Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

wie die Seidenwürmer. Dieses Gehäuse wird von unsern
Palastdamen fleißig gesponnen, und es giebt die Zeuge zu
unsern Kleidern. Es kann aber nur im hellen Feuer ge-
waschen werden.

Vor unserer Armee werden dreizehn große Kreuze
von Gold und Edelsteinen hergetragen; wenn wir aber
ohne Staatsgefolge ausreiten, wird nur ein Kreuz, welches
nicht mit Figuren, Gold und Juwelen geziert ist, damit wir
immer unseres Herrn Jesu Christi eingedenk seien, und
eine mit Gold gefüllte Silbervase, damit alle Leute wissen,
daß wir der König der Könige sind, vor uns hergetragen.

Alljährlich besuchen wir den Leib des heiligen Daniel,
welcher in Babylon in der Wüste ist. Unser Palast ist
von Ebenholz und von Schittimholz und kann vom Feuer
nicht beschädigt werden. An jedem Ende seines Daches
sind zwei goldene Aepfel, und in jedem Apfel zwei Kar-
funkel, damit das Gold bei Tage scheinen und die Kar-
funkel bei Nacht leuchten mögen. Die größeren Thore
sind von mit Horn gemischtem Sardonyx, damit niemand
mit Gift eintreten könne; die kleineren sind von Ebenholz.
Die Fenster aber sind von Krystall. Die Tische sind von
Gold und Amethyst, und die Säulen, welche sie tragen,
von Elfenbein. Das Zimmer, in welchem wir schlafen,
ist ein wundervolles Meisterstück aus Gold, Silber und
jeder Art von Edelsteinen. In ihm brennt beständig
Weihrauch. Unser Bett ist von Saphir. Wir haben die
schönsten Frauen. Täglich unterhalten wir dreißigtausend
Menschen, außer den gelegentlichen Gästen. Und alle diese
beziehen täglich Summen aus unserer Kämmerei zur Unter-
haltung ihrer Pferde und zu anderweitiger Verwendung.
Während jedes Monats werden wir von sieben Königen
(von jedem der Reihe nach), von fünfundsechzig Herzogen
und von dreihundertfünfundsechzig Grafen bedient. In

wie die Seidenwürmer. Dieſes Gehäuſe wird von unſern
Palaſtdamen fleißig geſponnen, und es giebt die Zeuge zu
unſern Kleidern. Es kann aber nur im hellen Feuer ge-
waſchen werden.

Vor unſerer Armee werden dreizehn große Kreuze
von Gold und Edelſteinen hergetragen; wenn wir aber
ohne Staatsgefolge ausreiten, wird nur ein Kreuz, welches
nicht mit Figuren, Gold und Juwelen geziert iſt, damit wir
immer unſeres Herrn Jeſu Chriſti eingedenk ſeien, und
eine mit Gold gefüllte Silbervaſe, damit alle Leute wiſſen,
daß wir der König der Könige ſind, vor uns hergetragen.

Alljährlich beſuchen wir den Leib des heiligen Daniel,
welcher in Babylon in der Wüſte iſt. Unſer Palaſt iſt
von Ebenholz und von Schittimholz und kann vom Feuer
nicht beſchädigt werden. An jedem Ende ſeines Daches
ſind zwei goldene Aepfel, und in jedem Apfel zwei Kar-
funkel, damit das Gold bei Tage ſcheinen und die Kar-
funkel bei Nacht leuchten mögen. Die größeren Thore
ſind von mit Horn gemiſchtem Sardonyx, damit niemand
mit Gift eintreten könne; die kleineren ſind von Ebenholz.
Die Fenſter aber ſind von Kryſtall. Die Tiſche ſind von
Gold und Amethyſt, und die Säulen, welche ſie tragen,
von Elfenbein. Das Zimmer, in welchem wir ſchlafen,
iſt ein wundervolles Meiſterſtück aus Gold, Silber und
jeder Art von Edelſteinen. In ihm brennt beſtändig
Weihrauch. Unſer Bett iſt von Saphir. Wir haben die
ſchönſten Frauen. Täglich unterhalten wir dreißigtauſend
Menſchen, außer den gelegentlichen Gäſten. Und alle dieſe
beziehen täglich Summen aus unſerer Kämmerei zur Unter-
haltung ihrer Pferde und zu anderweitiger Verwendung.
Während jedes Monats werden wir von ſieben Königen
(von jedem der Reihe nach), von fünfundſechzig Herzogen
und von dreihundertfünfundſechzig Grafen bedient. In

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="111"/>
wie die Seidenwürmer. Die&#x017F;es Gehäu&#x017F;e wird von un&#x017F;ern<lb/>
Pala&#x017F;tdamen fleißig ge&#x017F;ponnen, und es giebt die Zeuge zu<lb/>
un&#x017F;ern Kleidern. Es kann aber nur im hellen Feuer ge-<lb/>
wa&#x017F;chen werden.</p><lb/>
        <p>Vor un&#x017F;erer Armee werden dreizehn große Kreuze<lb/>
von Gold und Edel&#x017F;teinen hergetragen; wenn wir aber<lb/>
ohne Staatsgefolge ausreiten, wird nur <hi rendition="#g">ein</hi> Kreuz, welches<lb/>
nicht mit Figuren, Gold und Juwelen geziert i&#x017F;t, damit wir<lb/>
immer un&#x017F;eres Herrn Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti eingedenk &#x017F;eien, und<lb/>
eine mit Gold gefüllte Silberva&#x017F;e, damit alle Leute wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß wir der König der Könige &#x017F;ind, vor uns hergetragen.</p><lb/>
        <p>Alljährlich be&#x017F;uchen wir den Leib des heiligen Daniel,<lb/>
welcher in Babylon in der Wü&#x017F;te i&#x017F;t. Un&#x017F;er Pala&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
von Ebenholz und von Schittimholz und kann vom Feuer<lb/>
nicht be&#x017F;chädigt werden. An jedem Ende &#x017F;eines Daches<lb/>
&#x017F;ind zwei goldene Aepfel, und in jedem Apfel zwei Kar-<lb/>
funkel, damit das Gold bei Tage &#x017F;cheinen und die Kar-<lb/>
funkel bei Nacht leuchten mögen. Die größeren Thore<lb/>
&#x017F;ind von mit Horn gemi&#x017F;chtem Sardonyx, damit niemand<lb/>
mit Gift eintreten könne; die kleineren &#x017F;ind von Ebenholz.<lb/>
Die Fen&#x017F;ter aber &#x017F;ind von Kry&#x017F;tall. Die Ti&#x017F;che &#x017F;ind von<lb/>
Gold und Amethy&#x017F;t, und die Säulen, welche &#x017F;ie tragen,<lb/>
von Elfenbein. Das Zimmer, in welchem wir &#x017F;chlafen,<lb/>
i&#x017F;t ein wundervolles Mei&#x017F;ter&#x017F;tück aus Gold, Silber und<lb/>
jeder Art von Edel&#x017F;teinen. In ihm brennt be&#x017F;tändig<lb/>
Weihrauch. Un&#x017F;er Bett i&#x017F;t von Saphir. Wir haben die<lb/>
&#x017F;chön&#x017F;ten Frauen. Täglich unterhalten wir dreißigtau&#x017F;end<lb/>
Men&#x017F;chen, außer den gelegentlichen Gä&#x017F;ten. Und alle die&#x017F;e<lb/>
beziehen täglich Summen aus un&#x017F;erer Kämmerei zur Unter-<lb/>
haltung ihrer Pferde und zu anderweitiger Verwendung.<lb/>
Während jedes Monats werden wir von &#x017F;ieben Königen<lb/>
(von jedem der Reihe nach), von fünfund&#x017F;echzig Herzogen<lb/>
und von dreihundertfünfund&#x017F;echzig Grafen bedient. In<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0125] wie die Seidenwürmer. Dieſes Gehäuſe wird von unſern Palaſtdamen fleißig geſponnen, und es giebt die Zeuge zu unſern Kleidern. Es kann aber nur im hellen Feuer ge- waſchen werden. Vor unſerer Armee werden dreizehn große Kreuze von Gold und Edelſteinen hergetragen; wenn wir aber ohne Staatsgefolge ausreiten, wird nur ein Kreuz, welches nicht mit Figuren, Gold und Juwelen geziert iſt, damit wir immer unſeres Herrn Jeſu Chriſti eingedenk ſeien, und eine mit Gold gefüllte Silbervaſe, damit alle Leute wiſſen, daß wir der König der Könige ſind, vor uns hergetragen. Alljährlich beſuchen wir den Leib des heiligen Daniel, welcher in Babylon in der Wüſte iſt. Unſer Palaſt iſt von Ebenholz und von Schittimholz und kann vom Feuer nicht beſchädigt werden. An jedem Ende ſeines Daches ſind zwei goldene Aepfel, und in jedem Apfel zwei Kar- funkel, damit das Gold bei Tage ſcheinen und die Kar- funkel bei Nacht leuchten mögen. Die größeren Thore ſind von mit Horn gemiſchtem Sardonyx, damit niemand mit Gift eintreten könne; die kleineren ſind von Ebenholz. Die Fenſter aber ſind von Kryſtall. Die Tiſche ſind von Gold und Amethyſt, und die Säulen, welche ſie tragen, von Elfenbein. Das Zimmer, in welchem wir ſchlafen, iſt ein wundervolles Meiſterſtück aus Gold, Silber und jeder Art von Edelſteinen. In ihm brennt beſtändig Weihrauch. Unſer Bett iſt von Saphir. Wir haben die ſchönſten Frauen. Täglich unterhalten wir dreißigtauſend Menſchen, außer den gelegentlichen Gäſten. Und alle dieſe beziehen täglich Summen aus unſerer Kämmerei zur Unter- haltung ihrer Pferde und zu anderweitiger Verwendung. Während jedes Monats werden wir von ſieben Königen (von jedem der Reihe nach), von fünfundſechzig Herzogen und von dreihundertfünfundſechzig Grafen bedient. In

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/125
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/125>, abgerufen am 28.04.2024.