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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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ihrer Lebensreproduktion eingehn. Jene Bedingungen, wie diese
Verhältnisse, sind einerseits Voraussetzungen, andrerseits Resul-
tate und Schöpfungen des kapitalistischen Produktionsprocesses;
sie werden von ihm producirt und reproducirt. Wir sahen ferner: das
Kapital -- und der Kapitalist ist nur das personificirte Kapital, fungirt
im Produktionsprocess nur als Träger des Kapitals -- also das Kapital
pumpt in dem ihm entsprechenden gesellschaftlichen Produktions-
process ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit aus den unmittelbaren
Producenten oder Arbeitern heraus, Mehrarbeit, die jenes ohne
Aequivalent erhält, und die ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit
bleibt, wie sehr sie auch als das Resultat freier kontraktlicher
Uebereinkunft erscheinen mag. Diese Mehrarbeit stellt sich dar
in einem Mehrwerth, und dieser Mehrwerth existirt in einem Mehr-
produkt. Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der
gegebnen Bedürfnisse hinaus, muss immer bleiben. Im kapitali-
stischen wie im Sklavensystem u. s. w. hat sie nur eine antagoni-
stische Form, und wird ergänzt durch reinen Müssiggang eines
Theils der Gesellschaft. Ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit ist
erheischt durch die Assekuranz gegen Zufälle, durch die noth-
wendige, der Entwicklung der Bedürfnisse und dem Fortschritt der
Bevölkerung entsprechende, progressive Ausdehnung des Reproduk-
tionsprocesses, was vom kapitalistischen Standpunkt aus Akkumu-
lation heisst. Es ist eine der civilisatorischen Seiten des Kapitals,
dass es diese Mehrarbeit in einer Weise und unter Bedingungen
erzwingt, die der Entwicklung der Produktivkräfte, der gesell-
schaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der Elemente für eine
höhere Neubildung vortheilhafter sind als unter den frühern Formen
der Sklaverei, Leibeigenschaft u. s. w. Es führt so einerseits eine
Stufe herbei, wo der Zwang und die Monopolisirung der gesell-
schaftlichen Entwicklung (einschliesslich ihrer materiellen und in-
tellektuellen Vortheile) durch einen Theil der Gesellschaft auf
Kosten des andern wegfällt; andrerseits schafft sie die materiellen
Mittel und den Keim zu Verhältnissen, die in einer höhern Form
der Gesellschaft erlauben, diese Mehrarbeit zu verbinden mit einer
grössern Beschränkung der, der materiellen Arbeit überhaupt ge-
widmeten Zeit. Denn die Mehrarbeit kann, je nach der Entwick-
lung der Produktivkraft der Arbeit, gross sein bei kleinem Gesammt-
arbeitstag, und relativ klein bei grossem Gesammtarbeitstag. Ist
die nothwendige Arbeitszeit = 3, und die Mehrarbeit = 3, so ist
der Gesammtarbeitstag = 6, und die Rate der Mehrarbeit = 100 %.
Ist die nothwendige Arbeit = 9 und die Mehrarbeit = 3, so der Ge-

ihrer Lebensreproduktion eingehn. Jene Bedingungen, wie diese
Verhältnisse, sind einerseits Voraussetzungen, andrerseits Resul-
tate und Schöpfungen des kapitalistischen Produktionsprocesses;
sie werden von ihm producirt und reproducirt. Wir sahen ferner: das
Kapital — und der Kapitalist ist nur das personificirte Kapital, fungirt
im Produktionsprocess nur als Träger des Kapitals — also das Kapital
pumpt in dem ihm entsprechenden gesellschaftlichen Produktions-
process ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit aus den unmittelbaren
Producenten oder Arbeitern heraus, Mehrarbeit, die jenes ohne
Aequivalent erhält, und die ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit
bleibt, wie sehr sie auch als das Resultat freier kontraktlicher
Uebereinkunft erscheinen mag. Diese Mehrarbeit stellt sich dar
in einem Mehrwerth, und dieser Mehrwerth existirt in einem Mehr-
produkt. Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der
gegebnen Bedürfnisse hinaus, muss immer bleiben. Im kapitali-
stischen wie im Sklavensystem u. s. w. hat sie nur eine antagoni-
stische Form, und wird ergänzt durch reinen Müssiggang eines
Theils der Gesellschaft. Ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit ist
erheischt durch die Assekuranz gegen Zufälle, durch die noth-
wendige, der Entwicklung der Bedürfnisse und dem Fortschritt der
Bevölkerung entsprechende, progressive Ausdehnung des Reproduk-
tionsprocesses, was vom kapitalistischen Standpunkt aus Akkumu-
lation heisst. Es ist eine der civilisatorischen Seiten des Kapitals,
dass es diese Mehrarbeit in einer Weise und unter Bedingungen
erzwingt, die der Entwicklung der Produktivkräfte, der gesell-
schaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der Elemente für eine
höhere Neubildung vortheilhafter sind als unter den frühern Formen
der Sklaverei, Leibeigenschaft u. s. w. Es führt so einerseits eine
Stufe herbei, wo der Zwang und die Monopolisirung der gesell-
schaftlichen Entwicklung (einschliesslich ihrer materiellen und in-
tellektuellen Vortheile) durch einen Theil der Gesellschaft auf
Kosten des andern wegfällt; andrerseits schafft sie die materiellen
Mittel und den Keim zu Verhältnissen, die in einer höhern Form
der Gesellschaft erlauben, diese Mehrarbeit zu verbinden mit einer
grössern Beschränkung der, der materiellen Arbeit überhaupt ge-
widmeten Zeit. Denn die Mehrarbeit kann, je nach der Entwick-
lung der Produktivkraft der Arbeit, gross sein bei kleinem Gesammt-
arbeitstag, und relativ klein bei grossem Gesammtarbeitstag. Ist
die nothwendige Arbeitszeit = 3, und die Mehrarbeit = 3, so ist
der Gesammtarbeitstag = 6, und die Rate der Mehrarbeit = 100 %.
Ist die nothwendige Arbeit = 9 und die Mehrarbeit = 3, so der Ge-

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[354/0363] ihrer Lebensreproduktion eingehn. Jene Bedingungen, wie diese Verhältnisse, sind einerseits Voraussetzungen, andrerseits Resul- tate und Schöpfungen des kapitalistischen Produktionsprocesses; sie werden von ihm producirt und reproducirt. Wir sahen ferner: das Kapital — und der Kapitalist ist nur das personificirte Kapital, fungirt im Produktionsprocess nur als Träger des Kapitals — also das Kapital pumpt in dem ihm entsprechenden gesellschaftlichen Produktions- process ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit aus den unmittelbaren Producenten oder Arbeitern heraus, Mehrarbeit, die jenes ohne Aequivalent erhält, und die ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit bleibt, wie sehr sie auch als das Resultat freier kontraktlicher Uebereinkunft erscheinen mag. Diese Mehrarbeit stellt sich dar in einem Mehrwerth, und dieser Mehrwerth existirt in einem Mehr- produkt. Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der gegebnen Bedürfnisse hinaus, muss immer bleiben. Im kapitali- stischen wie im Sklavensystem u. s. w. hat sie nur eine antagoni- stische Form, und wird ergänzt durch reinen Müssiggang eines Theils der Gesellschaft. Ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit ist erheischt durch die Assekuranz gegen Zufälle, durch die noth- wendige, der Entwicklung der Bedürfnisse und dem Fortschritt der Bevölkerung entsprechende, progressive Ausdehnung des Reproduk- tionsprocesses, was vom kapitalistischen Standpunkt aus Akkumu- lation heisst. Es ist eine der civilisatorischen Seiten des Kapitals, dass es diese Mehrarbeit in einer Weise und unter Bedingungen erzwingt, die der Entwicklung der Produktivkräfte, der gesell- schaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der Elemente für eine höhere Neubildung vortheilhafter sind als unter den frühern Formen der Sklaverei, Leibeigenschaft u. s. w. Es führt so einerseits eine Stufe herbei, wo der Zwang und die Monopolisirung der gesell- schaftlichen Entwicklung (einschliesslich ihrer materiellen und in- tellektuellen Vortheile) durch einen Theil der Gesellschaft auf Kosten des andern wegfällt; andrerseits schafft sie die materiellen Mittel und den Keim zu Verhältnissen, die in einer höhern Form der Gesellschaft erlauben, diese Mehrarbeit zu verbinden mit einer grössern Beschränkung der, der materiellen Arbeit überhaupt ge- widmeten Zeit. Denn die Mehrarbeit kann, je nach der Entwick- lung der Produktivkraft der Arbeit, gross sein bei kleinem Gesammt- arbeitstag, und relativ klein bei grossem Gesammtarbeitstag. Ist die nothwendige Arbeitszeit = 3, und die Mehrarbeit = 3, so ist der Gesammtarbeitstag = 6, und die Rate der Mehrarbeit = 100 %. Ist die nothwendige Arbeit = 9 und die Mehrarbeit = 3, so der Ge-

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/363>, abgerufen am 29.04.2024.