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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
tretungen sich zu äußern haben. Wo, wie bei der Teilung und
Abzweigung, ein neuer Selbstverwaltungskörper entstehen soll, kann
diesem behufs der Äußerung über die Maßregel eine vorläufige und
vorausgenommene Vertretung bestellt werden.

Die Angehörigen der Selbstverwaltungskörper kommen als
solche überhaupt nicht zum Wort. Im Gegensatz zur Anstalts- oder
Stiftungspersönlichkeit sind sie hier zwar zahlreich vorhanden und be-
stimmt zu erkennen. Aber sie sind nicht unmittelbar rechtlich zu
verwenden. Das Gesetz kann eine Auswahl treffen, indem es die
Meistbeteiligten daraus -- Grundbesitzer, Höchstbesteuerte -- neben
den Selbstverwaltungsvertretungen anhören läßt. Insbesondere, wo es
sich bloß um eine Grenzverschiebung zwischen dem Gebiete zweier
Gemeinden handelt, werden die auf dem betroffenen Stücke ange-
sessenen Grundbesitzer berücksichtigt29. --

Für die Folgen, welche derartige Veränderungen auf Besitz
und Vermögen der betroffenen Gemeinden haben an Anstalten, Geld
und Gut, ist es wieder Sache des die Änderung bewirkenden Aktes,
die nötigen Bestimmungen zu geben. Dabei müssen als Ausgangs-
punkt dienen und für die Auslegung maßgebend sein diejenigen Regeln,
welche für diese Folgen gelten würden, wenn nichts besonderes be-
stimmt wäre. Sie ergeben sich aus der Natur der Gemeinde und der

29 Roesler, V.R. I S. 257; Seydel, Bayr. St.R. III S. 81: "Unter Be-
teiligte sind nur die rechtlich Beteiligten zu verstehen. Dies sind lediglich die
Gemeinden, sowie gegebenen Falls die Besitzer gesonderter Markungen, nicht die
einzelnen Gemeindeangehörigen, deren Grundstücke in Frage kommen". Dazu
Note 5: "Denn grundsätzlich handeln in gemeindlichen Angelegenheiten nur die
Organe der Gemeinden, nicht die Einzelnen". Der Gegensatz der verschiedenen
Arten von Selbstverwaltungskörpern zeigt sich an diesen "Beteiligten", die bei Ver-
fassungsänderungen in Betracht kommen, am deutlichsten. Bei der Stiftungs-
persönlichkeit, wenn ihr Zweck geändert werden soll (oben S. 441), gehört jeden-
falls die Vertretung des Körpers nicht dazu; die Stifter und Geber, die Angehörigen
der juristischen Person können unter besonderen Voraussetzungen berufen sein.
Bei der öffentlichen Genossenschaft würde bei einer Verfassungsänderung zweifel-
los die Vertretung des Körpers mitzuwirken haben, und die ist hier gleich-
bedeutend mit der Gesamtheit der Angehörigen. Bei der Gemeinde liegt der
Schwerpunkt wieder in der Vertretung des Selbstverwaltungskörpers, die aber
ihrerseits nur mittelbar mit den Angehörigen desselben zusammenhängt; die An-
gehörigen selbst treten ganz hinter dieser zurück. Selbst wo das Gesetz bei
Gebietsveränderungen die zunächst betroffenen Grundbesitzer zu hören vorschreibt,
verschwinden diese als Einzelne sofort wieder, wenn sie eine geschlossene Ort-
schaft bilden, die für den gegebenen Fall nach dem Muster einer Gemeinde mit
einer Vertretung dieses Gebietsteils ausgestattet werden kann; Weber, Bayr.
Gem.Ord. Art. 4 Note 2.
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§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
tretungen sich zu äußern haben. Wo, wie bei der Teilung und
Abzweigung, ein neuer Selbstverwaltungskörper entstehen soll, kann
diesem behufs der Äußerung über die Maßregel eine vorläufige und
vorausgenommene Vertretung bestellt werden.

Die Angehörigen der Selbstverwaltungskörper kommen als
solche überhaupt nicht zum Wort. Im Gegensatz zur Anstalts- oder
Stiftungspersönlichkeit sind sie hier zwar zahlreich vorhanden und be-
stimmt zu erkennen. Aber sie sind nicht unmittelbar rechtlich zu
verwenden. Das Gesetz kann eine Auswahl treffen, indem es die
Meistbeteiligten daraus — Grundbesitzer, Höchstbesteuerte — neben
den Selbstverwaltungsvertretungen anhören läßt. Insbesondere, wo es
sich bloß um eine Grenzverschiebung zwischen dem Gebiete zweier
Gemeinden handelt, werden die auf dem betroffenen Stücke ange-
sessenen Grundbesitzer berücksichtigt29. —

Für die Folgen, welche derartige Veränderungen auf Besitz
und Vermögen der betroffenen Gemeinden haben an Anstalten, Geld
und Gut, ist es wieder Sache des die Änderung bewirkenden Aktes,
die nötigen Bestimmungen zu geben. Dabei müssen als Ausgangs-
punkt dienen und für die Auslegung maßgebend sein diejenigen Regeln,
welche für diese Folgen gelten würden, wenn nichts besonderes be-
stimmt wäre. Sie ergeben sich aus der Natur der Gemeinde und der

29 Roesler, V.R. I S. 257; Seydel, Bayr. St.R. III S. 81: „Unter Be-
teiligte sind nur die rechtlich Beteiligten zu verstehen. Dies sind lediglich die
Gemeinden, sowie gegebenen Falls die Besitzer gesonderter Markungen, nicht die
einzelnen Gemeindeangehörigen, deren Grundstücke in Frage kommen“. Dazu
Note 5: „Denn grundsätzlich handeln in gemeindlichen Angelegenheiten nur die
Organe der Gemeinden, nicht die Einzelnen“. Der Gegensatz der verschiedenen
Arten von Selbstverwaltungskörpern zeigt sich an diesen „Beteiligten“, die bei Ver-
fassungsänderungen in Betracht kommen, am deutlichsten. Bei der Stiftungs-
persönlichkeit, wenn ihr Zweck geändert werden soll (oben S. 441), gehört jeden-
falls die Vertretung des Körpers nicht dazu; die Stifter und Geber, die Angehörigen
der juristischen Person können unter besonderen Voraussetzungen berufen sein.
Bei der öffentlichen Genossenschaft würde bei einer Verfassungsänderung zweifel-
los die Vertretung des Körpers mitzuwirken haben, und die ist hier gleich-
bedeutend mit der Gesamtheit der Angehörigen. Bei der Gemeinde liegt der
Schwerpunkt wieder in der Vertretung des Selbstverwaltungskörpers, die aber
ihrerseits nur mittelbar mit den Angehörigen desselben zusammenhängt; die An-
gehörigen selbst treten ganz hinter dieser zurück. Selbst wo das Gesetz bei
Gebietsveränderungen die zunächst betroffenen Grundbesitzer zu hören vorschreibt,
verschwinden diese als Einzelne sofort wieder, wenn sie eine geschlossene Ort-
schaft bilden, die für den gegebenen Fall nach dem Muster einer Gemeinde mit
einer Vertretung dieses Gebietsteils ausgestattet werden kann; Weber, Bayr.
Gem.Ord. Art. 4 Note 2.
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[451/0463] § 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers. tretungen sich zu äußern haben. Wo, wie bei der Teilung und Abzweigung, ein neuer Selbstverwaltungskörper entstehen soll, kann diesem behufs der Äußerung über die Maßregel eine vorläufige und vorausgenommene Vertretung bestellt werden. Die Angehörigen der Selbstverwaltungskörper kommen als solche überhaupt nicht zum Wort. Im Gegensatz zur Anstalts- oder Stiftungspersönlichkeit sind sie hier zwar zahlreich vorhanden und be- stimmt zu erkennen. Aber sie sind nicht unmittelbar rechtlich zu verwenden. Das Gesetz kann eine Auswahl treffen, indem es die Meistbeteiligten daraus — Grundbesitzer, Höchstbesteuerte — neben den Selbstverwaltungsvertretungen anhören läßt. Insbesondere, wo es sich bloß um eine Grenzverschiebung zwischen dem Gebiete zweier Gemeinden handelt, werden die auf dem betroffenen Stücke ange- sessenen Grundbesitzer berücksichtigt 29. — Für die Folgen, welche derartige Veränderungen auf Besitz und Vermögen der betroffenen Gemeinden haben an Anstalten, Geld und Gut, ist es wieder Sache des die Änderung bewirkenden Aktes, die nötigen Bestimmungen zu geben. Dabei müssen als Ausgangs- punkt dienen und für die Auslegung maßgebend sein diejenigen Regeln, welche für diese Folgen gelten würden, wenn nichts besonderes be- stimmt wäre. Sie ergeben sich aus der Natur der Gemeinde und der 29 Roesler, V.R. I S. 257; Seydel, Bayr. St.R. III S. 81: „Unter Be- teiligte sind nur die rechtlich Beteiligten zu verstehen. Dies sind lediglich die Gemeinden, sowie gegebenen Falls die Besitzer gesonderter Markungen, nicht die einzelnen Gemeindeangehörigen, deren Grundstücke in Frage kommen“. Dazu Note 5: „Denn grundsätzlich handeln in gemeindlichen Angelegenheiten nur die Organe der Gemeinden, nicht die Einzelnen“. Der Gegensatz der verschiedenen Arten von Selbstverwaltungskörpern zeigt sich an diesen „Beteiligten“, die bei Ver- fassungsänderungen in Betracht kommen, am deutlichsten. Bei der Stiftungs- persönlichkeit, wenn ihr Zweck geändert werden soll (oben S. 441), gehört jeden- falls die Vertretung des Körpers nicht dazu; die Stifter und Geber, die Angehörigen der juristischen Person können unter besonderen Voraussetzungen berufen sein. Bei der öffentlichen Genossenschaft würde bei einer Verfassungsänderung zweifel- los die Vertretung des Körpers mitzuwirken haben, und die ist hier gleich- bedeutend mit der Gesamtheit der Angehörigen. Bei der Gemeinde liegt der Schwerpunkt wieder in der Vertretung des Selbstverwaltungskörpers, die aber ihrerseits nur mittelbar mit den Angehörigen desselben zusammenhängt; die An- gehörigen selbst treten ganz hinter dieser zurück. Selbst wo das Gesetz bei Gebietsveränderungen die zunächst betroffenen Grundbesitzer zu hören vorschreibt, verschwinden diese als Einzelne sofort wieder, wenn sie eine geschlossene Ort- schaft bilden, die für den gegebenen Fall nach dem Muster einer Gemeinde mit einer Vertretung dieses Gebietsteils ausgestattet werden kann; Weber, Bayr. Gem.Ord. Art. 4 Note 2. 29*

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/463>, abgerufen am 28.04.2024.