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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Von der Wiederherstellung des Friedens.

Auf diese folgen die besondren und eigentlichen Haupt-
artikel des Friedens, in welchen nebst Bestädtigung derje-
nigen älteren Verträge und Friedensschlüsse, welche dem
gegenwärtigen zur Grundlage dienen, billig alle diejeni-
gen Streitpuncte entschieden werden sollen, welche zu dem
Kriege Veranlassung gegeben, oder durch das Schicksal
des Krieges selbst in Anregung kommen e). Der schwie-
rigste Punct ist gemeiniglich der der gegenseitigen Besitzungen
in Ansehung deren man entweder 1) den Besitzstand zum
Grunde legt, entweder den status quo strict d. i. den Be-
sitzstand beider Theile zur Zeit des Ausbruches des Kriegs,
oder das vti possidetis d. i. den Besitzstand beider Mächte
es sey zur Zeit des Friedensschlusses, oder zu gewissen
festgesetzten Zeiten, vor dem Friedensschlusse (vti posside-
batis
) oder nach Schließung desselben (vti possidebitis).
Diese verschiedene Grundlage verhindert jedoch nicht, daß
man sich als Ausnahme von derselben in einzelnen Puncten
gewisser Compensationen vergleiche; oder 2) man wählt den
Weg der allgemeinen Compensationen auf welchem man
ohne Rücksicht auf den Besitzstand sich darüber vergleicht,
was jeder abtreten und was er dagegen abgetreten oder ein-
geräumt erhalten solle.

Den Beschluß macht der Artikel welcher die Zeit und
zuweilen auch den Ort der Auswechselung der Ratificationen
enthält.

a) Diese fehlt in den Baseler Friedensschlüssen 1795.
b) Moser Teschner Friedensschluß mit Anmerkungen S. 94 u. f.
c) Wenn noch kein Waffenstillstand geschlossen worden so pflegt wohl
verabredet zu werden, daß dieser Artikel so fort und noch vor
Auswechselung der Ratificationen in Erfüllung gesetzt werden solle;
doch leidet dieß Ausnahmen; z. B. in den Baseler Friedensschlüs-
sen 1795. Uebrigens ist die Endigung der Feindseligkeiten eine
natürliche Folge des geschlossenen Friedens, so daß was nach die-
ser Zeit genommen worden zurückgegeben werden müste. Da aber
in entfernten Seekriegen über die, nach dem Frieden, aber vor
Bekanntwerdung desselben gemachten Prisen leicht Streit entstehn
A a
Von der Wiederherſtellung des Friedens.

Auf dieſe folgen die beſondren und eigentlichen Haupt-
artikel des Friedens, in welchen nebſt Beſtaͤdtigung derje-
nigen aͤlteren Vertraͤge und Friedensſchluͤſſe, welche dem
gegenwaͤrtigen zur Grundlage dienen, billig alle diejeni-
gen Streitpuncte entſchieden werden ſollen, welche zu dem
Kriege Veranlaſſung gegeben, oder durch das Schickſal
des Krieges ſelbſt in Anregung kommen e). Der ſchwie-
rigſte Punct iſt gemeiniglich der der gegenſeitigen Beſitzungen
in Anſehung deren man entweder 1) den Beſitzſtand zum
Grunde legt, entweder den ſtatus quo ſtrict d. i. den Be-
ſitzſtand beider Theile zur Zeit des Ausbruches des Kriegs,
oder das vti poſſidetis d. i. den Beſitzſtand beider Maͤchte
es ſey zur Zeit des Friedensſchluſſes, oder zu gewiſſen
feſtgeſetzten Zeiten, vor dem Friedensſchluſſe (vti poſſide-
batis
) oder nach Schließung deſſelben (vti poſſidebitis).
Dieſe verſchiedene Grundlage verhindert jedoch nicht, daß
man ſich als Ausnahme von derſelben in einzelnen Puncten
gewiſſer Compenſationen vergleiche; oder 2) man waͤhlt den
Weg der allgemeinen Compenſationen auf welchem man
ohne Ruͤckſicht auf den Beſitzſtand ſich daruͤber vergleicht,
was jeder abtreten und was er dagegen abgetreten oder ein-
geraͤumt erhalten ſolle.

Den Beſchluß macht der Artikel welcher die Zeit und
zuweilen auch den Ort der Auswechſelung der Ratificationen
enthaͤlt.

a) Dieſe fehlt in den Baſeler Friedensſchluͤſſen 1795.
b) Moſer Teſchner Friedensſchluß mit Anmerkungen S. 94 u. f.
c) Wenn noch kein Waffenſtillſtand geſchloſſen worden ſo pflegt wohl
verabredet zu werden, daß dieſer Artikel ſo fort und noch vor
Auswechſelung der Ratificationen in Erfuͤllung geſetzt werden ſolle;
doch leidet dieß Ausnahmen; z. B. in den Baſeler Friedensſchluͤſ-
ſen 1795. Uebrigens iſt die Endigung der Feindſeligkeiten eine
natuͤrliche Folge des geſchloſſenen Friedens, ſo daß was nach die-
ſer Zeit genommen worden zuruͤckgegeben werden muͤſte. Da aber
in entfernten Seekriegen uͤber die, nach dem Frieden, aber vor
Bekanntwerdung deſſelben gemachten Priſen leicht Streit entſtehn
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[369/0397] Von der Wiederherſtellung des Friedens. Auf dieſe folgen die beſondren und eigentlichen Haupt- artikel des Friedens, in welchen nebſt Beſtaͤdtigung derje- nigen aͤlteren Vertraͤge und Friedensſchluͤſſe, welche dem gegenwaͤrtigen zur Grundlage dienen, billig alle diejeni- gen Streitpuncte entſchieden werden ſollen, welche zu dem Kriege Veranlaſſung gegeben, oder durch das Schickſal des Krieges ſelbſt in Anregung kommen e). Der ſchwie- rigſte Punct iſt gemeiniglich der der gegenſeitigen Beſitzungen in Anſehung deren man entweder 1) den Beſitzſtand zum Grunde legt, entweder den ſtatus quo ſtrict d. i. den Be- ſitzſtand beider Theile zur Zeit des Ausbruches des Kriegs, oder das vti poſſidetis d. i. den Beſitzſtand beider Maͤchte es ſey zur Zeit des Friedensſchluſſes, oder zu gewiſſen feſtgeſetzten Zeiten, vor dem Friedensſchluſſe (vti poſſide- batis) oder nach Schließung deſſelben (vti poſſidebitis). Dieſe verſchiedene Grundlage verhindert jedoch nicht, daß man ſich als Ausnahme von derſelben in einzelnen Puncten gewiſſer Compenſationen vergleiche; oder 2) man waͤhlt den Weg der allgemeinen Compenſationen auf welchem man ohne Ruͤckſicht auf den Beſitzſtand ſich daruͤber vergleicht, was jeder abtreten und was er dagegen abgetreten oder ein- geraͤumt erhalten ſolle. Den Beſchluß macht der Artikel welcher die Zeit und zuweilen auch den Ort der Auswechſelung der Ratificationen enthaͤlt. a⁾ Dieſe fehlt in den Baſeler Friedensſchluͤſſen 1795. b⁾ Moſer Teſchner Friedensſchluß mit Anmerkungen S. 94 u. f. c⁾ Wenn noch kein Waffenſtillſtand geſchloſſen worden ſo pflegt wohl verabredet zu werden, daß dieſer Artikel ſo fort und noch vor Auswechſelung der Ratificationen in Erfuͤllung geſetzt werden ſolle; doch leidet dieß Ausnahmen; z. B. in den Baſeler Friedensſchluͤſ- ſen 1795. Uebrigens iſt die Endigung der Feindſeligkeiten eine natuͤrliche Folge des geſchloſſenen Friedens, ſo daß was nach die- ſer Zeit genommen worden zuruͤckgegeben werden muͤſte. Da aber in entfernten Seekriegen uͤber die, nach dem Frieden, aber vor Bekanntwerdung deſſelben gemachten Priſen leicht Streit entſtehn koͤnnte, A a

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/397>, abgerufen am 27.04.2024.