächst eintritt, so dass er das ganze Ge-
webe in dessen Zwischenräumen erfüllt, sowohl innerhalb der Zotten als
zwischen den Lieberkühn’schen Krypten. In jeder Zotte verläuft ausserdem
der Länge nach ein grösserer Hohlraum, der sog. Centralkanal, in dem der
Chylus fortgeleitet wird und der unter der Zotte durch angehäuften Chylus
oft flaschenförmig ausgedehnt ist (Lieberkühn’s Ampulla). Aus diesem Sy-
stem von Hohlräumen entspringen unter den Zotten und ganz in der Tiefe
der Schleimhaut die wahren Chylusgefässe mit offenen Ursprüngen. In schie-
fer Richtung durchsetzen sie die Muskellager der Schleimhaut, bekommen dar-
auf Klappen und vereinigen sich im Unterschleimhautgewebe zu grossen
Stämmen, mit denen sie die Muskelhaut durchbohren, um unter dem Peri-
tonaealüberzuge und im Mesenterium in allbekannter Weise weiter fortzu-
schreiten. In den lockeren oberflächlichen Schleimhautpartieen ist überall
ein engmaschiges Netz von Blutgefässen eingebettet, das mit freien Wan-
dungen an die Lücken, welche den Anfang der Chylusgefässe darstellen,
hineinragt. Daraus folgt zweierlei; einmal nemlich wird die Möglichkeit
eines Austausches zwischen den Flüssigkeiten gegeben sein, die in den
Lücken und den Blutgefässen eingeschlossen sind; zugleich werden aber
auch die Blutgefässe vermöge ihres durch den Blutstrom gespannten
Inhaltes die Schleimhautoberfläche und namentlich den Zottenmantel aus-
spannen, resp. die den Lymphgefässanfang darstellenden Hohlräume offen
erhalten, selbst wenn ein gelinder von der Darmhöhle her wirkender Druck sie
zusammenzupressen sucht (Brücke, Donders). Ausser diesen Gebilden
enthält die Schleimhaut bekanntlich noch Muskelzellen. Diese sind in den
Zotten zu Fasern angeordnet, welche der grössten Länge der ersteren entspre-
chend verlaufen; sie liegen nach innen von den Blutgefässcapillaren und
nach aussen vom Centralkanal der Zotte. Ziehen sich die Muskeln zusammen,
wie dieses am geöffneten Darme des lebenden oder eben getödteten Thieres

*) Brücke, Ueber Chylusgefässe u. d. Resorption d. Chylus. Wien 1853. — Donders, Henle’s
und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 230.
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[418/0434] Aufsaugung durch Chylusgefässe. Stelle sehr leicht durchdringlich. Der Durchgangswiderstand des Epitheliums würde aber noch mehr verringert sein, wenn, wie es Brücke sehr wahr- scheinlich zu machen weiss, jedem einzelnen Epithelialcylinder die beklei- dende Wand fehlt an der nach der Darmhöhle gerichteten Basis und an der in die Wand eingefügten Spitze, und sein Binnenraum nur ausgefüllt ist durch einen leichten Schleimpfropf. Jenseits der Oberhaut stösst die eingedrungene Flüssigkeit sogleich auf ein lockeres Gewebe, dessen Lücken sich in Lymphgefässe öffnen, und das ausserdem reichlich von Blutgefässen durchzogen ist; von da aus wird also das Absorbirte den einen oder anderen Weg nehmen. A. Aufsaugung durch die Lymphgefässe. 1. Anatomisches Verhalten der Anfänge *). Das Stroma der Schleim- haut ist überall mit zahlreichen unter einander communizirenden Lücken versehen, in welche der Chylus zunächst eintritt, so dass er das ganze Ge- webe in dessen Zwischenräumen erfüllt, sowohl innerhalb der Zotten als zwischen den Lieberkühn’schen Krypten. In jeder Zotte verläuft ausserdem der Länge nach ein grösserer Hohlraum, der sog. Centralkanal, in dem der Chylus fortgeleitet wird und der unter der Zotte durch angehäuften Chylus oft flaschenförmig ausgedehnt ist (Lieberkühn’s Ampulla). Aus diesem Sy- stem von Hohlräumen entspringen unter den Zotten und ganz in der Tiefe der Schleimhaut die wahren Chylusgefässe mit offenen Ursprüngen. In schie- fer Richtung durchsetzen sie die Muskellager der Schleimhaut, bekommen dar- auf Klappen und vereinigen sich im Unterschleimhautgewebe zu grossen Stämmen, mit denen sie die Muskelhaut durchbohren, um unter dem Peri- tonaealüberzuge und im Mesenterium in allbekannter Weise weiter fortzu- schreiten. In den lockeren oberflächlichen Schleimhautpartieen ist überall ein engmaschiges Netz von Blutgefässen eingebettet, das mit freien Wan- dungen an die Lücken, welche den Anfang der Chylusgefässe darstellen, hineinragt. Daraus folgt zweierlei; einmal nemlich wird die Möglichkeit eines Austausches zwischen den Flüssigkeiten gegeben sein, die in den Lücken und den Blutgefässen eingeschlossen sind; zugleich werden aber auch die Blutgefässe vermöge ihres durch den Blutstrom gespannten Inhaltes die Schleimhautoberfläche und namentlich den Zottenmantel aus- spannen, resp. die den Lymphgefässanfang darstellenden Hohlräume offen erhalten, selbst wenn ein gelinder von der Darmhöhle her wirkender Druck sie zusammenzupressen sucht (Brücke, Donders). Ausser diesen Gebilden enthält die Schleimhaut bekanntlich noch Muskelzellen. Diese sind in den Zotten zu Fasern angeordnet, welche der grössten Länge der ersteren entspre- chend verlaufen; sie liegen nach innen von den Blutgefässcapillaren und nach aussen vom Centralkanal der Zotte. Ziehen sich die Muskeln zusammen, wie dieses am geöffneten Darme des lebenden oder eben getödteten Thieres *) Brücke, Ueber Chylusgefässe u. d. Resorption d. Chylus. Wien 1853. — Donders, Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 230.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/434>, abgerufen am 28.04.2024.