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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Gefahr ihrer Lage mit drohender Deutlichkeit. War
ihnen doch nur in seiner Vertrauen erweckenden Person
Frankreich als helfende Macht nahe getreten! Er war
es, der für seinen König mit ihnen unterhandelt, den
von ihnen begehrten Kampfpreis zugesagt, für Frank¬
reichs Rechtlichkeit im Worthalten dem kleinen Lande
gegenüber sich verbürgt hatte. Was geschah, wenn ihr
Mittler, der gute Herzog, verschwand? Wen gab ihm
Richelieu zum Nachfolger? War der die Welt mit
kalter Berechnung überschauende Cardinal, der rücksichts¬
lose Staatsmann gesonnen, das unbequeme Erbe der
Gerechtigkeit des Protestanten Heinrich Rohan anzu¬
treten?

Das Unheil ging diesmal noch vorüber. Die
Nachricht vom Tode des Herzogs war eine falsche.
Nach einigen Wochen erfuhr man, er habe zehn Tage
lang mit geschlossenen Augen bewußtlos gelegen, dann
sei er wieder zum Leben erwacht und erhole sich lang¬
sam. Welcher böse Zweifel aber ihn gefoltert hatte,
bis er todesmatt aufs Lager sank, das ahnte damals
noch niemand.


Gefahr ihrer Lage mit drohender Deutlichkeit. War
ihnen doch nur in ſeiner Vertrauen erweckenden Perſon
Frankreich als helfende Macht nahe getreten! Er war
es, der für ſeinen König mit ihnen unterhandelt, den
von ihnen begehrten Kampfpreis zugeſagt, für Frank¬
reichs Rechtlichkeit im Worthalten dem kleinen Lande
gegenüber ſich verbürgt hatte. Was geſchah, wenn ihr
Mittler, der gute Herzog, verſchwand? Wen gab ihm
Richelieu zum Nachfolger? War der die Welt mit
kalter Berechnung überſchauende Cardinal, der rückſichts¬
loſe Staatsmann geſonnen, das unbequeme Erbe der
Gerechtigkeit des Proteſtanten Heinrich Rohan anzu¬
treten?

Das Unheil ging diesmal noch vorüber. Die
Nachricht vom Tode des Herzogs war eine falſche.
Nach einigen Wochen erfuhr man, er habe zehn Tage
lang mit geſchloſſenen Augen bewußtlos gelegen, dann
ſei er wieder zum Leben erwacht und erhole ſich lang¬
ſam. Welcher böſe Zweifel aber ihn gefoltert hatte,
bis er todesmatt aufs Lager ſank, das ahnte damals
noch niemand.


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[242/0252] Gefahr ihrer Lage mit drohender Deutlichkeit. War ihnen doch nur in ſeiner Vertrauen erweckenden Perſon Frankreich als helfende Macht nahe getreten! Er war es, der für ſeinen König mit ihnen unterhandelt, den von ihnen begehrten Kampfpreis zugeſagt, für Frank¬ reichs Rechtlichkeit im Worthalten dem kleinen Lande gegenüber ſich verbürgt hatte. Was geſchah, wenn ihr Mittler, der gute Herzog, verſchwand? Wen gab ihm Richelieu zum Nachfolger? War der die Welt mit kalter Berechnung überſchauende Cardinal, der rückſichts¬ loſe Staatsmann geſonnen, das unbequeme Erbe der Gerechtigkeit des Proteſtanten Heinrich Rohan anzu¬ treten? Das Unheil ging diesmal noch vorüber. Die Nachricht vom Tode des Herzogs war eine falſche. Nach einigen Wochen erfuhr man, er habe zehn Tage lang mit geſchloſſenen Augen bewußtlos gelegen, dann ſei er wieder zum Leben erwacht und erhole ſich lang¬ ſam. Welcher böſe Zweifel aber ihn gefoltert hatte, bis er todesmatt aufs Lager ſank, das ahnte damals noch niemand.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/252>, abgerufen am 26.04.2024.