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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Mittel zur Erhaltung der Normalwärme.
Haut auf eine höhere Temperatur, und damit wird der Verlust durch
Leitung und Strahlung, welcher dem Temperaturunterschied zwischen
dem thierischen Körper und dem umgebenden Medium proportional
geht, erhöht. -- Meist tritt zugleich eine Schweissbildung ein, und damit
wird eine gesteigerte Verdunstung eingeleitet, welche beträchtlich abküh-
lend wirkt. Diese Schweissbildung tritt aber wegen besonderer, noch
unbekannter Einrichtung nicht an jeder Drüse mit gleicher Lebhaftigkeit
hervor, und zugleich ist auch die Summe des ergossenen Wassers nicht
auf allen Hautflächen gleich gross, da die Zahl der Schweissdrüsen in
ihnen variirt. -- Wenn wir nun auch gar keine Vorstellung davon haben,
warum mit der gesteigerten Eigenwärme sich die Gefässe erweitern und
die Schweissdrüsen absondern, so ist doch der Vortheil, den beide Ap-
parate in ihrer Vereinigung zu leisten vermögen, einleuchtend genug.
Denn offenbar würde die Ausbreitung und Beschleunigung des Blutstro-
mes in der Haut wenig abkühlen, wenn, wie im Sommer und den Tropen,
die Temperatur der Atmosphäre sich derjenigen des thierischen Körpers
annähert oder sie gar übertrifft. -- c) Es mehrt sich endlich mit dem
gesteigerten Stoffumsatze auch die Zahl und die Tiefe der Athembewegun-
gen, und damit auch die Abkühlung durch Leitung und Verdunstung von
der Lungenoberfläche aus. Wir dürfen als Ursache hiervon wohl die
Anhäufung der CO2 im Blute oder in den Lungenbläschen bezeichnen,
welche durch reflektorische oder direkte Erregung vom verlängerten
Marke aus die Bewegungen auslöst.

2. Der verminderten Wärmeeinnahme folgt jedesmal eine Zusammen-
ziehung der kleinen Muskeln in dem Gewebe und den Blutgefässen der
Haut, wodurch sich das Bett des Blutstromes in dieser verengert; die Haut
wird also trockener, und zugleich sinkt ihre Temperatur und damit auch
der Verlust durch Verdunstung und Strahlung. Unterstützend für die
Zurückhaltung der Wärme tritt, wenn einmal die Gefässfülle der Haut
auf ein Minimum gesunken ist, auch der panniculus adiposus ein, wel-
cher die Ableitung der Wärme von den Muskeln und tieferen Gefässen
zu der Haut hemmt (Bergmann). Für die Athmung gilt bis zu einem
gewissen Grade das umgekehrte von dem, was für den Fall vermehrter
Wärmebildung ausgesprochen wurde.

Um zu zeigen, in welchem Maasse die Luft durch Aufnahme von
Wärme und Wasserdampf abkühlend wirken kann, hat Helmholtz das
Täfelchen der nächsten Seite berechnet. In diesem finden sich die Wärme-
einheiten verzeichnet, welche ein Volum Luft, das einen Gramm wiegt,
nöthig hat, um von einem gegebenen Temperatur- und einem gegebenen
Feuchtigkeitsgrad auf 37° C. erwärmt und mit Wasserdampf vollkommen
gesättigt zu werden.

In der Colonne A ist die Temperatur angegeben, welche die Luft
besass, ehe sie dem erwärmenden Einflusse ausgesetzt wurde; die

Mittel zur Erhaltung der Normalwärme.
Haut auf eine höhere Temperatur, und damit wird der Verlust durch
Leitung und Strahlung, welcher dem Temperaturunterschied zwischen
dem thierischen Körper und dem umgebenden Medium proportional
geht, erhöht. — Meist tritt zugleich eine Schweissbildung ein, und damit
wird eine gesteigerte Verdunstung eingeleitet, welche beträchtlich abküh-
lend wirkt. Diese Schweissbildung tritt aber wegen besonderer, noch
unbekannter Einrichtung nicht an jeder Drüse mit gleicher Lebhaftigkeit
hervor, und zugleich ist auch die Summe des ergossenen Wassers nicht
auf allen Hautflächen gleich gross, da die Zahl der Schweissdrüsen in
ihnen variirt. — Wenn wir nun auch gar keine Vorstellung davon haben,
warum mit der gesteigerten Eigenwärme sich die Gefässe erweitern und
die Schweissdrüsen absondern, so ist doch der Vortheil, den beide Ap-
parate in ihrer Vereinigung zu leisten vermögen, einleuchtend genug.
Denn offenbar würde die Ausbreitung und Beschleunigung des Blutstro-
mes in der Haut wenig abkühlen, wenn, wie im Sommer und den Tropen,
die Temperatur der Atmosphäre sich derjenigen des thierischen Körpers
annähert oder sie gar übertrifft. — c) Es mehrt sich endlich mit dem
gesteigerten Stoffumsatze auch die Zahl und die Tiefe der Athembewegun-
gen, und damit auch die Abkühlung durch Leitung und Verdunstung von
der Lungenoberfläche aus. Wir dürfen als Ursache hiervon wohl die
Anhäufung der CO2 im Blute oder in den Lungenbläschen bezeichnen,
welche durch reflektorische oder direkte Erregung vom verlängerten
Marke aus die Bewegungen auslöst.

2. Der verminderten Wärmeeinnahme folgt jedesmal eine Zusammen-
ziehung der kleinen Muskeln in dem Gewebe und den Blutgefässen der
Haut, wodurch sich das Bett des Blutstromes in dieser verengert; die Haut
wird also trockener, und zugleich sinkt ihre Temperatur und damit auch
der Verlust durch Verdunstung und Strahlung. Unterstützend für die
Zurückhaltung der Wärme tritt, wenn einmal die Gefässfülle der Haut
auf ein Minimum gesunken ist, auch der panniculus adiposus ein, wel-
cher die Ableitung der Wärme von den Muskeln und tieferen Gefässen
zu der Haut hemmt (Bergmann). Für die Athmung gilt bis zu einem
gewissen Grade das umgekehrte von dem, was für den Fall vermehrter
Wärmebildung ausgesprochen wurde.

Um zu zeigen, in welchem Maasse die Luft durch Aufnahme von
Wärme und Wasserdampf abkühlend wirken kann, hat Helmholtz das
Täfelchen der nächsten Seite berechnet. In diesem finden sich die Wärme-
einheiten verzeichnet, welche ein Volum Luft, das einen Gramm wiegt,
nöthig hat, um von einem gegebenen Temperatur- und einem gegebenen
Feuchtigkeitsgrad auf 37° C. erwärmt und mit Wasserdampf vollkommen
gesättigt zu werden.

In der Colonne A ist die Temperatur angegeben, welche die Luft
besass, ehe sie dem erwärmenden Einflusse ausgesetzt wurde; die

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[484/0500] Mittel zur Erhaltung der Normalwärme. Haut auf eine höhere Temperatur, und damit wird der Verlust durch Leitung und Strahlung, welcher dem Temperaturunterschied zwischen dem thierischen Körper und dem umgebenden Medium proportional geht, erhöht. — Meist tritt zugleich eine Schweissbildung ein, und damit wird eine gesteigerte Verdunstung eingeleitet, welche beträchtlich abküh- lend wirkt. Diese Schweissbildung tritt aber wegen besonderer, noch unbekannter Einrichtung nicht an jeder Drüse mit gleicher Lebhaftigkeit hervor, und zugleich ist auch die Summe des ergossenen Wassers nicht auf allen Hautflächen gleich gross, da die Zahl der Schweissdrüsen in ihnen variirt. — Wenn wir nun auch gar keine Vorstellung davon haben, warum mit der gesteigerten Eigenwärme sich die Gefässe erweitern und die Schweissdrüsen absondern, so ist doch der Vortheil, den beide Ap- parate in ihrer Vereinigung zu leisten vermögen, einleuchtend genug. Denn offenbar würde die Ausbreitung und Beschleunigung des Blutstro- mes in der Haut wenig abkühlen, wenn, wie im Sommer und den Tropen, die Temperatur der Atmosphäre sich derjenigen des thierischen Körpers annähert oder sie gar übertrifft. — c) Es mehrt sich endlich mit dem gesteigerten Stoffumsatze auch die Zahl und die Tiefe der Athembewegun- gen, und damit auch die Abkühlung durch Leitung und Verdunstung von der Lungenoberfläche aus. Wir dürfen als Ursache hiervon wohl die Anhäufung der CO2 im Blute oder in den Lungenbläschen bezeichnen, welche durch reflektorische oder direkte Erregung vom verlängerten Marke aus die Bewegungen auslöst. 2. Der verminderten Wärmeeinnahme folgt jedesmal eine Zusammen- ziehung der kleinen Muskeln in dem Gewebe und den Blutgefässen der Haut, wodurch sich das Bett des Blutstromes in dieser verengert; die Haut wird also trockener, und zugleich sinkt ihre Temperatur und damit auch der Verlust durch Verdunstung und Strahlung. Unterstützend für die Zurückhaltung der Wärme tritt, wenn einmal die Gefässfülle der Haut auf ein Minimum gesunken ist, auch der panniculus adiposus ein, wel- cher die Ableitung der Wärme von den Muskeln und tieferen Gefässen zu der Haut hemmt (Bergmann). Für die Athmung gilt bis zu einem gewissen Grade das umgekehrte von dem, was für den Fall vermehrter Wärmebildung ausgesprochen wurde. Um zu zeigen, in welchem Maasse die Luft durch Aufnahme von Wärme und Wasserdampf abkühlend wirken kann, hat Helmholtz das Täfelchen der nächsten Seite berechnet. In diesem finden sich die Wärme- einheiten verzeichnet, welche ein Volum Luft, das einen Gramm wiegt, nöthig hat, um von einem gegebenen Temperatur- und einem gegebenen Feuchtigkeitsgrad auf 37° C. erwärmt und mit Wasserdampf vollkommen gesättigt zu werden. In der Colonne A ist die Temperatur angegeben, welche die Luft besass, ehe sie dem erwärmenden Einflusse ausgesetzt wurde; die

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/500>, abgerufen am 26.04.2024.