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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Fünftes Kapitel.
durch das Complicirtere und ferner Liegende erklären,
wollte man aus Massenbewegungen die Empfindungen
ableiten, abgesehen davon, dass die mechanischen
Begriffe
ökonomische Mittel sind, welche zur Dar-
stellung mechanischer und nicht physiologischer oder
psychologischer Thatsachen entwickelt wurden. Bei
richtiger Unterscheidung der Mittel und Ziele der
Forschung, bei Beschränkung auf die Darstellung des
Thatsächlichen, können solche falsche Probleme
gar nicht auftreten.

4. Alles Naturwissen kann nur Complexe von jenen
Elementen nachbilden und vorbilden, die wir gewöhn-
lich Empfindungen nennen. Es handelt sich um
den Zusammenhang dieser Elemente. Ein solches
Element wie die Wärme eines Körpers A hängt nicht
nur mit andern Elementen zusammen, deren Inbegriff
wir z. B. als eine Flamme B bezeichnen, sondern es
hängt auch mit der Gesammtheit der Elemente unsers
Körpers, z. B. eines Nerven N zusammen. Als Object
und Element unterscheidet sich N nicht wesentlich,
sondern nur conventionell von A und B. Der Zu-
sammenhang von A und B gehört der Physik, jener
von A und N der Physiologie an. Keiner ist allein
vorhanden, beide sind zugleich da. Nur zeitweilig
können wir von dem einen oder andern absehen. Selbst
die scheinbar rein mechanischen Vorgänge sind also
stets auch physiologische, als solche auch elektrische,
chemische u. s. w. Die Mechanik fasst nicht die Grund-
lage
, auch nicht einen Theil der Welt, sondern eine
Seite derselben.



Fünftes Kapitel.
durch das Complicirtere und ferner Liegende erklären,
wollte man aus Massenbewegungen die Empfindungen
ableiten, abgesehen davon, dass die mechanischen
Begriffe
ökonomische Mittel sind, welche zur Dar-
stellung mechanischer und nicht physiologischer oder
psychologischer Thatsachen entwickelt wurden. Bei
richtiger Unterscheidung der Mittel und Ziele der
Forschung, bei Beschränkung auf die Darstellung des
Thatsächlichen, können solche falsche Probleme
gar nicht auftreten.

4. Alles Naturwissen kann nur Complexe von jenen
Elementen nachbilden und vorbilden, die wir gewöhn-
lich Empfindungen nennen. Es handelt sich um
den Zusammenhang dieser Elemente. Ein solches
Element wie die Wärme eines Körpers A hängt nicht
nur mit andern Elementen zusammen, deren Inbegriff
wir z. B. als eine Flamme B bezeichnen, sondern es
hängt auch mit der Gesammtheit der Elemente unsers
Körpers, z. B. eines Nerven N zusammen. Als Object
und Element unterscheidet sich N nicht wesentlich,
sondern nur conventionell von A und B. Der Zu-
sammenhang von A und B gehört der Physik, jener
von A und N der Physiologie an. Keiner ist allein
vorhanden, beide sind zugleich da. Nur zeitweilig
können wir von dem einen oder andern absehen. Selbst
die scheinbar rein mechanischen Vorgänge sind also
stets auch physiologische, als solche auch elektrische,
chemische u. s. w. Die Mechanik fasst nicht die Grund-
lage
, auch nicht einen Theil der Welt, sondern eine
Seite derselben.



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[478/0490] Fünftes Kapitel. durch das Complicirtere und ferner Liegende erklären, wollte man aus Massenbewegungen die Empfindungen ableiten, abgesehen davon, dass die mechanischen Begriffe ökonomische Mittel sind, welche zur Dar- stellung mechanischer und nicht physiologischer oder psychologischer Thatsachen entwickelt wurden. Bei richtiger Unterscheidung der Mittel und Ziele der Forschung, bei Beschränkung auf die Darstellung des Thatsächlichen, können solche falsche Probleme gar nicht auftreten. 4. Alles Naturwissen kann nur Complexe von jenen Elementen nachbilden und vorbilden, die wir gewöhn- lich Empfindungen nennen. Es handelt sich um den Zusammenhang dieser Elemente. Ein solches Element wie die Wärme eines Körpers A hängt nicht nur mit andern Elementen zusammen, deren Inbegriff wir z. B. als eine Flamme B bezeichnen, sondern es hängt auch mit der Gesammtheit der Elemente unsers Körpers, z. B. eines Nerven N zusammen. Als Object und Element unterscheidet sich N nicht wesentlich, sondern nur conventionell von A und B. Der Zu- sammenhang von A und B gehört der Physik, jener von A und N der Physiologie an. Keiner ist allein vorhanden, beide sind zugleich da. Nur zeitweilig können wir von dem einen oder andern absehen. Selbst die scheinbar rein mechanischen Vorgänge sind also stets auch physiologische, als solche auch elektrische, chemische u. s. w. Die Mechanik fasst nicht die Grund- lage, auch nicht einen Theil der Welt, sondern eine Seite derselben.

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/490>, abgerufen am 27.04.2024.