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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 45. Die Dienstgewalt.

Das Zusammenwirken kann so geordnet sein, daß zunächst das be-
sondere Disciplinargericht einen Ausspruch abgiebt, der oberste In-
haber der Dienstgewalt aber auf Grund desselben endgültig verfügt,
was geschehen soll, und dabei auch alle allgemeineren Gesichtspunkte
des dienstlichen Interesses frei berücksichtigt. So bei den Ehren-
gerichten der Offiziere.

Bei Civilbeamten bildet umgekehrt der Ausspruch des Disciplinar-
gerichts den Schluß. Aber es wird seinerseits nur in Bewegung ge-
setzt durch einen Antrag der Dienstbehörde. Das Verfahren gewinnt
dadurch Ähnlichkeit mit der gemeinen Strafrechtspflege; aber während
bei dieser der Staatsanwalt verpflichtet ist zu verfolgen, wo immer
eine Verurteilung erzielt werden kann, entschließt sich die Dienst-
behörde nur dann dazu, wenn sie es im Interesse des Dienstes für
gut hält18.

3. Die Disciplinarstrafe kann ausgeschlossen werden in ver-
schiedener Weise.

Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn wegen des gleichen
Thatbestandes der Verfehlung schon eine gemeinrechtliche
Strafe
verhängt worden ist. Der Satz ne bis in idem gilt zwischen
diesen beiden Strafarten nicht. Die Disciplin hat ihren eignen Zweck,
der vom ordentlichen Strafrichter Verurteilte muß für diesen ebenso
noch einmal aufkommen, wie für Ersatz des etwa angerichteten Ver-
mögensschadens19. Doch werden die Feststellungen des gemeinen
Strafurteils für beide, Schadensersatzklage und Disciplinarverfahren,

18 Bei dieser Trennung wird der Ausspruch des Disciplinargerichts, für sich
allein betrachtet, die Natur der Entscheidung, der Rechtsprechung aufweisen;
Bd. I S. 164 ff. Seydel, Bayr. St.R. III S. 483, bemüht sich, diesen Begriff
selbst da festzuhalten, wo die Verhängung der Disciplinarstrafe einfach in den
Händen des Dienstvorgesetzten liegt, der doch zugleich nach freiem Ermessen be-
findet, ob es im öffentlichen Interesse gelegen ist, überhaupt einzuschreiten und
so oder so einzuschreiten (a. a. O. S. 482). Die praktische Bedeutung der Frage
liegt für ihn darin, ob hier die Form der Verwaltungsrechtspflege stattfinden kann
oder nicht. Wäre diese freilich unbedingt an den Fall wahrer Rechtsprechung
gebunden, dann wäre sie hier sicher ausgeschlossen. Dem ist aber ja nicht so,
nicht einmal nach bayrischem Rechte; vgl. Bd. I S. 166 ff.
19 Wer hier nur ein Specialstrafrecht sehen will, wird um den Satz ne bis
in idem niemals herumkommen. G. Meyer, St.R. S. 458, glaubt durch den Hin-
weis auf die Verschiedenheit der hier und dort auszusprechenden Strafen helfen
zu können. Allein abgesehen davon, daß das gegenüber jenem Satze wohl überhaupt
nicht genügt, müßte dann die disciplinarische Dienstentlassung ausgeschlossen sein,
sobald das Strafgericht, wo es dem Beamten die bürgerlichen Ehrenrechte und damit
das Amt absprechen konnte, solches nicht gethan hat.
§ 45. Die Dienstgewalt.

Das Zusammenwirken kann so geordnet sein, daß zunächst das be-
sondere Disciplinargericht einen Ausspruch abgiebt, der oberste In-
haber der Dienstgewalt aber auf Grund desselben endgültig verfügt,
was geschehen soll, und dabei auch alle allgemeineren Gesichtspunkte
des dienstlichen Interesses frei berücksichtigt. So bei den Ehren-
gerichten der Offiziere.

Bei Civilbeamten bildet umgekehrt der Ausspruch des Disciplinar-
gerichts den Schluß. Aber es wird seinerseits nur in Bewegung ge-
setzt durch einen Antrag der Dienstbehörde. Das Verfahren gewinnt
dadurch Ähnlichkeit mit der gemeinen Strafrechtspflege; aber während
bei dieser der Staatsanwalt verpflichtet ist zu verfolgen, wo immer
eine Verurteilung erzielt werden kann, entschließt sich die Dienst-
behörde nur dann dazu, wenn sie es im Interesse des Dienstes für
gut hält18.

3. Die Disciplinarstrafe kann ausgeschlossen werden in ver-
schiedener Weise.

Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn wegen des gleichen
Thatbestandes der Verfehlung schon eine gemeinrechtliche
Strafe
verhängt worden ist. Der Satz ne bis in idem gilt zwischen
diesen beiden Strafarten nicht. Die Disciplin hat ihren eignen Zweck,
der vom ordentlichen Strafrichter Verurteilte muß für diesen ebenso
noch einmal aufkommen, wie für Ersatz des etwa angerichteten Ver-
mögensschadens19. Doch werden die Feststellungen des gemeinen
Strafurteils für beide, Schadensersatzklage und Disciplinarverfahren,

18 Bei dieser Trennung wird der Ausspruch des Disciplinargerichts, für sich
allein betrachtet, die Natur der Entscheidung, der Rechtsprechung aufweisen;
Bd. I S. 164 ff. Seydel, Bayr. St.R. III S. 483, bemüht sich, diesen Begriff
selbst da festzuhalten, wo die Verhängung der Disciplinarstrafe einfach in den
Händen des Dienstvorgesetzten liegt, der doch zugleich nach freiem Ermessen be-
findet, ob es im öffentlichen Interesse gelegen ist, überhaupt einzuschreiten und
so oder so einzuschreiten (a. a. O. S. 482). Die praktische Bedeutung der Frage
liegt für ihn darin, ob hier die Form der Verwaltungsrechtspflege stattfinden kann
oder nicht. Wäre diese freilich unbedingt an den Fall wahrer Rechtsprechung
gebunden, dann wäre sie hier sicher ausgeschlossen. Dem ist aber ja nicht so,
nicht einmal nach bayrischem Rechte; vgl. Bd. I S. 166 ff.
19 Wer hier nur ein Specialstrafrecht sehen will, wird um den Satz ne bis
in idem niemals herumkommen. G. Meyer, St.R. S. 458, glaubt durch den Hin-
weis auf die Verschiedenheit der hier und dort auszusprechenden Strafen helfen
zu können. Allein abgesehen davon, daß das gegenüber jenem Satze wohl überhaupt
nicht genügt, müßte dann die disciplinarische Dienstentlassung ausgeschlossen sein,
sobald das Strafgericht, wo es dem Beamten die bürgerlichen Ehrenrechte und damit
das Amt absprechen konnte, solches nicht gethan hat.
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[245/0257] § 45. Die Dienstgewalt. Das Zusammenwirken kann so geordnet sein, daß zunächst das be- sondere Disciplinargericht einen Ausspruch abgiebt, der oberste In- haber der Dienstgewalt aber auf Grund desselben endgültig verfügt, was geschehen soll, und dabei auch alle allgemeineren Gesichtspunkte des dienstlichen Interesses frei berücksichtigt. So bei den Ehren- gerichten der Offiziere. Bei Civilbeamten bildet umgekehrt der Ausspruch des Disciplinar- gerichts den Schluß. Aber es wird seinerseits nur in Bewegung ge- setzt durch einen Antrag der Dienstbehörde. Das Verfahren gewinnt dadurch Ähnlichkeit mit der gemeinen Strafrechtspflege; aber während bei dieser der Staatsanwalt verpflichtet ist zu verfolgen, wo immer eine Verurteilung erzielt werden kann, entschließt sich die Dienst- behörde nur dann dazu, wenn sie es im Interesse des Dienstes für gut hält 18. 3. Die Disciplinarstrafe kann ausgeschlossen werden in ver- schiedener Weise. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn wegen des gleichen Thatbestandes der Verfehlung schon eine gemeinrechtliche Strafe verhängt worden ist. Der Satz ne bis in idem gilt zwischen diesen beiden Strafarten nicht. Die Disciplin hat ihren eignen Zweck, der vom ordentlichen Strafrichter Verurteilte muß für diesen ebenso noch einmal aufkommen, wie für Ersatz des etwa angerichteten Ver- mögensschadens 19. Doch werden die Feststellungen des gemeinen Strafurteils für beide, Schadensersatzklage und Disciplinarverfahren, 18 Bei dieser Trennung wird der Ausspruch des Disciplinargerichts, für sich allein betrachtet, die Natur der Entscheidung, der Rechtsprechung aufweisen; Bd. I S. 164 ff. Seydel, Bayr. St.R. III S. 483, bemüht sich, diesen Begriff selbst da festzuhalten, wo die Verhängung der Disciplinarstrafe einfach in den Händen des Dienstvorgesetzten liegt, der doch zugleich nach freiem Ermessen be- findet, ob es im öffentlichen Interesse gelegen ist, überhaupt einzuschreiten und so oder so einzuschreiten (a. a. O. S. 482). Die praktische Bedeutung der Frage liegt für ihn darin, ob hier die Form der Verwaltungsrechtspflege stattfinden kann oder nicht. Wäre diese freilich unbedingt an den Fall wahrer Rechtsprechung gebunden, dann wäre sie hier sicher ausgeschlossen. Dem ist aber ja nicht so, nicht einmal nach bayrischem Rechte; vgl. Bd. I S. 166 ff. 19 Wer hier nur ein Specialstrafrecht sehen will, wird um den Satz ne bis in idem niemals herumkommen. G. Meyer, St.R. S. 458, glaubt durch den Hin- weis auf die Verschiedenheit der hier und dort auszusprechenden Strafen helfen zu können. Allein abgesehen davon, daß das gegenüber jenem Satze wohl überhaupt nicht genügt, müßte dann die disciplinarische Dienstentlassung ausgeschlossen sein, sobald das Strafgericht, wo es dem Beamten die bürgerlichen Ehrenrechte und damit das Amt absprechen konnte, solches nicht gethan hat.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/257>, abgerufen am 29.04.2024.