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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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Nach der Kirchen, und als ich kaum meinen Chor¬
rock abgethan, kam Hinrich Seden sein gluderäugigt
Weib wieder und verlangete trotziglich noch ein Meh¬
res vor die Reise ihres Mannes nach der Liepe; auch
hätte sie vor sich selbsten noch Nichtes erhalten, ange¬
sehen sie heute nit in der Kirchen gewesen. Solliches
verdroß mich fast, und sagete ich zu ihr: warum bistu
nit in der Kirchen gewesen? Doch wärestu demüthig
kommen, hättestu auch jetzt noch etwas erhalten, da du
aber trotziglich kümmst, geb' ich dir Nichts. Gedenke
doch wie du es mit mir und meinem Kinde gemacht.
Aber sie blieb bei der Thüren stehen und gluderte trotzig
in der Stuben rings umbher, bis sie mein Töchterlein
beim Arm nahm, und heraus führete, indeme sie sprach:
"hörstu? du sollt erst demüthig wieder kommen, ehe du
etwas empfähest; kömmstu aber also, so solltu auch dei¬
nen Theil haben und wir wollen nit weiter mit dir
Auge um Auge, Zahn um Zahn rechnen, das möge der
Herr thun so ihm beliebt, wir aber wöllen dir gerne
vergeben!" Hierauf schritt sie endlich nach ihrer Weiß,
heimlich mummelnd aus der Thüren, doch spiee sie ver¬
schiedentlich auf der Straßen aus, wie wir durch das
Fensterlein sahen.

Bald darauf beschloß ich einen Jungen bei 20 Jah¬
ren und Claus Neels geheißen bei mir in Dienst zu neh¬
men, und vor einen Knecht zu gebrauchen, angesehen der
alte Neels in Loddin sein Vater mich fast harte darumb
anlag, auch der Bursche an Manieren und sonsten mir

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Nach der Kirchen, und als ich kaum meinen Chor¬
rock abgethan, kam Hinrich Seden ſein gluderäugigt
Weib wieder und verlangete trotziglich noch ein Meh¬
res vor die Reiſe ihres Mannes nach der Liepe; auch
hätte ſie vor ſich ſelbſten noch Nichtes erhalten, ange¬
ſehen ſie heute nit in der Kirchen geweſen. Solliches
verdroß mich faſt, und ſagete ich zu ihr: warum biſtu
nit in der Kirchen geweſen? Doch wäreſtu demüthig
kommen, hätteſtu auch jetzt noch etwas erhalten, da du
aber trotziglich kümmſt, geb' ich dir Nichts. Gedenke
doch wie du es mit mir und meinem Kinde gemacht.
Aber ſie blieb bei der Thüren ſtehen und gluderte trotzig
in der Stuben rings umbher, bis ſie mein Töchterlein
beim Arm nahm, und heraus führete, indeme ſie ſprach:
„hörſtu? du ſollt erſt demüthig wieder kommen, ehe du
etwas empfäheſt; kömmſtu aber alſo, ſo ſolltu auch dei¬
nen Theil haben und wir wollen nit weiter mit dir
Auge um Auge, Zahn um Zahn rechnen, das möge der
Herr thun ſo ihm beliebt, wir aber wöllen dir gerne
vergeben!“ Hierauf ſchritt ſie endlich nach ihrer Weiß,
heimlich mummelnd aus der Thüren, doch ſpiee ſie ver¬
ſchiedentlich auf der Straßen aus, wie wir durch das
Fenſterlein ſahen.

Bald darauf beſchloß ich einen Jungen bei 20 Jah¬
ren und Claus Neels geheißen bei mir in Dienſt zu neh¬
men, und vor einen Knecht zu gebrauchen, angeſehen der
alte Neels in Loddin ſein Vater mich faſt harte darumb
anlag, auch der Burſche an Manieren und ſonſten mir

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[67/0083] Nach der Kirchen, und als ich kaum meinen Chor¬ rock abgethan, kam Hinrich Seden ſein gluderäugigt Weib wieder und verlangete trotziglich noch ein Meh¬ res vor die Reiſe ihres Mannes nach der Liepe; auch hätte ſie vor ſich ſelbſten noch Nichtes erhalten, ange¬ ſehen ſie heute nit in der Kirchen geweſen. Solliches verdroß mich faſt, und ſagete ich zu ihr: warum biſtu nit in der Kirchen geweſen? Doch wäreſtu demüthig kommen, hätteſtu auch jetzt noch etwas erhalten, da du aber trotziglich kümmſt, geb' ich dir Nichts. Gedenke doch wie du es mit mir und meinem Kinde gemacht. Aber ſie blieb bei der Thüren ſtehen und gluderte trotzig in der Stuben rings umbher, bis ſie mein Töchterlein beim Arm nahm, und heraus führete, indeme ſie ſprach: „hörſtu? du ſollt erſt demüthig wieder kommen, ehe du etwas empfäheſt; kömmſtu aber alſo, ſo ſolltu auch dei¬ nen Theil haben und wir wollen nit weiter mit dir Auge um Auge, Zahn um Zahn rechnen, das möge der Herr thun ſo ihm beliebt, wir aber wöllen dir gerne vergeben!“ Hierauf ſchritt ſie endlich nach ihrer Weiß, heimlich mummelnd aus der Thüren, doch ſpiee ſie ver¬ ſchiedentlich auf der Straßen aus, wie wir durch das Fenſterlein ſahen. Bald darauf beſchloß ich einen Jungen bei 20 Jah¬ ren und Claus Neels geheißen bei mir in Dienſt zu neh¬ men, und vor einen Knecht zu gebrauchen, angeſehen der alte Neels in Loddin ſein Vater mich faſt harte darumb anlag, auch der Burſche an Manieren und ſonſten mir 5 *

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/83>, abgerufen am 29.04.2024.