ausgegeben, wenn ein Hochverräther die Autorität anzutasten sich erfrecht.
Göthe weiß aber selbst am besten, daß die Bäu¬ me nicht in den Himmel wachsen. Faust wird seines Pudels Knecht. Eine Kraft wird Ohnmacht, wenn sie die natürlichen Gränzen überschreitet. Vor Weih¬ rauch sieht man das Feuer nicht mehr, vor den Or¬ den das Herz nicht mehr, daß sie bedecken. Über¬ muth macht die Kraft, Eitelkeit die Schönheit zuletzt verächtlich. Übertriebenes Lob trägt den Tadel im Schooß. Nur um ein kleines darf der Ruhm höher steigen, als der Werth, so wird die Rüge, wenn auch spät, in demselben Verhältniß den Werth her¬ absetzen. Darum sehn wir jetzt schon mehrere Leute, welche sich gegen die Götzendienerei erklären, und Göthen sogar verunglimpfen, wo er es gewiß nicht verdient.
Die blinden Anbeter Göthe's bilden eine herr¬ schende ästhetische Kirche, die ihren Papst, ihre Kir¬ chenväter und Scholastiker, ja sogar ihre Kirchenver¬ sammlungen hat. Natürlich findet diese Kirche nun auch eine Opposition. Sie ist aber, gleich jeder herr¬ schenden Kirche, blind und fanatisch, und spricht durchaus unbedingte Autorität an, verkerzert jeden, der diese Autorität antastet. Das ist schlimm und erweckt nothwendig einen hartnäckigen Widerspruch; aber es ist natürlich. Die Leute glauben einmal an die Unfehlbarkeit ihres Meisters, an sein Monopol in der Poesie, an seine Legitimität, und dieser Glaube
ausgegeben, wenn ein Hochverraͤther die Autoritaͤt anzutaſten ſich erfrecht.
Goͤthe weiß aber ſelbſt am beſten, daß die Baͤu¬ me nicht in den Himmel wachſen. Fauſt wird ſeines Pudels Knecht. Eine Kraft wird Ohnmacht, wenn ſie die natuͤrlichen Graͤnzen uͤberſchreitet. Vor Weih¬ rauch ſieht man das Feuer nicht mehr, vor den Or¬ den das Herz nicht mehr, daß ſie bedecken. Über¬ muth macht die Kraft, Eitelkeit die Schoͤnheit zuletzt veraͤchtlich. Übertriebenes Lob traͤgt den Tadel im Schooß. Nur um ein kleines darf der Ruhm hoͤher ſteigen, als der Werth, ſo wird die Ruͤge, wenn auch ſpaͤt, in demſelben Verhaͤltniß den Werth her¬ abſetzen. Darum ſehn wir jetzt ſchon mehrere Leute, welche ſich gegen die Goͤtzendienerei erklaͤren, und Goͤthen ſogar verunglimpfen, wo er es gewiß nicht verdient.
Die blinden Anbeter Goͤthe's bilden eine herr¬ ſchende aͤſthetiſche Kirche, die ihren Papſt, ihre Kir¬ chenvaͤter und Scholaſtiker, ja ſogar ihre Kirchenver¬ ſammlungen hat. Natuͤrlich findet dieſe Kirche nun auch eine Oppoſition. Sie iſt aber, gleich jeder herr¬ ſchenden Kirche, blind und fanatiſch, und ſpricht durchaus unbedingte Autoritaͤt an, verkerzert jeden, der dieſe Autoritaͤt antaſtet. Das iſt ſchlimm und erweckt nothwendig einen hartnaͤckigen Widerſpruch; aber es iſt natuͤrlich. Die Leute glauben einmal an die Unfehlbarkeit ihres Meiſters, an ſein Monopol in der Poeſie, an ſeine Legitimitaͤt, und dieſer Glaube
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0217"n="207"/>
ausgegeben, wenn ein Hochverraͤther die Autoritaͤt<lb/>
anzutaſten ſich erfrecht.</p><lb/><p>Goͤthe weiß aber ſelbſt am beſten, daß die Baͤu¬<lb/>
me nicht in den Himmel wachſen. Fauſt wird ſeines<lb/>
Pudels Knecht. Eine Kraft wird Ohnmacht, wenn<lb/>ſie die natuͤrlichen Graͤnzen uͤberſchreitet. Vor Weih¬<lb/>
rauch ſieht man das Feuer nicht mehr, vor den Or¬<lb/>
den das Herz nicht mehr, daß ſie bedecken. Über¬<lb/>
muth macht die Kraft, Eitelkeit die Schoͤnheit zuletzt<lb/>
veraͤchtlich. Übertriebenes Lob traͤgt den Tadel im<lb/>
Schooß. Nur um ein kleines darf der Ruhm hoͤher<lb/>ſteigen, als der Werth, ſo wird die Ruͤge, wenn<lb/>
auch ſpaͤt, in demſelben Verhaͤltniß den Werth her¬<lb/>
abſetzen. Darum ſehn wir jetzt ſchon mehrere Leute,<lb/>
welche ſich gegen die Goͤtzendienerei erklaͤren, und<lb/>
Goͤthen ſogar verunglimpfen, wo er es gewiß nicht<lb/>
verdient.</p><lb/><p>Die blinden Anbeter Goͤthe's bilden eine herr¬<lb/>ſchende aͤſthetiſche Kirche, die ihren Papſt, ihre Kir¬<lb/>
chenvaͤter und Scholaſtiker, ja ſogar ihre Kirchenver¬<lb/>ſammlungen hat. Natuͤrlich findet dieſe Kirche nun<lb/>
auch eine Oppoſition. Sie iſt aber, gleich jeder herr¬<lb/>ſchenden Kirche, blind und fanatiſch, und ſpricht<lb/>
durchaus unbedingte Autoritaͤt an, verkerzert jeden,<lb/>
der dieſe Autoritaͤt antaſtet. Das iſt ſchlimm und<lb/>
erweckt nothwendig einen hartnaͤckigen Widerſpruch;<lb/>
aber es iſt natuͤrlich. Die Leute glauben einmal an<lb/>
die Unfehlbarkeit ihres Meiſters, an ſein Monopol<lb/>
in der Poeſie, an ſeine Legitimitaͤt, und dieſer Glaube<lb/></p></div></body></text></TEI>
[207/0217]
ausgegeben, wenn ein Hochverraͤther die Autoritaͤt
anzutaſten ſich erfrecht.
Goͤthe weiß aber ſelbſt am beſten, daß die Baͤu¬
me nicht in den Himmel wachſen. Fauſt wird ſeines
Pudels Knecht. Eine Kraft wird Ohnmacht, wenn
ſie die natuͤrlichen Graͤnzen uͤberſchreitet. Vor Weih¬
rauch ſieht man das Feuer nicht mehr, vor den Or¬
den das Herz nicht mehr, daß ſie bedecken. Über¬
muth macht die Kraft, Eitelkeit die Schoͤnheit zuletzt
veraͤchtlich. Übertriebenes Lob traͤgt den Tadel im
Schooß. Nur um ein kleines darf der Ruhm hoͤher
ſteigen, als der Werth, ſo wird die Ruͤge, wenn
auch ſpaͤt, in demſelben Verhaͤltniß den Werth her¬
abſetzen. Darum ſehn wir jetzt ſchon mehrere Leute,
welche ſich gegen die Goͤtzendienerei erklaͤren, und
Goͤthen ſogar verunglimpfen, wo er es gewiß nicht
verdient.
Die blinden Anbeter Goͤthe's bilden eine herr¬
ſchende aͤſthetiſche Kirche, die ihren Papſt, ihre Kir¬
chenvaͤter und Scholaſtiker, ja ſogar ihre Kirchenver¬
ſammlungen hat. Natuͤrlich findet dieſe Kirche nun
auch eine Oppoſition. Sie iſt aber, gleich jeder herr¬
ſchenden Kirche, blind und fanatiſch, und ſpricht
durchaus unbedingte Autoritaͤt an, verkerzert jeden,
der dieſe Autoritaͤt antaſtet. Das iſt ſchlimm und
erweckt nothwendig einen hartnaͤckigen Widerſpruch;
aber es iſt natuͤrlich. Die Leute glauben einmal an
die Unfehlbarkeit ihres Meiſters, an ſein Monopol
in der Poeſie, an ſeine Legitimitaͤt, und dieſer Glaube
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/217>, abgerufen am 28.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.