Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch. Drittes Hauptstück.
auch von Seiten desjenigen der den andren zuerst überfällt,
läßt sich die Nothwendigkeit einer vorhergehenden Ankündi-
gung des Kriegs an den Feind aus dem strengen äußeren
Völkerrecht nicht, oder doch nicht allgemein, erweisen a).
Viele der älteren Völker hielten indeß eine feyerliche Kriegs-
Ankündigung zur Rechtmäßigkeit des Kriegs für nothwen-
dig b). Diese war auch in Europa bis in die Mitte des
17ten Jahrhunderts hergebracht c); seitdem hat sie allgemein
aufgehöret und man hat an deren statt die bloße Kriegs Er-
klärung d) d. i. die Bekanntmachung des Kriegs an die
eigenen Unterthanen durch Manifeste e), und die Ent-
wickelung der Ursachen derselben in Druckschriften, die allen
Höfen mitgetheilt zu werden pflegen, gesetzt. Diese Kriegs-
Erklärung wird noch jetzt für so wesentlich angesehn, daß
man das was vorher genommen worden hin und wieder bey
Friedensnegociationen zurückfordern zu können geglaubt f);
aber auch hiebey erregt die Frage wer der leidende Theil
gewesen, und wiefern der Krieg stillschweigend erkläret wor-
den, neue Schwierigkeiten in Bestimmung des Zeitpuncts
der als der Anfang des Kriegs anzusehn ist g).

a) H. Coccejus de clarigatione. Heidelb. 1624. C. v. Bynkershoek
vt bellum legitimum sit indictionem belli non videri necessariam
s. des-
sen Quaest. juris publ. L. I. c. 12. Vattel L. III. chap. IV. meh-
rere in v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 629.
b) Man glaubte selbst daß eine feyerliche Aufkündigung der Ver-
träge vorhergehn müsse. Leibnitz Vorrede zu s. Cod. i. gent.
und Urkunden S. 41. 115. Dieß geschieht jetzt nur unter beson-
dren Umständen z. B. Hennings Staatsschriften Th. I.
S. 65. n. 9.
c) Die letzten Beyspiele einer solchen Kriegsankündigung sind von
Frankreich das von 1635 s. le Vassor histoire de Louis XIII.
P. I. L. 38. p.
399. und von Dänemark 1657 s. Hollberg dä-
nische Reichshistorie
Th. III. S. 241. s. auch J. G. Gonne
Entdeckung der Ursachen warum die Kriegsankündigung un-
ter freyen Völkern für nöthig gehalten worden; s. Siben-
kees
juristisches Magazin
Th. I. n. 3.

d) Von

Achtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
auch von Seiten desjenigen der den andren zuerſt uͤberfaͤllt,
laͤßt ſich die Nothwendigkeit einer vorhergehenden Ankuͤndi-
gung des Kriegs an den Feind aus dem ſtrengen aͤußeren
Voͤlkerrecht nicht, oder doch nicht allgemein, erweiſen a).
Viele der aͤlteren Voͤlker hielten indeß eine feyerliche Kriegs-
Ankuͤndigung zur Rechtmaͤßigkeit des Kriegs fuͤr nothwen-
dig b). Dieſe war auch in Europa bis in die Mitte des
17ten Jahrhunderts hergebracht c); ſeitdem hat ſie allgemein
aufgehoͤret und man hat an deren ſtatt die bloße Kriegs Er-
klaͤrung d) d. i. die Bekanntmachung des Kriegs an die
eigenen Unterthanen durch Manifeſte e), und die Ent-
wickelung der Urſachen derſelben in Druckſchriften, die allen
Hoͤfen mitgetheilt zu werden pflegen, geſetzt. Dieſe Kriegs-
Erklaͤrung wird noch jetzt fuͤr ſo weſentlich angeſehn, daß
man das was vorher genommen worden hin und wieder bey
Friedensnegociationen zuruͤckfordern zu koͤnnen geglaubt f);
aber auch hiebey erregt die Frage wer der leidende Theil
geweſen, und wiefern der Krieg ſtillſchweigend erklaͤret wor-
den, neue Schwierigkeiten in Beſtimmung des Zeitpuncts
der als der Anfang des Kriegs anzuſehn iſt g).

a) H. Coccejus de clarigatione. Heidelb. 1624. C. v. Bynkershoek
vt bellum legitimum ſit indictionem belli non videri neceſſariam
ſ. deſ-
ſen Quaeſt. juris publ. L. I. c. 12. Vattel L. III. chap. IV. meh-
rere in v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 629.
b) Man glaubte ſelbſt daß eine feyerliche Aufkuͤndigung der Ver-
traͤge vorhergehn muͤſſe. Leibnitz Vorrede zu ſ. Cod. i. gent.
und Urkunden S. 41. 115. Dieß geſchieht jetzt nur unter beſon-
dren Umſtaͤnden z. B. Hennings Staatsſchriften Th. I.
S. 65. n. 9.
c) Die letzten Beyſpiele einer ſolchen Kriegsankuͤndigung ſind von
Frankreich das von 1635 ſ. le Vassor hiſtoire de Louis XIII.
P. I. L. 38. p.
399. und von Daͤnemark 1657 ſ. Hollberg daͤ-
niſche Reichshiſtorie
Th. III. S. 241. ſ. auch J. G. Gonne
Entdeckung der Urſachen warum die Kriegsankuͤndigung un-
ter freyen Voͤlkern fuͤr noͤthig gehalten worden; ſ. Siben-
kees
juriſtiſches Magazin
Th. I. n. 3.

d) Von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0328" n="300"/><fw place="top" type="header">Achtes Buch. Drittes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</fw><lb/>
auch von Seiten desjenigen der den andren zuer&#x017F;t u&#x0364;berfa&#x0364;llt,<lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;ich die Nothwendigkeit einer vorhergehenden Anku&#x0364;ndi-<lb/>
gung des Kriegs an den Feind aus dem &#x017F;trengen a&#x0364;ußeren<lb/>
Vo&#x0364;lkerrecht nicht, oder doch nicht allgemein, erwei&#x017F;en <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>).<lb/>
Viele der a&#x0364;lteren Vo&#x0364;lker hielten indeß eine feyerliche Kriegs-<lb/>
Anku&#x0364;ndigung zur Rechtma&#x0364;ßigkeit des Kriegs fu&#x0364;r nothwen-<lb/>
dig <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>). Die&#x017F;e war auch in Europa bis in die Mitte des<lb/>
17ten Jahrhunderts hergebracht <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>); &#x017F;eitdem hat &#x017F;ie allgemein<lb/>
aufgeho&#x0364;ret und man hat an deren &#x017F;tatt die bloße Kriegs Er-<lb/>
kla&#x0364;rung <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">d</hi></hi>) d. i. die Bekanntmachung des Kriegs an die<lb/>
eigenen Unterthanen durch Manife&#x017F;te <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">e</hi></hi>), und die Ent-<lb/>
wickelung der Ur&#x017F;achen der&#x017F;elben in Druck&#x017F;chriften, die allen<lb/>
Ho&#x0364;fen mitgetheilt zu werden pflegen, ge&#x017F;etzt. Die&#x017F;e Kriegs-<lb/>
Erkla&#x0364;rung wird noch jetzt fu&#x0364;r &#x017F;o we&#x017F;entlich ange&#x017F;ehn, daß<lb/>
man das was vorher genommen worden hin und wieder bey<lb/>
Friedensnegociationen zuru&#x0364;ckfordern zu ko&#x0364;nnen geglaubt <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">f</hi></hi>);<lb/>
aber auch hiebey erregt die Frage wer der leidende Theil<lb/>
gewe&#x017F;en, und wiefern der Krieg &#x017F;till&#x017F;chweigend erkla&#x0364;ret wor-<lb/>
den, neue Schwierigkeiten in Be&#x017F;timmung des Zeitpuncts<lb/>
der als der Anfang des Kriegs anzu&#x017F;ehn i&#x017F;t <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">g</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#aq">H. <hi rendition="#k">Coccejus</hi> <hi rendition="#i">de clarigatione</hi>. Heidelb. 1624. C. v. <hi rendition="#k">Bynkershoek</hi><lb/><hi rendition="#i">vt bellum legitimum &#x017F;it indictionem belli non videri nece&#x017F;&#x017F;ariam</hi></hi> &#x017F;. de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en <hi rendition="#aq">Quae&#x017F;t. juris publ. L. I. c. 12. <hi rendition="#k">Vattel</hi> L. III. chap. IV.</hi> meh-<lb/>
rere in <hi rendition="#fr">v. <hi rendition="#g">Ompteda</hi> Litteratur</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 629.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Man glaubte &#x017F;elb&#x017F;t daß eine feyerliche Aufku&#x0364;ndigung der Ver-<lb/>
tra&#x0364;ge vorhergehn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Leibnitz</hi></hi> Vorrede zu &#x017F;. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cod. i. gent</hi>.</hi><lb/>
und Urkunden S. 41. 115. Dieß ge&#x017F;chieht jetzt nur unter be&#x017F;on-<lb/>
dren Um&#x017F;ta&#x0364;nden z. B. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Hennings</hi> Staats&#x017F;chriften</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
S. 65. <hi rendition="#aq">n.</hi> 9.</note><lb/>
            <note place="end" n="c)">Die letzten Bey&#x017F;piele einer &#x017F;olchen Kriegsanku&#x0364;ndigung &#x017F;ind von<lb/>
Frankreich das von 1635 &#x017F;. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">le Vassor</hi> hi&#x017F;toire de Louis XIII.<lb/>
P. I. L. 38. p.</hi> 399. und von Da&#x0364;nemark 1657 &#x017F;. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Hollberg</hi> da&#x0364;-<lb/>
ni&#x017F;che Reichshi&#x017F;torie</hi> Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 241. &#x017F;. auch <hi rendition="#fr">J. G. <hi rendition="#g">Gonne</hi><lb/>
Entdeckung der Ur&#x017F;achen warum die Kriegsanku&#x0364;ndigung un-<lb/>
ter freyen Vo&#x0364;lkern fu&#x0364;r no&#x0364;thig gehalten worden; &#x017F;. <hi rendition="#g">Siben-<lb/>
kees</hi> juri&#x017F;ti&#x017F;ches Magazin</hi> Th. <hi rendition="#aq">I. n.</hi> 3.</note><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">d</hi></hi>) Von</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0328] Achtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck. auch von Seiten desjenigen der den andren zuerſt uͤberfaͤllt, laͤßt ſich die Nothwendigkeit einer vorhergehenden Ankuͤndi- gung des Kriegs an den Feind aus dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht nicht, oder doch nicht allgemein, erweiſen a). Viele der aͤlteren Voͤlker hielten indeß eine feyerliche Kriegs- Ankuͤndigung zur Rechtmaͤßigkeit des Kriegs fuͤr nothwen- dig b). Dieſe war auch in Europa bis in die Mitte des 17ten Jahrhunderts hergebracht c); ſeitdem hat ſie allgemein aufgehoͤret und man hat an deren ſtatt die bloße Kriegs Er- klaͤrung d) d. i. die Bekanntmachung des Kriegs an die eigenen Unterthanen durch Manifeſte e), und die Ent- wickelung der Urſachen derſelben in Druckſchriften, die allen Hoͤfen mitgetheilt zu werden pflegen, geſetzt. Dieſe Kriegs- Erklaͤrung wird noch jetzt fuͤr ſo weſentlich angeſehn, daß man das was vorher genommen worden hin und wieder bey Friedensnegociationen zuruͤckfordern zu koͤnnen geglaubt f); aber auch hiebey erregt die Frage wer der leidende Theil geweſen, und wiefern der Krieg ſtillſchweigend erklaͤret wor- den, neue Schwierigkeiten in Beſtimmung des Zeitpuncts der als der Anfang des Kriegs anzuſehn iſt g). a⁾ H. Coccejus de clarigatione. Heidelb. 1624. C. v. Bynkershoek vt bellum legitimum ſit indictionem belli non videri neceſſariam ſ. deſ- ſen Quaeſt. juris publ. L. I. c. 12. Vattel L. III. chap. IV. meh- rere in v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 629. b⁾ Man glaubte ſelbſt daß eine feyerliche Aufkuͤndigung der Ver- traͤge vorhergehn muͤſſe. Leibnitz Vorrede zu ſ. Cod. i. gent. und Urkunden S. 41. 115. Dieß geſchieht jetzt nur unter beſon- dren Umſtaͤnden z. B. Hennings Staatsſchriften Th. I. S. 65. n. 9. c⁾ Die letzten Beyſpiele einer ſolchen Kriegsankuͤndigung ſind von Frankreich das von 1635 ſ. le Vassor hiſtoire de Louis XIII. P. I. L. 38. p. 399. und von Daͤnemark 1657 ſ. Hollberg daͤ- niſche Reichshiſtorie Th. III. S. 241. ſ. auch J. G. Gonne Entdeckung der Urſachen warum die Kriegsankuͤndigung un- ter freyen Voͤlkern fuͤr noͤthig gehalten worden; ſ. Siben- kees juriſtiſches Magazin Th. I. n. 3. d) Von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/328
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/328>, abgerufen am 27.04.2024.