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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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lange Vergangenheit und sich selbst darin, wie von
einem Berge herab in stiller Ferne zu überschauen.
Die im religiösen Gebiet eingetretene Indifferenz und
die großen, alle Parteien in gleicher Weise widerle¬
genden und rechtfertigenden Erfahrungen in Politik
und Geschichte haben die epische, ruhige Würdigung
des Weltkampfes unterstützt, und selbst in der Poesie
ist ihr durch die jetzt alles überwuchernde Romanen¬
welt in Walter Scott's Manier ein breites Feld ge¬
wonnen worden. Die historischen Romane huldigen
der Idee nach der unparteilichsten Betrachtung aller
Zeiten, Völker und Parteien, und werden es immer
mehr thun müssen.

Welche Wirkung die Hegel'sche Philosophie auf
die Mitwelt äußern wird, ist noch nicht genau zu
bestimmen, da sie die Katastrophe noch nicht erlebt
hat. Es liegt nicht in ihrem Wesen, sich selbst Zweck
zu seyn; ihre ganze Stärke besteht, wie die des dia¬
lektischen Talentes überhaupt, nur darin, Mittel zu
seyn, und, wie es scheint, ist sie denn auch wirklich
ein Mittel geworden.


lange Vergangenheit und ſich ſelbſt darin, wie von
einem Berge herab in ſtiller Ferne zu uͤberſchauen.
Die im religioͤſen Gebiet eingetretene Indifferenz und
die großen, alle Parteien in gleicher Weiſe widerle¬
genden und rechtfertigenden Erfahrungen in Politik
und Geſchichte haben die epiſche, ruhige Wuͤrdigung
des Weltkampfes unterſtuͤtzt, und ſelbſt in der Poeſie
iſt ihr durch die jetzt alles uͤberwuchernde Romanen¬
welt in Walter Scott's Manier ein breites Feld ge¬
wonnen worden. Die hiſtoriſchen Romane huldigen
der Idee nach der unparteilichſten Betrachtung aller
Zeiten, Voͤlker und Parteien, und werden es immer
mehr thun muͤſſen.

Welche Wirkung die Hegel'ſche Philoſophie auf
die Mitwelt aͤußern wird, iſt noch nicht genau zu
beſtimmen, da ſie die Kataſtrophe noch nicht erlebt
hat. Es liegt nicht in ihrem Weſen, ſich ſelbſt Zweck
zu ſeyn; ihre ganze Staͤrke beſteht, wie die des dia¬
lektiſchen Talentes uͤberhaupt, nur darin, Mittel zu
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[189/0199] lange Vergangenheit und ſich ſelbſt darin, wie von einem Berge herab in ſtiller Ferne zu uͤberſchauen. Die im religioͤſen Gebiet eingetretene Indifferenz und die großen, alle Parteien in gleicher Weiſe widerle¬ genden und rechtfertigenden Erfahrungen in Politik und Geſchichte haben die epiſche, ruhige Wuͤrdigung des Weltkampfes unterſtuͤtzt, und ſelbſt in der Poeſie iſt ihr durch die jetzt alles uͤberwuchernde Romanen¬ welt in Walter Scott's Manier ein breites Feld ge¬ wonnen worden. Die hiſtoriſchen Romane huldigen der Idee nach der unparteilichſten Betrachtung aller Zeiten, Voͤlker und Parteien, und werden es immer mehr thun muͤſſen. Welche Wirkung die Hegel'ſche Philoſophie auf die Mitwelt aͤußern wird, iſt noch nicht genau zu beſtimmen, da ſie die Kataſtrophe noch nicht erlebt hat. Es liegt nicht in ihrem Weſen, ſich ſelbſt Zweck zu ſeyn; ihre ganze Staͤrke beſteht, wie die des dia¬ lektiſchen Talentes uͤberhaupt, nur darin, Mittel zu ſeyn, und, wie es ſcheint, iſt ſie denn auch wirklich ein Mittel geworden.

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/199>, abgerufen am 19.04.2024.