Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

aus der Zeit der Bürgerkriege im Gemüthe des Königs
gegen den ehemaligen Kriegsführer der Hugenotten
geschrieben stand, hatten -- sagte sich der Herzog --
die von ihm jetzt in die französischen Annalen ein¬
gezeichneten Triumphe gänzlich verwischt und unleserlich
gemacht.

Rohan hatte das Land Bünden und sein zugleich
nordisch mannhaftes und südlich geschmeidiges Volk lieb
gewonnen. Der Aufenthalt in diesen Bergen ruhte
seinen Geist aus und erfrischte seine Lebenskraft. Aber
nicht die ernsten, kühl durchwehten Hochthäler, wo er
Siege erfochten, mit ihren Felshörnern und Schnee¬
häuptern übten einen Zauber auf ihn aus, sondern er
zog dem Geschmacke der Zeit und seinem eigenen mil¬
den Gemüthe gemäß die mittlern, mit weichem Grün
bekleideten Alpen vor, die mit Hütten und läutenden
Heerden bedeckt waren. Seine Lieblinge waren die
Höhen, die das warme Domleschg einrahmen und er
pflegte zu sagen, der Heinzenberg sei der schönste Berg
der Welt.

Das Geschenk seiner Neigung gaben ihm die
Bündner mit Wucher zurück. Im ganzen Lande wurde
er nur "der gute Herzog" geheißen. In Chur war
er der Abgott aller Stände; denn die vornehmen
Familien fesselte er an sich durch die Feinheit seiner

aus der Zeit der Bürgerkriege im Gemüthe des Königs
gegen den ehemaligen Kriegsführer der Hugenotten
geſchrieben ſtand, hatten — ſagte ſich der Herzog —
die von ihm jetzt in die franzöſiſchen Annalen ein¬
gezeichneten Triumphe gänzlich verwiſcht und unleſerlich
gemacht.

Rohan hatte das Land Bünden und ſein zugleich
nordiſch mannhaftes und ſüdlich geſchmeidiges Volk lieb
gewonnen. Der Aufenthalt in dieſen Bergen ruhte
ſeinen Geiſt aus und erfriſchte ſeine Lebenskraft. Aber
nicht die ernſten, kühl durchwehten Hochthäler, wo er
Siege erfochten, mit ihren Felshörnern und Schnee¬
häuptern übten einen Zauber auf ihn aus, ſondern er
zog dem Geſchmacke der Zeit und ſeinem eigenen mil¬
den Gemüthe gemäß die mittlern, mit weichem Grün
bekleideten Alpen vor, die mit Hütten und läutenden
Heerden bedeckt waren. Seine Lieblinge waren die
Höhen, die das warme Domleſchg einrahmen und er
pflegte zu ſagen, der Heinzenberg ſei der ſchönſte Berg
der Welt.

Das Geſchenk ſeiner Neigung gaben ihm die
Bündner mit Wucher zurück. Im ganzen Lande wurde
er nur „der gute Herzog“ geheißen. In Chur war
er der Abgott aller Stände; denn die vornehmen
Familien feſſelte er an ſich durch die Feinheit ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0247" n="237"/>
aus der Zeit der Bürgerkriege im Gemüthe des Königs<lb/>
gegen den ehemaligen Kriegsführer der Hugenotten<lb/>
ge&#x017F;chrieben &#x017F;tand, hatten &#x2014; &#x017F;agte &#x017F;ich der Herzog &#x2014;<lb/>
die von ihm jetzt in die franzö&#x017F;i&#x017F;chen Annalen ein¬<lb/>
gezeichneten Triumphe gänzlich verwi&#x017F;cht und unle&#x017F;erlich<lb/>
gemacht.</p><lb/>
          <p>Rohan hatte das Land Bünden und &#x017F;ein zugleich<lb/>
nordi&#x017F;ch mannhaftes und &#x017F;üdlich ge&#x017F;chmeidiges Volk lieb<lb/>
gewonnen. Der Aufenthalt in die&#x017F;en Bergen ruhte<lb/>
&#x017F;einen Gei&#x017F;t aus und erfri&#x017F;chte &#x017F;eine Lebenskraft. Aber<lb/>
nicht die ern&#x017F;ten, kühl durchwehten Hochthäler, wo er<lb/>
Siege erfochten, mit ihren Felshörnern und Schnee¬<lb/>
häuptern übten einen Zauber auf ihn aus, &#x017F;ondern er<lb/>
zog dem Ge&#x017F;chmacke der Zeit und &#x017F;einem eigenen mil¬<lb/>
den Gemüthe gemäß die mittlern, mit weichem Grün<lb/>
bekleideten Alpen vor, die mit Hütten und läutenden<lb/>
Heerden bedeckt waren. Seine Lieblinge waren die<lb/>
Höhen, die das warme Domle&#x017F;chg einrahmen und er<lb/>
pflegte zu &#x017F;agen, der Heinzenberg &#x017F;ei der &#x017F;chön&#x017F;te Berg<lb/>
der Welt.</p><lb/>
          <p>Das Ge&#x017F;chenk &#x017F;einer Neigung gaben ihm die<lb/>
Bündner mit Wucher zurück. Im ganzen Lande wurde<lb/>
er nur &#x201E;der gute Herzog&#x201C; geheißen. In Chur war<lb/>
er der Abgott aller Stände; denn die vornehmen<lb/>
Familien fe&#x017F;&#x017F;elte er an &#x017F;ich durch die Feinheit &#x017F;einer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0247] aus der Zeit der Bürgerkriege im Gemüthe des Königs gegen den ehemaligen Kriegsführer der Hugenotten geſchrieben ſtand, hatten — ſagte ſich der Herzog — die von ihm jetzt in die franzöſiſchen Annalen ein¬ gezeichneten Triumphe gänzlich verwiſcht und unleſerlich gemacht. Rohan hatte das Land Bünden und ſein zugleich nordiſch mannhaftes und ſüdlich geſchmeidiges Volk lieb gewonnen. Der Aufenthalt in dieſen Bergen ruhte ſeinen Geiſt aus und erfriſchte ſeine Lebenskraft. Aber nicht die ernſten, kühl durchwehten Hochthäler, wo er Siege erfochten, mit ihren Felshörnern und Schnee¬ häuptern übten einen Zauber auf ihn aus, ſondern er zog dem Geſchmacke der Zeit und ſeinem eigenen mil¬ den Gemüthe gemäß die mittlern, mit weichem Grün bekleideten Alpen vor, die mit Hütten und läutenden Heerden bedeckt waren. Seine Lieblinge waren die Höhen, die das warme Domleſchg einrahmen und er pflegte zu ſagen, der Heinzenberg ſei der ſchönſte Berg der Welt. Das Geſchenk ſeiner Neigung gaben ihm die Bündner mit Wucher zurück. Im ganzen Lande wurde er nur „der gute Herzog“ geheißen. In Chur war er der Abgott aller Stände; denn die vornehmen Familien feſſelte er an ſich durch die Feinheit ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/247
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/247>, abgerufen am 04.05.2024.