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Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.

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Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.
retischen Voraussetzungen eine Summe von Erfahrung und
Geschäftsroutine erforderlich, die bei einer unregelmäßigen Lauf-
bahn gar nicht erworben werden könnte. Jch sage nicht, daß
diese Nachtheile für die akademische Wirksamkeit nicht bestehen,
aber sie sind da nicht von überwiegendem Belange.

Die weitere Aufbesserung in der Lage eines definitiv an-
gestellten Universitätslehrers hängt in der Regel wieder von
neuen angenommenen oder abgelehnten Berufungen ab. Das
Princip lautet auch hier: die Harmonie der Jnteressen stellt
sich von selber her. Wer wirklich tüchtig ist, den wünscht man
von allen Seiten, und ist daher selbstredend häufig in der Lage
seine Anforderungen geltend zu machen, und wer es nicht ist,
der darf sich über Zurückbleiben nicht beklagen, der soll gar
nicht versorgt werden, denn er würde seinem Wirkungskreise
nur Schaden bringen.

Wer so obenhin die Dinge betrachtet, dem scheint auch
hier Alles in bester Ordnung zu sein, wenigstens scheinen
einige sehr bekannte Uebelstände gegen die Vortheile der Methode
nicht in Betracht zu kommen. Und doch läßt sich zeigen, daß
auch hier der radicale Liberalismus, der sich in dieser Form
des Berufungssystems kundgibt, ganz ähnliche monströse Bil-
dungen erzeugt hat, wie die sind, welche wir auf dem öko-
nomischen Gebiete als Kapitalismus zu bezeichnen pflegen.
Wir treffen in der Gelehrtenwelt Kapitalisten des Geistes und
der Berühmtheit und daneben wissenschaftliche Proletarier,
nicht durch das Fehlen des Talents auf diesen Platz gesetzt, son-
dern auch solche von kaum geringerer Begabung und Leistungs-
fähigkeit und zwischen beiden Klassen -- eine weite Kluft. Und
ganz ähnlich wie jene obere Klasse im Wirthschaftsleben beinahe
mühelos die Früchte pflücken, zu deren Gedeihen die untere
Klasse die Hauptarbeit gethan, so arbeiten jene auch auf dem


Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.
retiſchen Vorausſetzungen eine Summe von Erfahrung und
Geſchäftsroutine erforderlich, die bei einer unregelmäßigen Lauf-
bahn gar nicht erworben werden könnte. Jch ſage nicht, daß
dieſe Nachtheile für die akademiſche Wirkſamkeit nicht beſtehen,
aber ſie ſind da nicht von überwiegendem Belange.

Die weitere Aufbeſſerung in der Lage eines definitiv an-
geſtellten Univerſitätslehrers hängt in der Regel wieder von
neuen angenommenen oder abgelehnten Berufungen ab. Das
Princip lautet auch hier: die Harmonie der Jntereſſen ſtellt
ſich von ſelber her. Wer wirklich tüchtig iſt, den wünſcht man
von allen Seiten, und iſt daher ſelbſtredend häufig in der Lage
ſeine Anforderungen geltend zu machen, und wer es nicht iſt,
der darf ſich über Zurückbleiben nicht beklagen, der ſoll gar
nicht verſorgt werden, denn er würde ſeinem Wirkungskreiſe
nur Schaden bringen.

Wer ſo obenhin die Dinge betrachtet, dem ſcheint auch
hier Alles in beſter Ordnung zu ſein, wenigſtens ſcheinen
einige ſehr bekannte Uebelſtände gegen die Vortheile der Methode
nicht in Betracht zu kommen. Und doch läßt ſich zeigen, daß
auch hier der radicale Liberalismus, der ſich in dieſer Form
des Berufungsſyſtems kundgibt, ganz ähnliche monſtröſe Bil-
dungen erzeugt hat, wie die ſind, welche wir auf dem öko-
nomiſchen Gebiete als Kapitalismus zu bezeichnen pflegen.
Wir treffen in der Gelehrtenwelt Kapitaliſten des Geiſtes und
der Berühmtheit und daneben wiſſenſchaftliche Proletarier,
nicht durch das Fehlen des Talents auf dieſen Platz geſetzt, ſon-
dern auch ſolche von kaum geringerer Begabung und Leiſtungs-
fähigkeit und zwiſchen beiden Klaſſen — eine weite Kluft. Und
ganz ähnlich wie jene obere Klaſſe im Wirthſchaftsleben beinahe
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[173 [13]/0015] Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. retiſchen Vorausſetzungen eine Summe von Erfahrung und Geſchäftsroutine erforderlich, die bei einer unregelmäßigen Lauf- bahn gar nicht erworben werden könnte. Jch ſage nicht, daß dieſe Nachtheile für die akademiſche Wirkſamkeit nicht beſtehen, aber ſie ſind da nicht von überwiegendem Belange. Die weitere Aufbeſſerung in der Lage eines definitiv an- geſtellten Univerſitätslehrers hängt in der Regel wieder von neuen angenommenen oder abgelehnten Berufungen ab. Das Princip lautet auch hier: die Harmonie der Jntereſſen ſtellt ſich von ſelber her. Wer wirklich tüchtig iſt, den wünſcht man von allen Seiten, und iſt daher ſelbſtredend häufig in der Lage ſeine Anforderungen geltend zu machen, und wer es nicht iſt, der darf ſich über Zurückbleiben nicht beklagen, der ſoll gar nicht verſorgt werden, denn er würde ſeinem Wirkungskreiſe nur Schaden bringen. Wer ſo obenhin die Dinge betrachtet, dem ſcheint auch hier Alles in beſter Ordnung zu ſein, wenigſtens ſcheinen einige ſehr bekannte Uebelſtände gegen die Vortheile der Methode nicht in Betracht zu kommen. Und doch läßt ſich zeigen, daß auch hier der radicale Liberalismus, der ſich in dieſer Form des Berufungsſyſtems kundgibt, ganz ähnliche monſtröſe Bil- dungen erzeugt hat, wie die ſind, welche wir auf dem öko- nomiſchen Gebiete als Kapitalismus zu bezeichnen pflegen. Wir treffen in der Gelehrtenwelt Kapitaliſten des Geiſtes und der Berühmtheit und daneben wiſſenſchaftliche Proletarier, nicht durch das Fehlen des Talents auf dieſen Platz geſetzt, ſon- dern auch ſolche von kaum geringerer Begabung und Leiſtungs- fähigkeit und zwiſchen beiden Klaſſen — eine weite Kluft. Und ganz ähnlich wie jene obere Klaſſe im Wirthſchaftsleben beinahe mühelos die Früchte pflücken, zu deren Gedeihen die untere Klaſſe die Hauptarbeit gethan, ſo arbeiten jene auch auf dem

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881, S. 173 [13]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/15>, abgerufen am 27.04.2024.