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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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brauchsgegenstandes, eines Produkts konkreter nützlicher Ar-
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, z. B. Eisen. Ihre Werthgestalt, ihre Erscheinungsform als Mate-
riatur
eines bestimmten Quantums gleichartiger menschlicher
Arbeit
, ist ihr Preis, ein Quantum Gold. Aber Gold ist vom Eisen ver-
schiednes Ding
und in seinem Preise bezieht das Eisen sich selbst
auf Gold als ein andres Ding, das jedoch ihm Werth-Gleiches ist.
Der Preis oder die Geldform der Waare existirt nur in dieser gleichsetzen-
den Beziehung, also so zu sagen nur in ihrem Kopfe, und ihr Besitzer
muss seine Zunge in ihren Kopf stecken oder ihr Papierzettel anhängen,
um ihren Preis für die Aussenwelt vorzustellen46). Die Form ihres
Werths ist daher vorgestellte, ideelle Geldform im Unterschied zur hand-
greiflich reellen Körperform ihres Gebrauchswerths. Da die Waaren so
ihre Werthe nur ideell im Geld ausdrücken, drücken sie dieselben auch in
nur vorgestelltem oder ideellem Geld aus. Mass der Werthe ist das
Geld daher nur als vorgestelltes ideelles Geld. Jeder Waaren-
besitzer weiss, dass er kein wirkliches Gold verbraucht, wenn er Waaren
in Gold schätzt oder dem Waarenwerth die Form des Waarenpreises
giebt. Obgleich nun das Geld als Werthmass nur ideell funktionirt,
hängt der Preis dennoch ganz vom reellen Geldmaterial ab. Denn
eine Waare, eine Tonne Eisen z. B., wird in ihrem Preise als Materiatur
eines bestimmten Quantums Arbeit auf bestimmtes Quantum Geldmaterial
als Materiatur desselben Quantums Arbeit bezogen, aber dasselbe
Quantum Arbeit materialisirt sich in ganz verschiednen Quanta Gold, Sil-

46) Der Wilde oder Halbwilde braucht die Zunge anders. Kapitain
Parry bemerkt z. B. von den Bewohnern an der Westküste der Baffinsbay:
"In this case (beim Produktenaustausch) .... they licked it (the thing re-
presented to them) twice to their tongues after which they seemed to consider the
bargain satisfactorily concluded." Ebenso beleckte bei den östlichen Eskimos
der Eintauscher jedesmal den Artikel beim Empfang desselben. Wenn die Zunge
so im Norden als Organ der Aneignung, ist es kein Wunder, dass der Bauch
im Süden als Organ des accumulirten Eigenthums gilt und der Kaffer den Reich-
thum eines Mannes nach seinem Fettwanst schätzt. Die Kaffern sind grund-
gescheute Kerle, denn während der britische "Board of Health" in seinem
Bericht von 1864 den Mangel eines grossen Theils der Arbeiterklasse an fettbil-
denden Substanzen beklagt, machte ein Dr. Harvey, der jedoch nicht die Blut-
circulation erfunden hat, in demselben Jahre sein Glück durch Puff-Recepte, die
der Bourgeoisie und Aristokratie Fettüberflusseslast abzutreiben versprachen

brauchsgegenstandes, eines Produkts konkreter nützlicher Ar-
beit
, z. B. Eisen. Ihre Werthgestalt, ihre Erscheinungsform als Mate-
riatur
eines bestimmten Quantums gleichartiger menschlicher
Arbeit
, ist ihr Preis, ein Quantum Gold. Aber Gold ist vom Eisen ver-
schiednes Ding
und in seinem Preise bezieht das Eisen sich selbst
auf Gold als ein andres Ding, das jedoch ihm Werth-Gleiches ist.
Der Preis oder die Geldform der Waare existirt nur in dieser gleichsetzen-
den Beziehung, also so zu sagen nur in ihrem Kopfe, und ihr Besitzer
muss seine Zunge in ihren Kopf stecken oder ihr Papierzettel anhängen,
um ihren Preis für die Aussenwelt vorzustellen46). Die Form ihres
Werths ist daher vorgestellte, ideelle Geldform im Unterschied zur hand-
greiflich reellen Körperform ihres Gebrauchswerths. Da die Waaren so
ihre Werthe nur ideell im Geld ausdrücken, drücken sie dieselben auch in
nur vorgestelltem oder ideellem Geld aus. Mass der Werthe ist das
Geld daher nur als vorgestelltes ideelles Geld. Jeder Waaren-
besitzer weiss, dass er kein wirkliches Gold verbraucht, wenn er Waaren
in Gold schätzt oder dem Waarenwerth die Form des Waarenpreises
giebt. Obgleich nun das Geld als Werthmass nur ideell funktionirt,
hängt der Preis dennoch ganz vom reellen Geldmaterial ab. Denn
eine Waare, eine Tonne Eisen z. B., wird in ihrem Preise als Materiatur
eines bestimmten Quantums Arbeit auf bestimmtes Quantum Geldmaterial
als Materiatur desselben Quantums Arbeit bezogen, aber dasselbe
Quantum Arbeit materialisirt sich in ganz verschiednen Quanta Gold, Sil-

46) Der Wilde oder Halbwilde braucht die Zunge anders. Kapitain
Parry bemerkt z. B. von den Bewohnern an der Westküste der Baffinsbay:
„In this case (beim Produktenaustausch) .... they licked it (the thing re-
presented to them) twice to their tongues after which they seemed to consider the
bargain satisfactorily concluded.“ Ebenso beleckte bei den östlichen Eskimos
der Eintauscher jedesmal den Artikel beim Empfang desselben. Wenn die Zunge
so im Norden als Organ der Aneignung, ist es kein Wunder, dass der Bauch
im Süden als Organ des accumulirten Eigenthums gilt und der Kaffer den Reich-
thum eines Mannes nach seinem Fettwanst schätzt. Die Kaffern sind grund-
gescheute Kerle, denn während der britische „Board of Health“ in seinem
Bericht von 1864 den Mangel eines grossen Theils der Arbeiterklasse an fettbil-
denden Substanzen beklagt, machte ein Dr. Harvey, der jedoch nicht die Blut-
circulation erfunden hat, in demselben Jahre sein Glück durch Puff-Recepte, die
der Bourgeoisie und Aristokratie Fettüberflusseslast abzutreiben versprachen
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[57/0076] brauchsgegenstandes, eines Produkts konkreter nützlicher Ar- beit, z. B. Eisen. Ihre Werthgestalt, ihre Erscheinungsform als Mate- riatur eines bestimmten Quantums gleichartiger menschlicher Arbeit, ist ihr Preis, ein Quantum Gold. Aber Gold ist vom Eisen ver- schiednes Ding und in seinem Preise bezieht das Eisen sich selbst auf Gold als ein andres Ding, das jedoch ihm Werth-Gleiches ist. Der Preis oder die Geldform der Waare existirt nur in dieser gleichsetzen- den Beziehung, also so zu sagen nur in ihrem Kopfe, und ihr Besitzer muss seine Zunge in ihren Kopf stecken oder ihr Papierzettel anhängen, um ihren Preis für die Aussenwelt vorzustellen 46). Die Form ihres Werths ist daher vorgestellte, ideelle Geldform im Unterschied zur hand- greiflich reellen Körperform ihres Gebrauchswerths. Da die Waaren so ihre Werthe nur ideell im Geld ausdrücken, drücken sie dieselben auch in nur vorgestelltem oder ideellem Geld aus. Mass der Werthe ist das Geld daher nur als vorgestelltes ideelles Geld. Jeder Waaren- besitzer weiss, dass er kein wirkliches Gold verbraucht, wenn er Waaren in Gold schätzt oder dem Waarenwerth die Form des Waarenpreises giebt. Obgleich nun das Geld als Werthmass nur ideell funktionirt, hängt der Preis dennoch ganz vom reellen Geldmaterial ab. Denn eine Waare, eine Tonne Eisen z. B., wird in ihrem Preise als Materiatur eines bestimmten Quantums Arbeit auf bestimmtes Quantum Geldmaterial als Materiatur desselben Quantums Arbeit bezogen, aber dasselbe Quantum Arbeit materialisirt sich in ganz verschiednen Quanta Gold, Sil- 46) Der Wilde oder Halbwilde braucht die Zunge anders. Kapitain Parry bemerkt z. B. von den Bewohnern an der Westküste der Baffinsbay: „In this case (beim Produktenaustausch) .... they licked it (the thing re- presented to them) twice to their tongues after which they seemed to consider the bargain satisfactorily concluded.“ Ebenso beleckte bei den östlichen Eskimos der Eintauscher jedesmal den Artikel beim Empfang desselben. Wenn die Zunge so im Norden als Organ der Aneignung, ist es kein Wunder, dass der Bauch im Süden als Organ des accumulirten Eigenthums gilt und der Kaffer den Reich- thum eines Mannes nach seinem Fettwanst schätzt. Die Kaffern sind grund- gescheute Kerle, denn während der britische „Board of Health“ in seinem Bericht von 1864 den Mangel eines grossen Theils der Arbeiterklasse an fettbil- denden Substanzen beklagt, machte ein Dr. Harvey, der jedoch nicht die Blut- circulation erfunden hat, in demselben Jahre sein Glück durch Puff-Recepte, die der Bourgeoisie und Aristokratie Fettüberflusseslast abzutreiben versprachen

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/76>, abgerufen am 02.05.2024.