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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Wie viel es mit dieser Unschuld und diesem
Druck zu bedeuten habe, begrif D. P. voll-
kommen wohl; dennoch misfiel ihm jener gut-
müthige Vorsaz herzlich. Seine ganze Schuz-
schrift war dann vergebne Arbeit; die Hof-
nung sich beim Publikum und seinen Zunftge-
nossen in Achtung zu sezzen, fiel dann wenig-
stens für diesmal hinweg. Dem Verbrecher
selbst konte daher kaum viel mehr an Abwen-
dung der gedrohten Folter liegen, als seinem
Vertheidiger. Er forschte sorgfältig: ob der
Gefangne keinen Leibschaden habe? -- "Nicht
den geringsten!" -- Oder sonst den Hang zu
einer schweren Krankheit? -- "Auch das
"nicht, dem Himmel sei Dank! Nur aus die-
"sem verzweifelten Käficht heraus, und ich
"befinde mich wahrscheinlich wie ein Fisch im
"Wasser." -- D. P. hätte heimlich bersten
mögen über diese Gesundheit. Jmmer noch
nicht abgeschreckt fuhr er so lange mit Fragen
fort, bis er vernahm: "Jnquisit habe schon

Wie viel es mit dieſer Unſchuld und dieſem
Druck zu bedeuten habe, begrif D. P. voll-
kommen wohl; dennoch misfiel ihm jener gut-
muͤthige Vorſaz herzlich. Seine ganze Schuz-
ſchrift war dann vergebne Arbeit; die Hof-
nung ſich beim Publikum und ſeinen Zunftge-
noſſen in Achtung zu ſezzen, fiel dann wenig-
ſtens fuͤr diesmal hinweg. Dem Verbrecher
ſelbſt konte daher kaum viel mehr an Abwen-
dung der gedrohten Folter liegen, als ſeinem
Vertheidiger. Er forſchte ſorgfaͤltig: ob der
Gefangne keinen Leibſchaden habe? — „Nicht
den geringſten!“ — Oder ſonſt den Hang zu
einer ſchweren Krankheit? — „Auch das
„nicht, dem Himmel ſei Dank! Nur aus die-
„ſem verzweifelten Kaͤficht heraus, und ich
„befinde mich wahrſcheinlich wie ein Fiſch im
„Waſſer.“ — D. P. haͤtte heimlich berſten
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[511/0519] Wie viel es mit dieſer Unſchuld und dieſem Druck zu bedeuten habe, begrif D. P. voll- kommen wohl; dennoch misfiel ihm jener gut- muͤthige Vorſaz herzlich. Seine ganze Schuz- ſchrift war dann vergebne Arbeit; die Hof- nung ſich beim Publikum und ſeinen Zunftge- noſſen in Achtung zu ſezzen, fiel dann wenig- ſtens fuͤr diesmal hinweg. Dem Verbrecher ſelbſt konte daher kaum viel mehr an Abwen- dung der gedrohten Folter liegen, als ſeinem Vertheidiger. Er forſchte ſorgfaͤltig: ob der Gefangne keinen Leibſchaden habe? — „Nicht den geringſten!“ — Oder ſonſt den Hang zu einer ſchweren Krankheit? — „Auch das „nicht, dem Himmel ſei Dank! Nur aus die- „ſem verzweifelten Kaͤficht heraus, und ich „befinde mich wahrſcheinlich wie ein Fiſch im „Waſſer.“ — D. P. haͤtte heimlich berſten moͤgen uͤber dieſe Geſundheit. Jmmer noch nicht abgeſchreckt fuhr er ſo lange mit Fragen fort, bis er vernahm: „Jnquiſit habe ſchon

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/519>, abgerufen am 16.06.2024.