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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 25. Zwang durch Gewaltanwendung.
militärisch geordnetes Polizeibeamtentum, das als Polizei-Miliz, Polizei-
Dragoner, Polizei-Husaren u. s. w. allenthalben entstand; zu Anfang des
Jahrhunderts wurde daraus unsere Gendarmerie. Ihr steht gleich
die militärisch geordnete Schutzmannschaft der grösseren Städte.
Dazu kommen dann polizeiliche Vollstreckungsbeamte mit "Civil-
organisation", örtliche Polizeibedienstete: Schutzleute, Polizeidiener,
Nachtwächter; besondere Polizeibedienstete, wie das Forst- und
Flurschutzpersonal u. s. w.1.

Allen diesen Vollstreckungsbeamten eigentümlich ist ein besonderer
Rechtsvorzug, der ihnen bei Vornahme der Gewaltanwendung, zu der
sie bestimmt sind, zur Seite steht. Er kommt zur Geltung bei der
strafrechtlichen Behandlung des Widerstandes, den sie dabei er-
fahren mögen.

Der Widerstand gegen die Staatsgewalt ist strafbar und zwar hat
jetzt Stf.G.B. § 113 die gemeinrechtliche Grundlage dafür gegeben.
Damit diese Strafbarkeit eintrete, muss die Person, gegen welche der
Widerstand sich richtet, irgendwie befugt gewesen sein, obrigkeitliche
Gewaltanwendung auszuüben oder dabei mitzuwirken. Da macht
es also zunächst keinen Unterschied, ob es ein Vollstreckungsbeamter
war oder sonst ein Berufener. Vorausgesetzt ist aber, dass die Gewalt-
übung eine rechtmässige war. Das Strafgericht nimmt also eine
Nachprüfung der Rechtmässigkeit der Amtshandlung vor, gegen welche
der Widerstand sich richtete. Was dazu gehört, damit sie rechtmässig
sei, dafür giebt die Rechtsordnung für das Verhältnis zwischen dem
Unterthanen und dem Staat, den der Handelnde vertritt, den Massstab.
Dieser Massstab gilt schlechthin für jeden anderen als den Voll-
streckungsbeamten, für die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten
aber kommt er nur mit einer wichtigen Einschränkung zur An-
wendung und darauf beruht dessen besondere Rechtsstellung2.

1 G. Meyer in Wörterbuch II S. 262; v. Stengel, daselbst I S. 567 ff.
Zur Geschichte: v. Kamptz, Allg. Codex der Gendarmerie 1815; (F. Meinert),
Der Soldat als Beistand der Polizei 1807.
2 Der Vollstreckungsbeamte ist natürlich nicht gleichbedeutend mit dem zur
Vollstreckung von Gesetzen u. s. w. berufenen Beamten des § 113 Stf.G.B. Bei-
spiel in R.G. 10. Januar 1887 (Samml. Stf.S. VII S. 289): Ein Gerichtsassessor
hatte eine sofortige Verhaftung wegen Ungebühr beschlossen und dabei selbst Hand
angelegt; das Gericht erklärt den Widerstand für strafbar "als gegen einen zur
Vollstreckung einer Verfügung des Gerichts berufenen Beamten". Berufen hatte
er sich etwas tumultuarisch selbst. Jedenfalls war er dadurch kein Vollstreckungs-
beamter geworden; vgl. unten Note 9.

§ 25. Zwang durch Gewaltanwendung.
militärisch geordnetes Polizeibeamtentum, das als Polizei-Miliz, Polizei-
Dragoner, Polizei-Husaren u. s. w. allenthalben entstand; zu Anfang des
Jahrhunderts wurde daraus unsere Gendarmerie. Ihr steht gleich
die militärisch geordnete Schutzmannschaft der gröſseren Städte.
Dazu kommen dann polizeiliche Vollstreckungsbeamte mit „Civil-
organisation“, örtliche Polizeibedienstete: Schutzleute, Polizeidiener,
Nachtwächter; besondere Polizeibedienstete, wie das Forst- und
Flurschutzpersonal u. s. w.1.

Allen diesen Vollstreckungsbeamten eigentümlich ist ein besonderer
Rechtsvorzug, der ihnen bei Vornahme der Gewaltanwendung, zu der
sie bestimmt sind, zur Seite steht. Er kommt zur Geltung bei der
strafrechtlichen Behandlung des Widerstandes, den sie dabei er-
fahren mögen.

Der Widerstand gegen die Staatsgewalt ist strafbar und zwar hat
jetzt Stf.G.B. § 113 die gemeinrechtliche Grundlage dafür gegeben.
Damit diese Strafbarkeit eintrete, muſs die Person, gegen welche der
Widerstand sich richtet, irgendwie befugt gewesen sein, obrigkeitliche
Gewaltanwendung auszuüben oder dabei mitzuwirken. Da macht
es also zunächst keinen Unterschied, ob es ein Vollstreckungsbeamter
war oder sonst ein Berufener. Vorausgesetzt ist aber, daſs die Gewalt-
übung eine rechtmäſsige war. Das Strafgericht nimmt also eine
Nachprüfung der Rechtmäſsigkeit der Amtshandlung vor, gegen welche
der Widerstand sich richtete. Was dazu gehört, damit sie rechtmäſsig
sei, dafür giebt die Rechtsordnung für das Verhältnis zwischen dem
Unterthanen und dem Staat, den der Handelnde vertritt, den Maſsstab.
Dieser Maſsstab gilt schlechthin für jeden anderen als den Voll-
streckungsbeamten, für die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten
aber kommt er nur mit einer wichtigen Einschränkung zur An-
wendung und darauf beruht dessen besondere Rechtsstellung2.

1 G. Meyer in Wörterbuch II S. 262; v. Stengel, daselbst I S. 567 ff.
Zur Geschichte: v. Kamptz, Allg. Codex der Gendarmerie 1815; (F. Meinert),
Der Soldat als Beistand der Polizei 1807.
2 Der Vollstreckungsbeamte ist natürlich nicht gleichbedeutend mit dem zur
Vollstreckung von Gesetzen u. s. w. berufenen Beamten des § 113 Stf.G.B. Bei-
spiel in R.G. 10. Januar 1887 (Samml. Stf.S. VII S. 289): Ein Gerichtsassessor
hatte eine sofortige Verhaftung wegen Ungebühr beschlossen und dabei selbst Hand
angelegt; das Gericht erklärt den Widerstand für strafbar „als gegen einen zur
Vollstreckung einer Verfügung des Gerichts berufenen Beamten“. Berufen hatte
er sich etwas tumultuarisch selbst. Jedenfalls war er dadurch kein Vollstreckungs-
beamter geworden; vgl. unten Note 9.
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[359/0379] § 25. Zwang durch Gewaltanwendung. militärisch geordnetes Polizeibeamtentum, das als Polizei-Miliz, Polizei- Dragoner, Polizei-Husaren u. s. w. allenthalben entstand; zu Anfang des Jahrhunderts wurde daraus unsere Gendarmerie. Ihr steht gleich die militärisch geordnete Schutzmannschaft der gröſseren Städte. Dazu kommen dann polizeiliche Vollstreckungsbeamte mit „Civil- organisation“, örtliche Polizeibedienstete: Schutzleute, Polizeidiener, Nachtwächter; besondere Polizeibedienstete, wie das Forst- und Flurschutzpersonal u. s. w. 1. Allen diesen Vollstreckungsbeamten eigentümlich ist ein besonderer Rechtsvorzug, der ihnen bei Vornahme der Gewaltanwendung, zu der sie bestimmt sind, zur Seite steht. Er kommt zur Geltung bei der strafrechtlichen Behandlung des Widerstandes, den sie dabei er- fahren mögen. Der Widerstand gegen die Staatsgewalt ist strafbar und zwar hat jetzt Stf.G.B. § 113 die gemeinrechtliche Grundlage dafür gegeben. Damit diese Strafbarkeit eintrete, muſs die Person, gegen welche der Widerstand sich richtet, irgendwie befugt gewesen sein, obrigkeitliche Gewaltanwendung auszuüben oder dabei mitzuwirken. Da macht es also zunächst keinen Unterschied, ob es ein Vollstreckungsbeamter war oder sonst ein Berufener. Vorausgesetzt ist aber, daſs die Gewalt- übung eine rechtmäſsige war. Das Strafgericht nimmt also eine Nachprüfung der Rechtmäſsigkeit der Amtshandlung vor, gegen welche der Widerstand sich richtete. Was dazu gehört, damit sie rechtmäſsig sei, dafür giebt die Rechtsordnung für das Verhältnis zwischen dem Unterthanen und dem Staat, den der Handelnde vertritt, den Maſsstab. Dieser Maſsstab gilt schlechthin für jeden anderen als den Voll- streckungsbeamten, für die Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten aber kommt er nur mit einer wichtigen Einschränkung zur An- wendung und darauf beruht dessen besondere Rechtsstellung 2. 1 G. Meyer in Wörterbuch II S. 262; v. Stengel, daselbst I S. 567 ff. Zur Geschichte: v. Kamptz, Allg. Codex der Gendarmerie 1815; (F. Meinert), Der Soldat als Beistand der Polizei 1807. 2 Der Vollstreckungsbeamte ist natürlich nicht gleichbedeutend mit dem zur Vollstreckung von Gesetzen u. s. w. berufenen Beamten des § 113 Stf.G.B. Bei- spiel in R.G. 10. Januar 1887 (Samml. Stf.S. VII S. 289): Ein Gerichtsassessor hatte eine sofortige Verhaftung wegen Ungebühr beschlossen und dabei selbst Hand angelegt; das Gericht erklärt den Widerstand für strafbar „als gegen einen zur Vollstreckung einer Verfügung des Gerichts berufenen Beamten“. Berufen hatte er sich etwas tumultuarisch selbst. Jedenfalls war er dadurch kein Vollstreckungs- beamter geworden; vgl. unten Note 9.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/379>, abgerufen am 06.05.2024.