Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

wurde. Mit innerlicher Genugthuung bemerkte ich, daß
man ihm auch einen jener kleinen Braten servierte, welche
ich für Tauben gehalten hatte. Er ließ nicht das kleinste
Knöchelchen davon übrig. Später setzte man ihm unter
anderem einen zierlich gearbeiteten Holzteller vor, der ein
niedliches Gerichtchen enthielt, welches die Form eines
Beefsteak hatte und einen solchen Wohlgeruch verbreitete,
daß ich selbst noch Appetit bekam, obgleich ich ganz gegen
meine sonstige Gewohnheit bereits sehr reichlich gegessen
hatte. Ich mußte wissen, was dies war.

"Sidna, was ist dies für ein schönes Gericht?"
fragte ich die Frau, welche den Engländer bediente.

"Es ist Tschekurdschek *)," antwortete sie.

"Wie wird es bereitet?"

"Die Heuschrecken werden geröstet, klein gestoßen und
in die Erde gelegt, bis sie anfangen, zu riechen. Dann
habe ich den Teig in Olivenöl gebraten."

Auch nicht übel! Ich nahm mir vor, dieses höchst
wichtige Recept meinem guten Master Fowling-bull nicht
lange vorzuenthalten. Während er noch aß, ging ich
hinab, um nach den Pferden zu sehen. Sie waren wohl
versorgt. Bei ihnen standen Halef, der Dolmetscher, der
Boluk Emini und der Arnaute, im heftigen Streite, der
aber bei meinem Erscheinen sofort abgebrochen wurde.

"Was zanket ihr, Halef?" fragte ich diesen.

Er deutete auf den Arnauten.

"Dieser Mensch schändet dich, Sihdi. Er hat ge-
droht, dich und mich zu ermorden, weil ich ihn auf
deinen Befehl niedergeworfen habe."

"Laß ihn reden! Thun wird er wohl nichts."

Da legte der Arnaute die Hand an die Pistole
und rief:

*) Heuschrecken.

wurde. Mit innerlicher Genugthuung bemerkte ich, daß
man ihm auch einen jener kleinen Braten ſervierte, welche
ich für Tauben gehalten hatte. Er ließ nicht das kleinſte
Knöchelchen davon übrig. Später ſetzte man ihm unter
anderem einen zierlich gearbeiteten Holzteller vor, der ein
niedliches Gerichtchen enthielt, welches die Form eines
Beefſteak hatte und einen ſolchen Wohlgeruch verbreitete,
daß ich ſelbſt noch Appetit bekam, obgleich ich ganz gegen
meine ſonſtige Gewohnheit bereits ſehr reichlich gegeſſen
hatte. Ich mußte wiſſen, was dies war.

„Sidna, was iſt dies für ein ſchönes Gericht?“
fragte ich die Frau, welche den Engländer bediente.

„Es iſt Tſchekurdſchek *),“ antwortete ſie.

„Wie wird es bereitet?“

„Die Heuſchrecken werden geröſtet, klein geſtoßen und
in die Erde gelegt, bis ſie anfangen, zu riechen. Dann
habe ich den Teig in Olivenöl gebraten.“

Auch nicht übel! Ich nahm mir vor, dieſes höchſt
wichtige Recept meinem guten Maſter Fowling-bull nicht
lange vorzuenthalten. Während er noch aß, ging ich
hinab, um nach den Pferden zu ſehen. Sie waren wohl
verſorgt. Bei ihnen ſtanden Halef, der Dolmetſcher, der
Boluk Emini und der Arnaute, im heftigen Streite, der
aber bei meinem Erſcheinen ſofort abgebrochen wurde.

„Was zanket ihr, Halef?“ fragte ich dieſen.

Er deutete auf den Arnauten.

„Dieſer Menſch ſchändet dich, Sihdi. Er hat ge-
droht, dich und mich zu ermorden, weil ich ihn auf
deinen Befehl niedergeworfen habe.“

„Laß ihn reden! Thun wird er wohl nichts.“

Da legte der Arnaute die Hand an die Piſtole
und rief:

*) Heuſchrecken.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="134"/>
wurde. Mit innerlicher Genugthuung bemerkte ich, daß<lb/>
man ihm auch einen jener kleinen Braten &#x017F;ervierte, welche<lb/>
ich für Tauben gehalten hatte. Er ließ nicht das klein&#x017F;te<lb/>
Knöchelchen davon übrig. Später &#x017F;etzte man ihm unter<lb/>
anderem einen zierlich gearbeiteten Holzteller vor, der ein<lb/>
niedliches Gerichtchen enthielt, welches die Form eines<lb/>
Beef&#x017F;teak hatte und einen &#x017F;olchen Wohlgeruch verbreitete,<lb/>
daß ich &#x017F;elb&#x017F;t noch Appetit bekam, obgleich ich ganz gegen<lb/>
meine &#x017F;on&#x017F;tige Gewohnheit bereits &#x017F;ehr reichlich gege&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte. Ich mußte wi&#x017F;&#x017F;en, was dies war.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sidna, was i&#x017F;t dies für ein &#x017F;chönes Gericht?&#x201C;<lb/>
fragte ich die Frau, welche den Engländer bediente.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t T&#x017F;chekurd&#x017F;chek <note place="foot" n="*)">Heu&#x017F;chrecken.</note>,&#x201C; antwortete &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie wird es bereitet?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Heu&#x017F;chrecken werden gerö&#x017F;tet, klein ge&#x017F;toßen und<lb/>
in die Erde gelegt, bis &#x017F;ie anfangen, zu riechen. Dann<lb/>
habe ich den Teig in Olivenöl gebraten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Auch nicht übel! Ich nahm mir vor, die&#x017F;es höch&#x017F;t<lb/>
wichtige Recept meinem guten Ma&#x017F;ter Fowling-bull nicht<lb/>
lange vorzuenthalten. Während er noch aß, ging ich<lb/>
hinab, um nach den Pferden zu &#x017F;ehen. Sie waren wohl<lb/>
ver&#x017F;orgt. Bei ihnen &#x017F;tanden Halef, der Dolmet&#x017F;cher, der<lb/>
Boluk Emini und der Arnaute, im heftigen Streite, der<lb/>
aber bei meinem Er&#x017F;cheinen &#x017F;ofort abgebrochen wurde.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was zanket ihr, Halef?&#x201C; fragte ich die&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Er deutete auf den Arnauten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die&#x017F;er Men&#x017F;ch &#x017F;chändet dich, Sihdi. Er hat ge-<lb/>
droht, dich und mich zu ermorden, weil ich ihn auf<lb/>
deinen Befehl niedergeworfen habe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Laß ihn reden! Thun wird er wohl nichts.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Da legte der Arnaute die Hand an die Pi&#x017F;tole<lb/>
und rief:</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0148] wurde. Mit innerlicher Genugthuung bemerkte ich, daß man ihm auch einen jener kleinen Braten ſervierte, welche ich für Tauben gehalten hatte. Er ließ nicht das kleinſte Knöchelchen davon übrig. Später ſetzte man ihm unter anderem einen zierlich gearbeiteten Holzteller vor, der ein niedliches Gerichtchen enthielt, welches die Form eines Beefſteak hatte und einen ſolchen Wohlgeruch verbreitete, daß ich ſelbſt noch Appetit bekam, obgleich ich ganz gegen meine ſonſtige Gewohnheit bereits ſehr reichlich gegeſſen hatte. Ich mußte wiſſen, was dies war. „Sidna, was iſt dies für ein ſchönes Gericht?“ fragte ich die Frau, welche den Engländer bediente. „Es iſt Tſchekurdſchek *),“ antwortete ſie. „Wie wird es bereitet?“ „Die Heuſchrecken werden geröſtet, klein geſtoßen und in die Erde gelegt, bis ſie anfangen, zu riechen. Dann habe ich den Teig in Olivenöl gebraten.“ Auch nicht übel! Ich nahm mir vor, dieſes höchſt wichtige Recept meinem guten Maſter Fowling-bull nicht lange vorzuenthalten. Während er noch aß, ging ich hinab, um nach den Pferden zu ſehen. Sie waren wohl verſorgt. Bei ihnen ſtanden Halef, der Dolmetſcher, der Boluk Emini und der Arnaute, im heftigen Streite, der aber bei meinem Erſcheinen ſofort abgebrochen wurde. „Was zanket ihr, Halef?“ fragte ich dieſen. Er deutete auf den Arnauten. „Dieſer Menſch ſchändet dich, Sihdi. Er hat ge- droht, dich und mich zu ermorden, weil ich ihn auf deinen Befehl niedergeworfen habe.“ „Laß ihn reden! Thun wird er wohl nichts.“ Da legte der Arnaute die Hand an die Piſtole und rief: *) Heuſchrecken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/148
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/148>, abgerufen am 05.05.2024.