Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Kapitel.
demselben g behaftet angesehen, und ihre Materiemenge
oder Masse kann nach Newton durch ihr Gewicht ge-
messen werden.

Denken wir uns zwischen eine Reihe von Körpern
und einen Magnet eine Scheidewand gebracht, so wer-
den bei hinreichender Stärke des Magneten diese Kör-
per, wenigstens die Mehrzahl derselben, einen Druck
auf die Scheidewand ausüben. Niemand wird aber auf
den Einfall kommen, diesen magnetischen Druck in der-
selben Weise wie den Gewichtsdruck als Massenmaass
zu verwenden. Die zu offenbare Ungleichheit der durch
den Magnet verschiedenen Körpern beigebrachten Be-
schleunigung lässt einen solchen Gedanken gar nicht

[Abbildung] Fig. 128.
aufkommen. Der Leser merkt
übrigens, dass diese ganze
Ueberlegung noch eine bedenk-
liche Seite hat, insofern sie den
Massebegriff, der bisher immer
nur genannt und als Bedürf-
niss
empfunden, aber nicht
definirt wird, voraussetzt.

10. Von Newton rührt die klare Formulirung des
Princips der Zusammensetzung der Kräfte her.1 Wird
ein Körper von zwei Kräften gleichzeitig ergriffen, von
welchen die eine die Bewegung AB, die andere die
Bewegung AC in derselben Zeit hervorrufen würde, so
bewegt sich der Körper, weil beide Kräfte und die von
denselben erzeugten Bewegungen voneinander unab-
hängig
sind, in derselben Zeit nach AD. Diese Auf-
fassung ist vollkommen natürlich und bezeichnet doch deut-
lich den wesentlichen Punkt. Sie enthält nichts von dem
Künstlichen und Geschraubten, das man nachher in die
Lehre von der Zusammensetzung der Kräfte gebracht hat.

1 Hier sind auch Roberval's (1668) und Lami's (1687)
Leistungen betreffend die Lehre von der Zusammensetzung
der Kräfte zu erwähnen. Varignon's wurde bereits gedacht.

Zweites Kapitel.
demselben g behaftet angesehen, und ihre Materiemenge
oder Masse kann nach Newton durch ihr Gewicht ge-
messen werden.

Denken wir uns zwischen eine Reihe von Körpern
und einen Magnet eine Scheidewand gebracht, so wer-
den bei hinreichender Stärke des Magneten diese Kör-
per, wenigstens die Mehrzahl derselben, einen Druck
auf die Scheidewand ausüben. Niemand wird aber auf
den Einfall kommen, diesen magnetischen Druck in der-
selben Weise wie den Gewichtsdruck als Massenmaass
zu verwenden. Die zu offenbare Ungleichheit der durch
den Magnet verschiedenen Körpern beigebrachten Be-
schleunigung lässt einen solchen Gedanken gar nicht

[Abbildung] Fig. 128.
aufkommen. Der Leser merkt
übrigens, dass diese ganze
Ueberlegung noch eine bedenk-
liche Seite hat, insofern sie den
Massebegriff, der bisher immer
nur genannt und als Bedürf-
niss
empfunden, aber nicht
definirt wird, voraussetzt.

10. Von Newton rührt die klare Formulirung des
Princips der Zusammensetzung der Kräfte her.1 Wird
ein Körper von zwei Kräften gleichzeitig ergriffen, von
welchen die eine die Bewegung AB, die andere die
Bewegung AC in derselben Zeit hervorrufen würde, so
bewegt sich der Körper, weil beide Kräfte und die von
denselben erzeugten Bewegungen voneinander unab-
hängig
sind, in derselben Zeit nach AD. Diese Auf-
fassung ist vollkommen natürlich und bezeichnet doch deut-
lich den wesentlichen Punkt. Sie enthält nichts von dem
Künstlichen und Geschraubten, das man nachher in die
Lehre von der Zusammensetzung der Kräfte gebracht hat.

1 Hier sind auch Roberval’s (1668) und Lami’s (1687)
Leistungen betreffend die Lehre von der Zusammensetzung
der Kräfte zu erwähnen. Varignon’s wurde bereits gedacht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0196" n="184"/><fw place="top" type="header">Zweites Kapitel.</fw><lb/>
demselben <hi rendition="#i">g</hi> behaftet angesehen, und ihre Materiemenge<lb/>
oder Masse kann nach Newton durch ihr Gewicht ge-<lb/>
messen werden.</p><lb/>
          <p>Denken wir uns zwischen eine Reihe von Körpern<lb/>
und einen Magnet eine Scheidewand gebracht, so wer-<lb/>
den bei hinreichender Stärke des Magneten diese Kör-<lb/>
per, wenigstens die Mehrzahl derselben, einen Druck<lb/>
auf die Scheidewand ausüben. Niemand wird aber auf<lb/>
den Einfall kommen, diesen magnetischen Druck in der-<lb/>
selben Weise wie den Gewichtsdruck als Massenmaass<lb/>
zu verwenden. Die zu offenbare Ungleichheit der durch<lb/>
den Magnet verschiedenen Körpern beigebrachten Be-<lb/>
schleunigung lässt einen solchen Gedanken gar nicht<lb/><figure><head><hi rendition="#i">Fig. 128.</hi></head></figure><lb/>
aufkommen. Der Leser merkt<lb/>
übrigens, dass diese ganze<lb/>
Ueberlegung noch eine bedenk-<lb/>
liche Seite hat, insofern sie den<lb/>
Massebegriff, der bisher immer<lb/>
nur <hi rendition="#g">genannt</hi> und als <hi rendition="#g">Bedürf-<lb/>
niss</hi> empfunden, aber nicht<lb/><hi rendition="#g">definirt</hi> wird, <hi rendition="#g">voraussetzt</hi>.</p><lb/>
          <p>10. Von Newton rührt die klare Formulirung des<lb/>
Princips der Zusammensetzung der Kräfte her.<note place="foot" n="1">Hier sind auch Roberval&#x2019;s (1668) und Lami&#x2019;s (1687)<lb/>
Leistungen betreffend die Lehre von der Zusammensetzung<lb/>
der Kräfte zu erwähnen. Varignon&#x2019;s wurde bereits gedacht.</note> Wird<lb/>
ein Körper von zwei Kräften gleichzeitig ergriffen, von<lb/>
welchen die eine die Bewegung <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">AB</hi>,</hi> die andere die<lb/>
Bewegung <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">AC</hi></hi> in derselben Zeit hervorrufen würde, so<lb/>
bewegt sich der Körper, weil beide Kräfte und die von<lb/>
denselben erzeugten Bewegungen <hi rendition="#g">voneinander unab-<lb/>
hängig</hi> sind, in derselben Zeit nach <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">AD</hi></hi>. Diese Auf-<lb/>
fassung ist vollkommen natürlich und bezeichnet doch deut-<lb/>
lich den wesentlichen Punkt. Sie enthält nichts von dem<lb/>
Künstlichen und Geschraubten, das man nachher in die<lb/>
Lehre von der Zusammensetzung der Kräfte gebracht hat.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0196] Zweites Kapitel. demselben g behaftet angesehen, und ihre Materiemenge oder Masse kann nach Newton durch ihr Gewicht ge- messen werden. Denken wir uns zwischen eine Reihe von Körpern und einen Magnet eine Scheidewand gebracht, so wer- den bei hinreichender Stärke des Magneten diese Kör- per, wenigstens die Mehrzahl derselben, einen Druck auf die Scheidewand ausüben. Niemand wird aber auf den Einfall kommen, diesen magnetischen Druck in der- selben Weise wie den Gewichtsdruck als Massenmaass zu verwenden. Die zu offenbare Ungleichheit der durch den Magnet verschiedenen Körpern beigebrachten Be- schleunigung lässt einen solchen Gedanken gar nicht [Abbildung Fig. 128.] aufkommen. Der Leser merkt übrigens, dass diese ganze Ueberlegung noch eine bedenk- liche Seite hat, insofern sie den Massebegriff, der bisher immer nur genannt und als Bedürf- niss empfunden, aber nicht definirt wird, voraussetzt. 10. Von Newton rührt die klare Formulirung des Princips der Zusammensetzung der Kräfte her. 1 Wird ein Körper von zwei Kräften gleichzeitig ergriffen, von welchen die eine die Bewegung AB, die andere die Bewegung AC in derselben Zeit hervorrufen würde, so bewegt sich der Körper, weil beide Kräfte und die von denselben erzeugten Bewegungen voneinander unab- hängig sind, in derselben Zeit nach AD. Diese Auf- fassung ist vollkommen natürlich und bezeichnet doch deut- lich den wesentlichen Punkt. Sie enthält nichts von dem Künstlichen und Geschraubten, das man nachher in die Lehre von der Zusammensetzung der Kräfte gebracht hat. 1 Hier sind auch Roberval’s (1668) und Lami’s (1687) Leistungen betreffend die Lehre von der Zusammensetzung der Kräfte zu erwähnen. Varignon’s wurde bereits gedacht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/196
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/196>, abgerufen am 02.05.2024.