Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665.

Bild:
<< vorherige Seite

sehen essen: Da weineten sie/ ich tröstete sie wider/ sagte jhnen/ sie wüßten wol/ daß ich nun in den achten Monath ungefährich under ihnen gewesen were/ und mich Gott auch erhalten hätte/ das wird er bej [unleserliches Material] thun/ vertrauet jhm. Weiter sagte ich/ es solte mir billich zu herzen gehen / mehr dann euch/ dann ich bin aus frömbden Landen/ bin des schröklichen Handels der Leut nicht gewohnet/ jor sejdt je hie im Lande gezogen und gebohren. Ja meinten sie/ ich were so gar verhärtet im elend/ ich achtete es nicht mehr.

Wie ich nun so mit ihnen in der Red war/ hiessen mich die Wilden von ihnen gehen in meine Hütten/ welches mich sehr bedauret/ befahl sie hiemit gänzlich dem willen Gottes.

Deß andern tags gieng ich in des Oversten Königs (Konyan Bebe genant) Hütten/ fragte ihn / was er mit den Gefangnen im sinn hätte? Er sagte/ Sie solten geessen werden/ und verbott mir/ ich solte nicht mit ihnen reden/ dann er were sehr zornig auf sie/ sie solten daheim geblihen sejn/ und nicht mit seinen Feinden gegen jhn zu Krieg gezogen sejn. Ich sagte/ er solt sie leben lassen/ und ihren Freunden widerum verkauffen. Er sagte/ sie solten gessen werden. Und derselbige Konyan Bebe hatte einen grossen Korb voll Menschenfleich vor sich/ aß von einem Bein/ hielt mir es vor den mund/ fragete/ ob ich auch essen wolte? Ich sagte: Ein unvernünfftiges Thier frisset kaum das ander/ solte dann ein Mensch den andern fressen. Er beißt darein/ sagte/ Jauwarische/ Ich bin ein Tigerthier/ es schmeket wol/ damit gieng ich von jhm. Denselbigen abend gebott er/ ein jeder solte seine Gefangene vor den Wald bringen bej das Wasser auf einen Plaz. Da mußten die Gefangene alle sammt in einem runden Kreis singen und rasslen mit den Abgöttern Tamaraka. Hernacher führete ein jeder seine Gefangene wider dahin/ wo er daheim war.

Endlich nach dem ich under disen Wilden Menschenfressern vil Jamer und Trübsal/ Hunger und tägliche Todes forcht ausgestanden/ ist ein Französisches Schiff ankommen/ da dann der Capitäin des Schiffs alsobalden zween Gesellen/ sammt etlichen wilden Königen / welche er zu Freunden hatte/ in den Fleken/ da ich inne war/ geschiket: So bald ich solches vernommen/ war ich sehr froh hieß sie willkommen/ in Wilder sprach/ Wie sie mich nun so elend sahen gehen/ hatten sie ein mitleiden mit mir/ und theileten mir ihrer

sehen essen: Da weineten sie/ ich tröstete sie wider/ sagte jhnen/ sie wüßten wol/ daß ich nun in den achten Monath ungefährich under ihnen gewesen were/ und mich Gott auch erhalten hätte/ das wird er bej [unleserliches Material] thun/ vertrauet jhm. Weiter sagte ich/ es solte mir billich zu herzen gehen / mehr dann euch/ dann ich bin aus frömbden Landen/ bin des schröklichen Handels der Leut nicht gewohnet/ jor sejdt je hie im Lande gezogen und gebohren. Ja meinten sie/ ich were so gar verhärtet im elend/ ich achtete es nicht mehr.

Wie ich nun so mit ihnen in der Red war/ hiessen mich die Wilden von ihnen gehen in meine Hütten/ welches mich sehr bedauret/ befahl sie hiemit gänzlich dem willen Gottes.

Deß andern tags gieng ich in des Oversten Königs (Konyan Bebe genant) Hütten/ fragte ihn / was er mit den Gefangnen im sinn hätte? Er sagte/ Sie solten geessen werden/ und verbott mir/ ich solte nicht mit ihnen reden/ dann er were sehr zornig auf sie/ sie solten daheim geblihen sejn/ und nicht mit seinen Feinden gegen jhn zu Krieg gezogen sejn. Ich sagte/ er solt sie leben lassen/ und ihren Freunden widerum verkauffen. Er sagte/ sie solten gessen werden. Und derselbige Konyan Bebe hatte einen grossen Korb voll Menschenfleich vor sich/ aß von einem Bein/ hielt mir es vor den mund/ fragete/ ob ich auch essen wolte? Ich sagte: Ein unvernünfftiges Thier frisset kaum das ander/ solte dann ein Mensch den andern fressen. Er beißt darein/ sagte/ Jauwarische/ Ich bin ein Tigerthier/ es schmeket wol/ damit gieng ich von jhm. Denselbigen abend gebott er/ ein jeder solte seine Gefangene vor den Wald bringen bej das Wasser auf einen Plaz. Da mußten die Gefangene alle sam̃t in einem runden Kreis singen und rasslen mit den Abgöttern Tamaraka. Hernacher führete ein jeder seine Gefangene wider dahin/ wo er daheim war.

Endlich nach dem ich under disen Wilden Menschenfressern vil Jamer und Trübsal/ Hunger und tägliche Todes forcht ausgestanden/ ist ein Französisches Schiff ankommen/ da dann der Capitäin des Schiffs alsobalden zween Gesellen/ sam̃t etlichen wilden Königen / welche er zu Freunden hatte/ in den Fleken/ da ich inne war/ geschiket: So bald ich solches vernommen/ war ich sehr froh hieß sie willkommen/ in Wilder sprach/ Wie sie mich nun so elend sahen gehen/ hatten sie ein mitleiden mit mir/ und theileten mir ihrer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0294" n="264"/>
sehen essen: Da weineten            sie/ ich tröstete sie wider/ sagte jhnen/ sie wüßten wol/ daß ich nun in den achten            Monath ungefährich under ihnen gewesen were/ und mich Gott auch erhalten hätte/ das wird            er bej <gap reason="illegible"/> thun/ vertrauet jhm. Weiter sagte ich/ es solte mir billich zu herzen gehen /            mehr dann euch/ dann ich bin aus frömbden Landen/ bin des schröklichen Handels der Leut            nicht gewohnet/ jor sejdt je hie im Lande gezogen und gebohren. Ja meinten sie/ ich were            so gar verhärtet im elend/ ich achtete es nicht mehr.</p>
        <p>Wie ich nun so mit ihnen in der Red war/ hiessen mich die Wilden von ihnen gehen in            meine Hütten/ welches mich sehr bedauret/ befahl sie hiemit gänzlich dem willen            Gottes.</p>
        <p>Deß andern tags gieng ich in des Oversten Königs (Konyan Bebe genant) Hütten/ fragte ihn           / was er mit den Gefangnen im sinn hätte? Er sagte/ Sie solten geessen werden/ und            verbott mir/ ich solte nicht mit ihnen reden/ dann er were sehr zornig auf sie/ sie            solten daheim geblihen sejn/ und nicht mit seinen Feinden gegen jhn zu Krieg gezogen            sejn. Ich sagte/ er solt sie leben lassen/ und ihren Freunden widerum verkauffen. Er            sagte/ sie solten gessen werden. Und derselbige Konyan Bebe hatte einen grossen Korb voll            Menschenfleich vor sich/ aß von einem Bein/ hielt mir es vor den mund/ fragete/ ob ich            auch essen wolte? Ich sagte: Ein unvernünfftiges Thier frisset kaum das ander/ solte dann            ein Mensch den andern fressen. Er beißt darein/ sagte/ Jauwarische/ Ich bin ein            Tigerthier/ es schmeket wol/ damit gieng ich von jhm. Denselbigen abend gebott er/ ein            jeder solte seine Gefangene vor den Wald bringen bej das Wasser auf einen Plaz. Da mußten            die Gefangene alle sam&#x0303;t in einem runden Kreis singen und rasslen mit den Abgöttern            Tamaraka. Hernacher führete ein jeder seine Gefangene wider dahin/ wo er daheim war.</p>
        <p>Endlich nach dem ich under disen Wilden Menschenfressern vil Jamer und Trübsal/ Hunger            und tägliche Todes forcht ausgestanden/ ist ein Französisches Schiff ankommen/ da dann            der Capitäin des Schiffs alsobalden zween Gesellen/ sam&#x0303;t etlichen wilden Königen           / welche er zu Freunden hatte/ in den Fleken/ da ich inne war/ geschiket: So bald ich            solches vernommen/ war ich sehr froh hieß sie willkommen/ in Wilder sprach/ Wie sie            mich nun so elend sahen gehen/ hatten sie ein mitleiden mit mir/ und theileten mir              ihrer
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0294] sehen essen: Da weineten sie/ ich tröstete sie wider/ sagte jhnen/ sie wüßten wol/ daß ich nun in den achten Monath ungefährich under ihnen gewesen were/ und mich Gott auch erhalten hätte/ das wird er bej _ thun/ vertrauet jhm. Weiter sagte ich/ es solte mir billich zu herzen gehen / mehr dann euch/ dann ich bin aus frömbden Landen/ bin des schröklichen Handels der Leut nicht gewohnet/ jor sejdt je hie im Lande gezogen und gebohren. Ja meinten sie/ ich were so gar verhärtet im elend/ ich achtete es nicht mehr. Wie ich nun so mit ihnen in der Red war/ hiessen mich die Wilden von ihnen gehen in meine Hütten/ welches mich sehr bedauret/ befahl sie hiemit gänzlich dem willen Gottes. Deß andern tags gieng ich in des Oversten Königs (Konyan Bebe genant) Hütten/ fragte ihn / was er mit den Gefangnen im sinn hätte? Er sagte/ Sie solten geessen werden/ und verbott mir/ ich solte nicht mit ihnen reden/ dann er were sehr zornig auf sie/ sie solten daheim geblihen sejn/ und nicht mit seinen Feinden gegen jhn zu Krieg gezogen sejn. Ich sagte/ er solt sie leben lassen/ und ihren Freunden widerum verkauffen. Er sagte/ sie solten gessen werden. Und derselbige Konyan Bebe hatte einen grossen Korb voll Menschenfleich vor sich/ aß von einem Bein/ hielt mir es vor den mund/ fragete/ ob ich auch essen wolte? Ich sagte: Ein unvernünfftiges Thier frisset kaum das ander/ solte dann ein Mensch den andern fressen. Er beißt darein/ sagte/ Jauwarische/ Ich bin ein Tigerthier/ es schmeket wol/ damit gieng ich von jhm. Denselbigen abend gebott er/ ein jeder solte seine Gefangene vor den Wald bringen bej das Wasser auf einen Plaz. Da mußten die Gefangene alle sam̃t in einem runden Kreis singen und rasslen mit den Abgöttern Tamaraka. Hernacher führete ein jeder seine Gefangene wider dahin/ wo er daheim war. Endlich nach dem ich under disen Wilden Menschenfressern vil Jamer und Trübsal/ Hunger und tägliche Todes forcht ausgestanden/ ist ein Französisches Schiff ankommen/ da dann der Capitäin des Schiffs alsobalden zween Gesellen/ sam̃t etlichen wilden Königen / welche er zu Freunden hatte/ in den Fleken/ da ich inne war/ geschiket: So bald ich solches vernommen/ war ich sehr froh hieß sie willkommen/ in Wilder sprach/ Wie sie mich nun so elend sahen gehen/ hatten sie ein mitleiden mit mir/ und theileten mir ihrer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/294
Zitationshilfe: Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/294>, abgerufen am 31.05.2024.