Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Buch. Drittes Hauptstück.

Ein Fremder hingegen, so lange er nicht die Rechte
und Verbindlichkeiten der Eingebohrnen erlangt hat, und
weder für seine Person Schulden gemacht e) noch Verbre-
chen begangen hat, behält das Recht, sobald er es für gut
findet, den Staat wieder zu verlassen, den er besuchet hat,
und nur Collisions- oder Represalien-Fälle könne einen
Staat berechtigen, solche Fremde eine Zeilang wider ihren
Willen zurückzuhalten. Dieser Grundsatz des allgemeinen
Völkerrechts ist auch durch sehr viele Verträge bestädtiget,
und oft noch weiter erstreckt f), auch wird er in Friedens-
zeiten selten verletzt.

Ist hingegen ein Fremder naturalisirt g) worden, es
sey durch förmliche Patente, oder durch die gesetzlich be-
stimmte Zeit seines Aufenthalts, so hat er nicht mehr Frey-
heit auszuwandern, als die Eingebohrnen des Staats, falls
nicht diese Freyheit ihm vorbehalten, oder die Bedingun-
gen der Naturalisation verletzet worden h).

a) Grotius B. II. Cap. V. §. 25. Puffendorf B. VIII.
Cap. XI. §. 2.
b) S. in Ansehung Teutschlands den W. Fr. Art. V. §. 36. J. J.
Moser Landeshoheit
in Policeysachen Cap. VI. §. 5. I. A. L.
Seidensticker de iure emigrandi ex moribus Germanorum. Gott.
1788. 4. E. Leth comment. de iure emigrandi ex vno territorio in
alind Germaniae
. Gott.
1788. 4.
c) Beyspiele s. in Günther V. R. Th. II. S. 308. not. d.
d) Moser Versuch Th. VI. S. 118. Günther E. V. R. Th. II.
S. 301. 303.
e) Kein Fremder kann wegen der Schulden seines Landsmannes
mit Recht arrestirt oder zu deren Zahlung angehalten werden.
In den Verträgen mit den Türken und Africanern pflegt dieß
noch ausdrücklich festgesetzt zu werden. In den Verträgen der
christlichen Völker bedarf es dieser Clausel nicht mehr.
f) Fast in allen Handelsbündnissen findet man hierüber Artikel,
und in den mehresten ist jetzt festgesetzt, daß selbst im Fall eines
Bruches den Fremden freye Abreise soll gelassen werden.
g) Ueber die verschiedenen Folgen einer solchen Naturalisation s.
Moser Versuch Th. VI. S. 8. welcher auch behauptet, daß
Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

Ein Fremder hingegen, ſo lange er nicht die Rechte
und Verbindlichkeiten der Eingebohrnen erlangt hat, und
weder fuͤr ſeine Perſon Schulden gemacht e) noch Verbre-
chen begangen hat, behaͤlt das Recht, ſobald er es fuͤr gut
findet, den Staat wieder zu verlaſſen, den er beſuchet hat,
und nur Colliſions- oder Repreſalien-Faͤlle koͤnne einen
Staat berechtigen, ſolche Fremde eine Zeilang wider ihren
Willen zuruͤckzuhalten. Dieſer Grundſatz des allgemeinen
Voͤlkerrechts iſt auch durch ſehr viele Vertraͤge beſtaͤdtiget,
und oft noch weiter erſtreckt f), auch wird er in Friedens-
zeiten ſelten verletzt.

Iſt hingegen ein Fremder naturaliſirt g) worden, es
ſey durch foͤrmliche Patente, oder durch die geſetzlich be-
ſtimmte Zeit ſeines Aufenthalts, ſo hat er nicht mehr Frey-
heit auszuwandern, als die Eingebohrnen des Staats, falls
nicht dieſe Freyheit ihm vorbehalten, oder die Bedingun-
gen der Naturaliſation verletzet worden h).

a) Grotius B. II. Cap. V. §. 25. Puffendorf B. VIII.
Cap. XI. §. 2.
b) S. in Anſehung Teutſchlands den W. Fr. Art. V. §. 36. J. J.
Moſer Landeshoheit
in Policeyſachen Cap. VI. §. 5. I. A. L.
Seidensticker de iure emigrandi ex moribus Germanorum. Gott.
1788. 4. E. Leth comment. de iure emigrandi ex vno territorio in
alind Germaniae
. Gott.
1788. 4.
c) Beyſpiele ſ. in Guͤnther V. R. Th. II. S. 308. not. d.
d) Moſer Verſuch Th. VI. S. 118. Guͤnther E. V. R. Th. II.
S. 301. 303.
e) Kein Fremder kann wegen der Schulden ſeines Landsmannes
mit Recht arreſtirt oder zu deren Zahlung angehalten werden.
In den Vertraͤgen mit den Tuͤrken und Africanern pflegt dieß
noch ausdruͤcklich feſtgeſetzt zu werden. In den Vertraͤgen der
chriſtlichen Voͤlker bedarf es dieſer Clauſel nicht mehr.
f) Faſt in allen Handelsbuͤndniſſen findet man hieruͤber Artikel,
und in den mehreſten iſt jetzt feſtgeſetzt, daß ſelbſt im Fall eines
Bruches den Fremden freye Abreiſe ſoll gelaſſen werden.
g) Ueber die verſchiedenen Folgen einer ſolchen Naturaliſation ſ.
Moſer Verſuch Th. VI. S. 8. welcher auch behauptet, daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0128" n="100"/>
            <fw place="top" type="header">Drittes Buch. Drittes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</fw><lb/>
            <p>Ein Fremder hingegen, &#x017F;o lange er nicht die Rechte<lb/>
und Verbindlichkeiten der Eingebohrnen erlangt hat, und<lb/>
weder fu&#x0364;r &#x017F;eine Per&#x017F;on Schulden gemacht <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">e</hi></hi>) noch Verbre-<lb/>
chen begangen hat, beha&#x0364;lt das Recht, &#x017F;obald er es fu&#x0364;r gut<lb/>
findet, den Staat wieder zu verla&#x017F;&#x017F;en, den er be&#x017F;uchet hat,<lb/>
und nur Colli&#x017F;ions- oder Repre&#x017F;alien-Fa&#x0364;lle ko&#x0364;nne einen<lb/>
Staat berechtigen, &#x017F;olche Fremde eine Zeilang wider ihren<lb/>
Willen zuru&#x0364;ckzuhalten. Die&#x017F;er Grund&#x017F;atz des allgemeinen<lb/>
Vo&#x0364;lkerrechts i&#x017F;t auch durch &#x017F;ehr viele Vertra&#x0364;ge be&#x017F;ta&#x0364;dtiget,<lb/>
und oft noch weiter er&#x017F;treckt <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">f</hi></hi>), auch wird er in Friedens-<lb/>
zeiten &#x017F;elten verletzt.</p><lb/>
            <p>I&#x017F;t hingegen ein Fremder naturali&#x017F;irt <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">g</hi></hi>) worden, es<lb/>
&#x017F;ey durch fo&#x0364;rmliche Patente, oder durch die ge&#x017F;etzlich be-<lb/>
&#x017F;timmte Zeit &#x017F;eines Aufenthalts, &#x017F;o hat er nicht mehr Frey-<lb/>
heit auszuwandern, als die Eingebohrnen des Staats, falls<lb/>
nicht die&#x017F;e Freyheit ihm vorbehalten, oder die Bedingun-<lb/>
gen der Naturali&#x017F;ation verletzet worden <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">h</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Grotius</hi></hi> B. <hi rendition="#aq">II.</hi> Cap. <hi rendition="#aq">V.</hi> §. 25. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Puffendorf</hi></hi> B. <hi rendition="#aq">VIII.</hi><lb/>
Cap. <hi rendition="#aq">XI.</hi> §. 2.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">S. in An&#x017F;ehung <hi rendition="#fr">Teut&#x017F;chlands</hi> den W. Fr. Art. <hi rendition="#aq">V.</hi> §. 36. <hi rendition="#fr">J. J.<lb/><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> Landeshoheit</hi> in Policey&#x017F;achen Cap. <hi rendition="#aq">VI. §. 5. I. A. L.<lb/><hi rendition="#k">Seidensticker</hi> <hi rendition="#i">de iure emigrandi ex moribus Germanorum</hi>. Gott.<lb/>
1788. 4. E. <hi rendition="#k">Leth</hi> <hi rendition="#i">comment. de iure emigrandi ex vno territorio in<lb/>
alind Germaniae</hi>. Gott.</hi> 1788. 4.</note><lb/>
            <note place="end" n="c)">Bey&#x017F;piele &#x017F;. in <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Gu&#x0364;nther</hi> V. R</hi>. Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 308. <hi rendition="#aq">not. <hi rendition="#i">d</hi>.</hi></note><lb/>
            <note place="end" n="d)"><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> Ver&#x017F;uch</hi> Th. <hi rendition="#aq">VI.</hi> S. 118. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Gu&#x0364;nther</hi> E. V. R</hi>. Th. <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
S. 301. 303.</note><lb/>
            <note place="end" n="e)">Kein Fremder kann wegen der Schulden &#x017F;eines Landsmannes<lb/>
mit Recht arre&#x017F;tirt oder zu deren Zahlung angehalten werden.<lb/>
In den Vertra&#x0364;gen mit den Tu&#x0364;rken und Africanern pflegt dieß<lb/>
noch ausdru&#x0364;cklich fe&#x017F;tge&#x017F;etzt zu werden. In den Vertra&#x0364;gen der<lb/>
chri&#x017F;tlichen Vo&#x0364;lker bedarf es die&#x017F;er Clau&#x017F;el nicht mehr.</note><lb/>
            <note place="end" n="f)">Fa&#x017F;t in allen Handelsbu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;en findet man hieru&#x0364;ber Artikel,<lb/>
und in den mehre&#x017F;ten i&#x017F;t jetzt fe&#x017F;tge&#x017F;etzt, daß &#x017F;elb&#x017F;t im Fall eines<lb/>
Bruches den Fremden freye Abrei&#x017F;e &#x017F;oll gela&#x017F;&#x017F;en werden.</note><lb/>
            <note place="end" n="g)">Ueber die ver&#x017F;chiedenen Folgen einer &#x017F;olchen Naturali&#x017F;ation &#x017F;.<lb/><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> Ver&#x017F;uch</hi> Th. <hi rendition="#aq">VI.</hi> S. 8. welcher auch behauptet, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0128] Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck. Ein Fremder hingegen, ſo lange er nicht die Rechte und Verbindlichkeiten der Eingebohrnen erlangt hat, und weder fuͤr ſeine Perſon Schulden gemacht e) noch Verbre- chen begangen hat, behaͤlt das Recht, ſobald er es fuͤr gut findet, den Staat wieder zu verlaſſen, den er beſuchet hat, und nur Colliſions- oder Repreſalien-Faͤlle koͤnne einen Staat berechtigen, ſolche Fremde eine Zeilang wider ihren Willen zuruͤckzuhalten. Dieſer Grundſatz des allgemeinen Voͤlkerrechts iſt auch durch ſehr viele Vertraͤge beſtaͤdtiget, und oft noch weiter erſtreckt f), auch wird er in Friedens- zeiten ſelten verletzt. Iſt hingegen ein Fremder naturaliſirt g) worden, es ſey durch foͤrmliche Patente, oder durch die geſetzlich be- ſtimmte Zeit ſeines Aufenthalts, ſo hat er nicht mehr Frey- heit auszuwandern, als die Eingebohrnen des Staats, falls nicht dieſe Freyheit ihm vorbehalten, oder die Bedingun- gen der Naturaliſation verletzet worden h). a⁾ Grotius B. II. Cap. V. §. 25. Puffendorf B. VIII. Cap. XI. §. 2. b⁾ S. in Anſehung Teutſchlands den W. Fr. Art. V. §. 36. J. J. Moſer Landeshoheit in Policeyſachen Cap. VI. §. 5. I. A. L. Seidensticker de iure emigrandi ex moribus Germanorum. Gott. 1788. 4. E. Leth comment. de iure emigrandi ex vno territorio in alind Germaniae. Gott. 1788. 4. c⁾ Beyſpiele ſ. in Guͤnther V. R. Th. II. S. 308. not. d. d⁾ Moſer Verſuch Th. VI. S. 118. Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 301. 303. e⁾ Kein Fremder kann wegen der Schulden ſeines Landsmannes mit Recht arreſtirt oder zu deren Zahlung angehalten werden. In den Vertraͤgen mit den Tuͤrken und Africanern pflegt dieß noch ausdruͤcklich feſtgeſetzt zu werden. In den Vertraͤgen der chriſtlichen Voͤlker bedarf es dieſer Clauſel nicht mehr. f⁾ Faſt in allen Handelsbuͤndniſſen findet man hieruͤber Artikel, und in den mehreſten iſt jetzt feſtgeſetzt, daß ſelbſt im Fall eines Bruches den Fremden freye Abreiſe ſoll gelaſſen werden. g⁾ Ueber die verſchiedenen Folgen einer ſolchen Naturaliſation ſ. Moſer Verſuch Th. VI. S. 8. welcher auch behauptet, daß wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/128
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/128>, abgerufen am 28.04.2024.