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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Fünftes Kapitel.
durch diese Verbindung kann er seinem eigentlichen
Ziele erfolgreich zustreben, und vor monströsen ein-
seitigen Entwickelungen bewahrt bleiben.

Die Theilung der Arbeit, die Beschränkung eines
Forschers auf ein kleines Gebiet, die Erforschung dieses
Gebietes als Lebensaufgabe, ist die nothwendige Be-
dingung einer ausgiebigen Entwickelung der Wissen-
schaft. Mit dieser Einseitigkeit und Beschränkung
können erst die besondern intellectuellen ökonomischen
Mittel zur Bewältigung dieses Gebietes die nöthige
Ausbildung erlangen. Zugleich liegt aber hierin die
Gefahr, diese Mittel, mit welchen man immer beschäftigt
ist, zu überschätzen, ja dieselben, die doch nur Hand-
werkszeug sind, für das eigentliche Ziel der Wissen-
schaft zu halten.

2. Durch die unverhältnissmässig grössere formelle
Entwickelung der Physik, gegenüber den übrigen Natur-
wissenschaften, ist nun ein derartiger Zustand unseres
Erachtens wirklich geschaffen worden. Den Denk-
mitteln der Physik, den Begriffen Masse, Kraft, Atom,
welche keine andere Aufgabe haben, als ökonomisch
geordnete Erfahrungen wach zu rufen, wird von den
meisten Naturforschern eine Realität ausserhalb des
Denkens zugeschrieben. Ja man meint, dass diese
Kräfte und Massen das eigentlich zu Erforschende
seien, und wenn diese einmal bekannt wären, dann
würde alles aus dem Gleichgewicht und der Bewegung
dieser Massen sich von selbst ergeben. Wenn jemand
die Welt nur durch das Theater kennen würde, und
nun hinter die mechanischen Einrichtungen der Bühne
käme, so könnte er wol auch meinen, dass die wirk-
liche Welt eines Schnürbodens bedürfe, und dass alles
gewonnen wäre, wenn nur dieser einmal erforscht wäre.
So dürfen wir auch die intellectuellen Hülfsmittel, die wir
zur Aufführung der Welt auf der Gedankenbühne
gebrauchen, nicht für Grundlagen der wirklichen
Welt halten.

3. In der richtigen Erkenntniss der Unterordnung

Fünftes Kapitel.
durch diese Verbindung kann er seinem eigentlichen
Ziele erfolgreich zustreben, und vor monströsen ein-
seitigen Entwickelungen bewahrt bleiben.

Die Theilung der Arbeit, die Beschränkung eines
Forschers auf ein kleines Gebiet, die Erforschung dieses
Gebietes als Lebensaufgabe, ist die nothwendige Be-
dingung einer ausgiebigen Entwickelung der Wissen-
schaft. Mit dieser Einseitigkeit und Beschränkung
können erst die besondern intellectuellen ökonomischen
Mittel zur Bewältigung dieses Gebietes die nöthige
Ausbildung erlangen. Zugleich liegt aber hierin die
Gefahr, diese Mittel, mit welchen man immer beschäftigt
ist, zu überschätzen, ja dieselben, die doch nur Hand-
werkszeug sind, für das eigentliche Ziel der Wissen-
schaft zu halten.

2. Durch die unverhältnissmässig grössere formelle
Entwickelung der Physik, gegenüber den übrigen Natur-
wissenschaften, ist nun ein derartiger Zustand unseres
Erachtens wirklich geschaffen worden. Den Denk-
mitteln der Physik, den Begriffen Masse, Kraft, Atom,
welche keine andere Aufgabe haben, als ökonomisch
geordnete Erfahrungen wach zu rufen, wird von den
meisten Naturforschern eine Realität ausserhalb des
Denkens zugeschrieben. Ja man meint, dass diese
Kräfte und Massen das eigentlich zu Erforschende
seien, und wenn diese einmal bekannt wären, dann
würde alles aus dem Gleichgewicht und der Bewegung
dieser Massen sich von selbst ergeben. Wenn jemand
die Welt nur durch das Theater kennen würde, und
nun hinter die mechanischen Einrichtungen der Bühne
käme, so könnte er wol auch meinen, dass die wirk-
liche Welt eines Schnürbodens bedürfe, und dass alles
gewonnen wäre, wenn nur dieser einmal erforscht wäre.
So dürfen wir auch die intellectuellen Hülfsmittel, die wir
zur Aufführung der Welt auf der Gedankenbühne
gebrauchen, nicht für Grundlagen der wirklichen
Welt halten.

3. In der richtigen Erkenntniss der Unterordnung

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[476/0488] Fünftes Kapitel. durch diese Verbindung kann er seinem eigentlichen Ziele erfolgreich zustreben, und vor monströsen ein- seitigen Entwickelungen bewahrt bleiben. Die Theilung der Arbeit, die Beschränkung eines Forschers auf ein kleines Gebiet, die Erforschung dieses Gebietes als Lebensaufgabe, ist die nothwendige Be- dingung einer ausgiebigen Entwickelung der Wissen- schaft. Mit dieser Einseitigkeit und Beschränkung können erst die besondern intellectuellen ökonomischen Mittel zur Bewältigung dieses Gebietes die nöthige Ausbildung erlangen. Zugleich liegt aber hierin die Gefahr, diese Mittel, mit welchen man immer beschäftigt ist, zu überschätzen, ja dieselben, die doch nur Hand- werkszeug sind, für das eigentliche Ziel der Wissen- schaft zu halten. 2. Durch die unverhältnissmässig grössere formelle Entwickelung der Physik, gegenüber den übrigen Natur- wissenschaften, ist nun ein derartiger Zustand unseres Erachtens wirklich geschaffen worden. Den Denk- mitteln der Physik, den Begriffen Masse, Kraft, Atom, welche keine andere Aufgabe haben, als ökonomisch geordnete Erfahrungen wach zu rufen, wird von den meisten Naturforschern eine Realität ausserhalb des Denkens zugeschrieben. Ja man meint, dass diese Kräfte und Massen das eigentlich zu Erforschende seien, und wenn diese einmal bekannt wären, dann würde alles aus dem Gleichgewicht und der Bewegung dieser Massen sich von selbst ergeben. Wenn jemand die Welt nur durch das Theater kennen würde, und nun hinter die mechanischen Einrichtungen der Bühne käme, so könnte er wol auch meinen, dass die wirk- liche Welt eines Schnürbodens bedürfe, und dass alles gewonnen wäre, wenn nur dieser einmal erforscht wäre. So dürfen wir auch die intellectuellen Hülfsmittel, die wir zur Aufführung der Welt auf der Gedankenbühne gebrauchen, nicht für Grundlagen der wirklichen Welt halten. 3. In der richtigen Erkenntniss der Unterordnung

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/488>, abgerufen am 27.04.2024.