Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.§ 18. Begriff der Polizei. sind missglückt12. Und andererseits ist die Polizei selbst nicht blossZwang; es giebt Polizeizwang, es giebt aber auch Polizeibefehl, Polizei- erlaubnis, und das wird man doch nicht auch in gleicher Weise ver- allgemeinern wollen, so dass alle Befehle und Erlaubnisse in der Ver- waltung Polizei wären. Es ist ja richtig, dass die juristische Betrachtungsweise die Rechts- 3. Der heutige Begriff der Polizei ist das Ergebnis der durch- 12 Loening, V.R. S. 8: "Polizei ist Thätigkeit der Staatsgewalt auf dem Gebiete der inneren Verwaltung, sofern dieselbe mit einem Zwang gegen Personen verbunden ist". Ähnlich G. Meyer, V.R. I S. 72. Die innere Verwaltung ist kaum geeignet, den Begriff glatt abzugrenzen; vgl. die militärischen "Polizeimassregeln" (C.C.H. 4. Juli 1863, 9. Juni 1866, 13. Okt. 1866) und die "polizeilichen Verfügungen" der kirchlichen Oberen (C.C.H. 12. Okt. 1872) und gar die "justizpolizeilichen Be- fugnisse" bei Entziehung der juristischen Persönlichkeit (Sächs. Ztschft. f. Pr. I S. 284). Vor allem aber giebt es auch auf dem Gebiete der inneren Verwaltung eine Menge Zwang, der nicht Polizei ist: Zwang zur Führung von Ehrenämtern, zur Ausführung von Fronden an Gemeindewegen (O.V.G. 24. Okt. 1876, 14. Okt. 1882), Ausweisung von bestraften Personen im Interesse der Kommunen (O.V.G. 24. Febr. 1883, Samml. IX S. 372, 427), sodann der erhebliche Zwang, der in der Disciplin der Schulen, Irrenhäuser, Armenhäuser stattfindet, die Beitreibung von Gemeinde- lasten, Schulgeld, Post- und Telegraphengebühren (O.V.G. 1. Febr. 1879). Gegen die letzteren Beispiele sucht man sich zu decken durch den Zusatz "gegen Per- sonen". Aber wenn das so ernsthaft gemeint sein soll, dass das Wegnehmen von Sachen im Pfändungswege ausgeschlossen ist, dann ist auch das Einreissen bau- fälliger Gebäude, die Tötung verseuchter Tiere, die Beschlagnahme schädlicher Nahrungsmittel keine Polizei und das Ziel überschossen. 13 Mehr oder weniger übereinstimmend: Seydel, Bayr. St.R. V S. 6;
Schulze, D.St.R. I S. 620; Pözl, Bayr. V.R. S. 203; v. Stengel, V.R. S. 12; Ulbrich, Öff. Rechte S. 62; Leuthold, Sächs. V.R. S. 14; v. Kirchenheim, Einf. S. 81; Ernst Meier, V.R. bei Holtzendorff I S. 885. -- v. Stein gewährt für sich allein einen Überblick der verschiedenen Auffassungen, Nachdem er in der Lehre von der vollziehenden Gewalt (oben Note 11) die Polizei einseitig als Zwangsanstalt in der Verwaltung hingestellt, erklärt er sie in Handbuch der V.Lehre § 18. Begriff der Polizei. sind miſsglückt12. Und andererseits ist die Polizei selbst nicht bloſsZwang; es giebt Polizeizwang, es giebt aber auch Polizeibefehl, Polizei- erlaubnis, und das wird man doch nicht auch in gleicher Weise ver- allgemeinern wollen, so daſs alle Befehle und Erlaubnisse in der Ver- waltung Polizei wären. Es ist ja richtig, daſs die juristische Betrachtungsweise die Rechts- 3. Der heutige Begriff der Polizei ist das Ergebnis der durch- 12 Loening, V.R. S. 8: „Polizei ist Thätigkeit der Staatsgewalt auf dem Gebiete der inneren Verwaltung, sofern dieselbe mit einem Zwang gegen Personen verbunden ist“. Ähnlich G. Meyer, V.R. I S. 72. Die innere Verwaltung ist kaum geeignet, den Begriff glatt abzugrenzen; vgl. die militärischen „Polizeimaſsregeln“ (C.C.H. 4. Juli 1863, 9. Juni 1866, 13. Okt. 1866) und die „polizeilichen Verfügungen“ der kirchlichen Oberen (C.C.H. 12. Okt. 1872) und gar die „justizpolizeilichen Be- fugnisse“ bei Entziehung der juristischen Persönlichkeit (Sächs. Ztschft. f. Pr. I S. 284). Vor allem aber giebt es auch auf dem Gebiete der inneren Verwaltung eine Menge Zwang, der nicht Polizei ist: Zwang zur Führung von Ehrenämtern, zur Ausführung von Fronden an Gemeindewegen (O.V.G. 24. Okt. 1876, 14. Okt. 1882), Ausweisung von bestraften Personen im Interesse der Kommunen (O.V.G. 24. Febr. 1883, Samml. IX S. 372, 427), sodann der erhebliche Zwang, der in der Disciplin der Schulen, Irrenhäuser, Armenhäuser stattfindet, die Beitreibung von Gemeinde- lasten, Schulgeld, Post- und Telegraphengebühren (O.V.G. 1. Febr. 1879). Gegen die letzteren Beispiele sucht man sich zu decken durch den Zusatz „gegen Per- sonen“. Aber wenn das so ernsthaft gemeint sein soll, daſs das Wegnehmen von Sachen im Pfändungswege ausgeschlossen ist, dann ist auch das Einreiſsen bau- fälliger Gebäude, die Tötung verseuchter Tiere, die Beschlagnahme schädlicher Nahrungsmittel keine Polizei und das Ziel überschossen. 13 Mehr oder weniger übereinstimmend: Seydel, Bayr. St.R. V S. 6;
Schulze, D.St.R. I S. 620; Pözl, Bayr. V.R. S. 203; v. Stengel, V.R. S. 12; Ulbrich, Öff. Rechte S. 62; Leuthold, Sächs. V.R. S. 14; v. Kirchenheim, Einf. S. 81; Ernst Meier, V.R. bei Holtzendorff I S. 885. — v. Stein gewährt für sich allein einen Überblick der verschiedenen Auffassungen, Nachdem er in der Lehre von der vollziehenden Gewalt (oben Note 11) die Polizei einseitig als Zwangsanstalt in der Verwaltung hingestellt, erklärt er sie in Handbuch der V.Lehre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0269" n="249"/><fw place="top" type="header">§ 18. Begriff der Polizei.</fw><lb/> sind miſsglückt<note place="foot" n="12"><hi rendition="#g">Loening,</hi> V.R. S. 8: „Polizei ist Thätigkeit der Staatsgewalt auf dem<lb/> Gebiete der inneren Verwaltung, sofern dieselbe mit einem Zwang gegen Personen<lb/> verbunden ist“. Ähnlich G. <hi rendition="#g">Meyer,</hi> V.R. I S. 72. Die innere Verwaltung ist kaum<lb/> geeignet, den Begriff glatt abzugrenzen; vgl. die militärischen „Polizeimaſsregeln“<lb/> (C.C.H. 4. Juli 1863, 9. Juni 1866, 13. Okt. 1866) und die „polizeilichen Verfügungen“<lb/> der kirchlichen Oberen (C.C.H. 12. Okt. 1872) und gar die „justizpolizeilichen Be-<lb/> fugnisse“ bei Entziehung der juristischen Persönlichkeit (Sächs. Ztschft. f. Pr. I<lb/> S. 284). Vor allem aber giebt es auch auf dem Gebiete der inneren Verwaltung<lb/> eine Menge Zwang, der nicht Polizei ist: Zwang zur Führung von Ehrenämtern, zur<lb/> Ausführung von Fronden an Gemeindewegen (O.V.G. 24. Okt. 1876, 14. Okt. 1882),<lb/> Ausweisung von bestraften Personen im Interesse der Kommunen (O.V.G. 24. Febr.<lb/> 1883, Samml. IX S. 372, 427), sodann der erhebliche Zwang, der in der Disciplin<lb/> der Schulen, Irrenhäuser, Armenhäuser stattfindet, die Beitreibung von Gemeinde-<lb/> lasten, Schulgeld, Post- und Telegraphengebühren (O.V.G. 1. Febr. 1879). Gegen<lb/> die letzteren Beispiele sucht man sich zu decken durch den Zusatz „gegen Per-<lb/> sonen“. Aber wenn das so ernsthaft gemeint sein soll, daſs das Wegnehmen von<lb/> Sachen im Pfändungswege ausgeschlossen ist, dann ist auch das Einreiſsen bau-<lb/> fälliger Gebäude, die Tötung verseuchter Tiere, die Beschlagnahme schädlicher<lb/> Nahrungsmittel keine Polizei und das Ziel überschossen.</note>. Und andererseits ist die Polizei selbst nicht bloſs<lb/> Zwang; es giebt Polizeizwang, es giebt aber auch Polizeibefehl, Polizei-<lb/> erlaubnis, und das wird man doch nicht auch in gleicher Weise ver-<lb/> allgemeinern wollen, so daſs alle Befehle und Erlaubnisse in der Ver-<lb/> waltung Polizei wären.</p><lb/> <p>Es ist ja richtig, daſs die juristische Betrachtungsweise die Rechts-<lb/> form allein im Auge hat und vom Zweck absieht, zu dem sie ver-<lb/> wendet wird. Aber die Rechtsform kann gerade durch den Zusammen-<lb/> hang mit einer allgemeinen Art von Zweck, auf den abgezielt wird,<lb/> ihre bestimmte Eigenart bekommen; deshalb muſs man wohl zusehen,<lb/> bevor man alles abstreift.</p><lb/> <p>3. Der heutige Begriff der Polizei ist das Ergebnis der durch-<lb/> gedrungenen Bestrebungen auf Beschränkung der Polizei der all-<lb/> gemeinen Richtung der Thätigkeit nach, verbunden mit der genaueren<lb/> Abgrenzung nach dem ihr eigentümlichen Mittel. Polizei ist die<lb/><hi rendition="#g">Staatsthätigkeit zur Abwehr von Störungen für die<lb/> gute Ordnung des Gemeinwesens aus dem Einzeldasein<lb/> mit obrigkeitlicher Gewalt</hi><note xml:id="seg2pn_55_1" next="#seg2pn_55_2" place="foot" n="13">Mehr oder weniger übereinstimmend: <hi rendition="#g">Seydel,</hi> Bayr. St.R. V S. 6;<lb/><hi rendition="#g">Schulze,</hi> D.St.R. I S. 620; <hi rendition="#g">Pözl,</hi> Bayr. V.R. S. 203; v. <hi rendition="#g">Stengel,</hi> V.R. S. 12;<lb/><hi rendition="#g">Ulbrich,</hi> Öff. Rechte S. 62; <hi rendition="#g">Leuthold,</hi> Sächs. V.R. S. 14; v. <hi rendition="#g">Kirchenheim,</hi><lb/> Einf. S. 81; <hi rendition="#g">Ernst Meier,</hi> V.R. bei Holtzendorff I S. 885. — v. <hi rendition="#g">Stein</hi> gewährt<lb/> für sich allein einen Überblick der verschiedenen Auffassungen, Nachdem er in<lb/> der Lehre von der vollziehenden Gewalt (oben Note 11) die Polizei einseitig als<lb/> Zwangsanstalt in der Verwaltung hingestellt, erklärt er sie in Handbuch der V.Lehre</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [249/0269]
§ 18. Begriff der Polizei.
sind miſsglückt 12. Und andererseits ist die Polizei selbst nicht bloſs
Zwang; es giebt Polizeizwang, es giebt aber auch Polizeibefehl, Polizei-
erlaubnis, und das wird man doch nicht auch in gleicher Weise ver-
allgemeinern wollen, so daſs alle Befehle und Erlaubnisse in der Ver-
waltung Polizei wären.
Es ist ja richtig, daſs die juristische Betrachtungsweise die Rechts-
form allein im Auge hat und vom Zweck absieht, zu dem sie ver-
wendet wird. Aber die Rechtsform kann gerade durch den Zusammen-
hang mit einer allgemeinen Art von Zweck, auf den abgezielt wird,
ihre bestimmte Eigenart bekommen; deshalb muſs man wohl zusehen,
bevor man alles abstreift.
3. Der heutige Begriff der Polizei ist das Ergebnis der durch-
gedrungenen Bestrebungen auf Beschränkung der Polizei der all-
gemeinen Richtung der Thätigkeit nach, verbunden mit der genaueren
Abgrenzung nach dem ihr eigentümlichen Mittel. Polizei ist die
Staatsthätigkeit zur Abwehr von Störungen für die
gute Ordnung des Gemeinwesens aus dem Einzeldasein
mit obrigkeitlicher Gewalt 13.
12 Loening, V.R. S. 8: „Polizei ist Thätigkeit der Staatsgewalt auf dem
Gebiete der inneren Verwaltung, sofern dieselbe mit einem Zwang gegen Personen
verbunden ist“. Ähnlich G. Meyer, V.R. I S. 72. Die innere Verwaltung ist kaum
geeignet, den Begriff glatt abzugrenzen; vgl. die militärischen „Polizeimaſsregeln“
(C.C.H. 4. Juli 1863, 9. Juni 1866, 13. Okt. 1866) und die „polizeilichen Verfügungen“
der kirchlichen Oberen (C.C.H. 12. Okt. 1872) und gar die „justizpolizeilichen Be-
fugnisse“ bei Entziehung der juristischen Persönlichkeit (Sächs. Ztschft. f. Pr. I
S. 284). Vor allem aber giebt es auch auf dem Gebiete der inneren Verwaltung
eine Menge Zwang, der nicht Polizei ist: Zwang zur Führung von Ehrenämtern, zur
Ausführung von Fronden an Gemeindewegen (O.V.G. 24. Okt. 1876, 14. Okt. 1882),
Ausweisung von bestraften Personen im Interesse der Kommunen (O.V.G. 24. Febr.
1883, Samml. IX S. 372, 427), sodann der erhebliche Zwang, der in der Disciplin
der Schulen, Irrenhäuser, Armenhäuser stattfindet, die Beitreibung von Gemeinde-
lasten, Schulgeld, Post- und Telegraphengebühren (O.V.G. 1. Febr. 1879). Gegen
die letzteren Beispiele sucht man sich zu decken durch den Zusatz „gegen Per-
sonen“. Aber wenn das so ernsthaft gemeint sein soll, daſs das Wegnehmen von
Sachen im Pfändungswege ausgeschlossen ist, dann ist auch das Einreiſsen bau-
fälliger Gebäude, die Tötung verseuchter Tiere, die Beschlagnahme schädlicher
Nahrungsmittel keine Polizei und das Ziel überschossen.
13 Mehr oder weniger übereinstimmend: Seydel, Bayr. St.R. V S. 6;
Schulze, D.St.R. I S. 620; Pözl, Bayr. V.R. S. 203; v. Stengel, V.R. S. 12;
Ulbrich, Öff. Rechte S. 62; Leuthold, Sächs. V.R. S. 14; v. Kirchenheim,
Einf. S. 81; Ernst Meier, V.R. bei Holtzendorff I S. 885. — v. Stein gewährt
für sich allein einen Überblick der verschiedenen Auffassungen, Nachdem er in
der Lehre von der vollziehenden Gewalt (oben Note 11) die Polizei einseitig als
Zwangsanstalt in der Verwaltung hingestellt, erklärt er sie in Handbuch der V.Lehre
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