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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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ihren Lokalkunden empfangnen Wechsel nicht wieder auszugeben,
damit nicht die Geschäftsoperationen dieser Kunden in ihrer eignen
Nachbarschaft bekannt werden. Diese von London erhaltnen Wechsel
dienen nicht nur dazu, an Kunden ausgegeben zu werden, die direkt
Zahlungen in London zu machen haben, falls diese nicht vorziehn
sich von der Bank eine eigne Anweisung auf London ausstellen
zu lassen; sie dienen auch zur Erledigung von Zahlungen in der
Provinz, denn das Endossement des Bankiers sichert ihnen den
lokalen Kredit. Sie haben so, z. B. in Lancashire, alle eignen
Noten von Lokalbanken und einen grossen Theil der Bank v. E.
Noten aus der Cirkulation verdrängt. (ibidem, 1568--74.)

Wir sehn hier also, wie die Banken Kredit und Kapital kreiren:
1) durch Ausgabe eigner Banknoten; 2) durch Ausstellung von An-
weisungen auf London mit bis zu 21 Tagen Laufzeit, die ihnen aber
bei Ausstellung gleich baar bezahlt werden; 3) durch Wegzahlung
diskontirter Wechsel, deren Kreditfähigkeit zunächst und wesentlich,
wenigstens für den betreffenden Lokalbezirk, durch das Endossement
der Bank hergestellt wurde.

Die Macht der Bank von England zeigt sich in ihrer Regu-
lirung der Marktrate des Zinsfusses. In Zeiten normalen Geschäfts-
verlaufs kann es vorkommen, dass die Bank v. E. einem mäßigen
Goldabfluss aus ihrem Metallschatz nicht durch Erhöhung der Dis-
kontorate12) einen Riegel vorschieben kann, weil der Bedarf an
Zahlungsmitteln durch die Privat- und Aktienbanken und bill-
brokers, die in den letzten dreissig Jahren bedeutend an Kapital-
macht gewonnen, befriedigt wird. Sie hat dann andre Mittel an-
zuwenden. Aber für kritische Momente gilt noch immer, was der
Bankier Glyn (von Glyn, Mills, Currie & Co.) von dem C. D. 1848/57
aussagte: "1709. In Zeiten grosser Klemme im Lande komman-
dirt die Bank v. E. den Zinsfuss. -- 1710. In Zeiten ausseror-
dentlicher Klemme ... wenn die Diskontirungen der Privatbankiers
oder Brokers verhältnissmäßig eingeschränkt werden, fallen sie auf

12) In der Generalversammlung der Aktionäre der Union Bank of London
am 17. Jan. 1894 erzählt der Präsident Herr Ritchie, die Bank v. E. habe
1893 den Diskonto von 21/2 % (Juli) im August auf 3 und 4 %, und da sie
trotzdem in vier Wochen volle 41/2 Mill. £ Gold verloren, auf 5 % erhöht,
worauf Gold zurückfloss und die Bankrate im Sept. auf 4, im Oktober
auf 3 % herabgesetzt wurde. Aber diese Bankrate sei im Markt nicht an-
erkannt worden. "Als die Bankrate 5 % war, war die Marktrate 31/2 % und
die Rate für Geld 21/2 %; als die Bankrate auf 4 % fiel, war die Diskonto-
rate 2 3/8 % und die Geldrate 13/4 %; als die Bankrate 3 %, war die Diskonto-
rate 11/2 % und die Geldrate eine Kleinigkeit niedriger." (Daily News 18. Jan
1894.) -- F. E.

ihren Lokalkunden empfangnen Wechsel nicht wieder auszugeben,
damit nicht die Geschäftsoperationen dieser Kunden in ihrer eignen
Nachbarschaft bekannt werden. Diese von London erhaltnen Wechsel
dienen nicht nur dazu, an Kunden ausgegeben zu werden, die direkt
Zahlungen in London zu machen haben, falls diese nicht vorziehn
sich von der Bank eine eigne Anweisung auf London ausstellen
zu lassen; sie dienen auch zur Erledigung von Zahlungen in der
Provinz, denn das Endossement des Bankiers sichert ihnen den
lokalen Kredit. Sie haben so, z. B. in Lancashire, alle eignen
Noten von Lokalbanken und einen grossen Theil der Bank v. E.
Noten aus der Cirkulation verdrängt. (ibidem, 1568—74.)

Wir sehn hier also, wie die Banken Kredit und Kapital kreiren:
1) durch Ausgabe eigner Banknoten; 2) durch Ausstellung von An-
weisungen auf London mit bis zu 21 Tagen Laufzeit, die ihnen aber
bei Ausstellung gleich baar bezahlt werden; 3) durch Wegzahlung
diskontirter Wechsel, deren Kreditfähigkeit zunächst und wesentlich,
wenigstens für den betreffenden Lokalbezirk, durch das Endossement
der Bank hergestellt wurde.

Die Macht der Bank von England zeigt sich in ihrer Regu-
lirung der Marktrate des Zinsfusses. In Zeiten normalen Geschäfts-
verlaufs kann es vorkommen, dass die Bank v. E. einem mäßigen
Goldabfluss aus ihrem Metallschatz nicht durch Erhöhung der Dis-
kontorate12) einen Riegel vorschieben kann, weil der Bedarf an
Zahlungsmitteln durch die Privat- und Aktienbanken und bill-
brokers, die in den letzten dreissig Jahren bedeutend an Kapital-
macht gewonnen, befriedigt wird. Sie hat dann andre Mittel an-
zuwenden. Aber für kritische Momente gilt noch immer, was der
Bankier Glyn (von Glyn, Mills, Currie & Co.) von dem C. D. 1848/57
aussagte: „1709. In Zeiten grosser Klemme im Lande komman-
dirt die Bank v. E. den Zinsfuss. — 1710. In Zeiten ausseror-
dentlicher Klemme … wenn die Diskontirungen der Privatbankiers
oder Brokers verhältnissmäßig eingeschränkt werden, fallen sie auf

12) In der Generalversammlung der Aktionäre der Union Bank of London
am 17. Jan. 1894 erzählt der Präsident Herr Ritchie, die Bank v. E. habe
1893 den Diskonto von 2½ % (Juli) im August auf 3 und 4 %, und da sie
trotzdem in vier Wochen volle 4½ Mill. £ Gold verloren, auf 5 % erhöht,
worauf Gold zurückfloss und die Bankrate im Sept. auf 4, im Oktober
auf 3 % herabgesetzt wurde. Aber diese Bankrate sei im Markt nicht an-
erkannt worden. „Als die Bankrate 5 % war, war die Marktrate 3½ % und
die Rate für Geld 2½ %; als die Bankrate auf 4 % fiel, war die Diskonto-
rate 2⅜ % und die Geldrate 1¾ %; als die Bankrate 3 %, war die Diskonto-
rate 1½ % und die Geldrate eine Kleinigkeit niedriger.“ (Daily News 18. Jan
1894.) — F. E.
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[82/0091] ihren Lokalkunden empfangnen Wechsel nicht wieder auszugeben, damit nicht die Geschäftsoperationen dieser Kunden in ihrer eignen Nachbarschaft bekannt werden. Diese von London erhaltnen Wechsel dienen nicht nur dazu, an Kunden ausgegeben zu werden, die direkt Zahlungen in London zu machen haben, falls diese nicht vorziehn sich von der Bank eine eigne Anweisung auf London ausstellen zu lassen; sie dienen auch zur Erledigung von Zahlungen in der Provinz, denn das Endossement des Bankiers sichert ihnen den lokalen Kredit. Sie haben so, z. B. in Lancashire, alle eignen Noten von Lokalbanken und einen grossen Theil der Bank v. E. Noten aus der Cirkulation verdrängt. (ibidem, 1568—74.) Wir sehn hier also, wie die Banken Kredit und Kapital kreiren: 1) durch Ausgabe eigner Banknoten; 2) durch Ausstellung von An- weisungen auf London mit bis zu 21 Tagen Laufzeit, die ihnen aber bei Ausstellung gleich baar bezahlt werden; 3) durch Wegzahlung diskontirter Wechsel, deren Kreditfähigkeit zunächst und wesentlich, wenigstens für den betreffenden Lokalbezirk, durch das Endossement der Bank hergestellt wurde. Die Macht der Bank von England zeigt sich in ihrer Regu- lirung der Marktrate des Zinsfusses. In Zeiten normalen Geschäfts- verlaufs kann es vorkommen, dass die Bank v. E. einem mäßigen Goldabfluss aus ihrem Metallschatz nicht durch Erhöhung der Dis- kontorate 12) einen Riegel vorschieben kann, weil der Bedarf an Zahlungsmitteln durch die Privat- und Aktienbanken und bill- brokers, die in den letzten dreissig Jahren bedeutend an Kapital- macht gewonnen, befriedigt wird. Sie hat dann andre Mittel an- zuwenden. Aber für kritische Momente gilt noch immer, was der Bankier Glyn (von Glyn, Mills, Currie & Co.) von dem C. D. 1848/57 aussagte: „1709. In Zeiten grosser Klemme im Lande komman- dirt die Bank v. E. den Zinsfuss. — 1710. In Zeiten ausseror- dentlicher Klemme … wenn die Diskontirungen der Privatbankiers oder Brokers verhältnissmäßig eingeschränkt werden, fallen sie auf 12) In der Generalversammlung der Aktionäre der Union Bank of London am 17. Jan. 1894 erzählt der Präsident Herr Ritchie, die Bank v. E. habe 1893 den Diskonto von 2½ % (Juli) im August auf 3 und 4 %, und da sie trotzdem in vier Wochen volle 4½ Mill. £ Gold verloren, auf 5 % erhöht, worauf Gold zurückfloss und die Bankrate im Sept. auf 4, im Oktober auf 3 % herabgesetzt wurde. Aber diese Bankrate sei im Markt nicht an- erkannt worden. „Als die Bankrate 5 % war, war die Marktrate 3½ % und die Rate für Geld 2½ %; als die Bankrate auf 4 % fiel, war die Diskonto- rate 2⅜ % und die Geldrate 1¾ %; als die Bankrate 3 %, war die Diskonto- rate 1½ % und die Geldrate eine Kleinigkeit niedriger.“ (Daily News 18. Jan 1894.) — F. E.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/91>, abgerufen am 28.04.2024.