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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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mal zu spät in Himmel kommen! -- Therese,
was werden wir heut zu Nacht essen?

Therese. Jch habe Tauben zurichten lassen;
Papa, und Salat; weil's jetzt warm ist.

Der Vater: Gut, meine Tochter, du weist,
was ich gern esse. -- Deinem Bruder Xaver must
du jetzt Wäsche zurecht machen, weil er unter frem-
de Leute kommt. Er kann bald abgehen müssen;
ich warte nur auf Briefe aus der Stadt. Karl
ist doch zu Hause, Wilhelm?

Wilhelm. Ja, ich glaube wol, Papa, er
wird schreiben. --

Sie kamen nun ans Amthaus. Als sie durch
den Garten giengen, sah der Vater, daß Therese
die Blumen, vor dem Weggehn, schon begossen,
und frischen Salat in die Lücken nachgepflanzt hat-
te, und lobte ihren Fleiß. Die Blumen düfteten
ihr süsser, weil sie die Freude sah, die ihr Vater
drüber hatte. Jch denke, wir essen heut in der
Laube, sagte der alte Siegwart; der Abend ist
lau und angenehm, und wir können hier die Nach-
tigall aus dem Gebüsch besser hören. Xaver gieng
auf sein Zimmer, packte seine Bücher aus, und
grüßte seinen ältern Bruder Karl, der noch am
Schreibtische saß, und ihm einen kalten unfreund-



mal zu ſpaͤt in Himmel kommen! — Thereſe,
was werden wir heut zu Nacht eſſen?

Thereſe. Jch habe Tauben zurichten laſſen;
Papa, und Salat; weil’s jetzt warm iſt.

Der Vater: Gut, meine Tochter, du weiſt,
was ich gern eſſe. — Deinem Bruder Xaver muſt
du jetzt Waͤſche zurecht machen, weil er unter frem-
de Leute kommt. Er kann bald abgehen muͤſſen;
ich warte nur auf Briefe aus der Stadt. Karl
iſt doch zu Hauſe, Wilhelm?

Wilhelm. Ja, ich glaube wol, Papa, er
wird ſchreiben. —

Sie kamen nun ans Amthaus. Als ſie durch
den Garten giengen, ſah der Vater, daß Thereſe
die Blumen, vor dem Weggehn, ſchon begoſſen,
und friſchen Salat in die Luͤcken nachgepflanzt hat-
te, und lobte ihren Fleiß. Die Blumen duͤfteten
ihr ſuͤſſer, weil ſie die Freude ſah, die ihr Vater
druͤber hatte. Jch denke, wir eſſen heut in der
Laube, ſagte der alte Siegwart; der Abend iſt
lau und angenehm, und wir koͤnnen hier die Nach-
tigall aus dem Gebuͤſch beſſer hoͤren. Xaver gieng
auf ſein Zimmer, packte ſeine Buͤcher aus, und
gruͤßte ſeinen aͤltern Bruder Karl, der noch am
Schreibtiſche ſaß, und ihm einen kalten unfreund-

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[121/0125] mal zu ſpaͤt in Himmel kommen! — Thereſe, was werden wir heut zu Nacht eſſen? Thereſe. Jch habe Tauben zurichten laſſen; Papa, und Salat; weil’s jetzt warm iſt. Der Vater: Gut, meine Tochter, du weiſt, was ich gern eſſe. — Deinem Bruder Xaver muſt du jetzt Waͤſche zurecht machen, weil er unter frem- de Leute kommt. Er kann bald abgehen muͤſſen; ich warte nur auf Briefe aus der Stadt. Karl iſt doch zu Hauſe, Wilhelm? Wilhelm. Ja, ich glaube wol, Papa, er wird ſchreiben. — Sie kamen nun ans Amthaus. Als ſie durch den Garten giengen, ſah der Vater, daß Thereſe die Blumen, vor dem Weggehn, ſchon begoſſen, und friſchen Salat in die Luͤcken nachgepflanzt hat- te, und lobte ihren Fleiß. Die Blumen duͤfteten ihr ſuͤſſer, weil ſie die Freude ſah, die ihr Vater druͤber hatte. Jch denke, wir eſſen heut in der Laube, ſagte der alte Siegwart; der Abend iſt lau und angenehm, und wir koͤnnen hier die Nach- tigall aus dem Gebuͤſch beſſer hoͤren. Xaver gieng auf ſein Zimmer, packte ſeine Buͤcher aus, und gruͤßte ſeinen aͤltern Bruder Karl, der noch am Schreibtiſche ſaß, und ihm einen kalten unfreund-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/125>, abgerufen am 30.04.2024.