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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Kronhelm. So thut mirs Leid, daß mein
Gesicht trügt! Denn ich möchte Jhnen nicht miß-
fallen.

Regina. Mißfallen! Wer spricht auch gleich
davon? Aber, Kronhelm! Sie sollten mehr
wünschen, als mir nur nicht zu mißfallen! --
Verzeihen Sie, ich hab schon zuviel geredt; Jch
bin eben ein Landmädchen; und die verstehen srey-
lich so das Feine nicht.

Kronhelm. Jch verstehe Sie nicht, gnädi-
ges Fräulein!

Regina. Nicht? nun so kann ich nicht da-
für. -- So bedauren Sie mich!

Und nun gieng sie weg, und weinte. Sieg-
wart
stand ganz betroffen da, und sah Kronhelm
an. Er wuste sich in sein Betragen schlechter-
dings nicht zu finden. Das Fräulein bückte sich;
brach ein paar Tausendschönchen ab; hielt sie fest
zusammen, sah sie staar an, und zerriß sie dann
plötzlich. Kronhelm gieng allein einen Gang hin-
auf, Siegwart stand da, und wuste nicht, ob er
gehen, oder bleiben sollte? Endlich kam Regine
wieder zu ihm, sprach mit ihm von seiner Schwester;
und vom Kloster, daß es da so traurig sey; über-
haupt, sagte sie, sind wir Mädchen die elendesten Ge-



Kronhelm. So thut mirs Leid, daß mein
Geſicht truͤgt! Denn ich moͤchte Jhnen nicht miß-
fallen.

Regina. Mißfallen! Wer ſpricht auch gleich
davon? Aber, Kronhelm! Sie ſollten mehr
wuͤnſchen, als mir nur nicht zu mißfallen! —
Verzeihen Sie, ich hab ſchon zuviel geredt; Jch
bin eben ein Landmaͤdchen; und die verſtehen ſrey-
lich ſo das Feine nicht.

Kronhelm. Jch verſtehe Sie nicht, gnaͤdi-
ges Fraͤulein!

Regina. Nicht? nun ſo kann ich nicht da-
fuͤr. — So bedauren Sie mich!

Und nun gieng ſie weg, und weinte. Sieg-
wart
ſtand ganz betroffen da, und ſah Kronhelm
an. Er wuſte ſich in ſein Betragen ſchlechter-
dings nicht zu finden. Das Fraͤulein buͤckte ſich;
brach ein paar Tauſendſchoͤnchen ab; hielt ſie feſt
zuſammen, ſah ſie ſtaar an, und zerriß ſie dann
ploͤtzlich. Kronhelm gieng allein einen Gang hin-
auf, Siegwart ſtand da, und wuſte nicht, ob er
gehen, oder bleiben ſollte? Endlich kam Regine
wieder zu ihm, ſprach mit ihm von ſeiner Schweſter;
und vom Kloſter, daß es da ſo traurig ſey; uͤber-
haupt, ſagte ſie, ſind wir Maͤdchen die elendeſten Ge-

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[287/0291] Kronhelm. So thut mirs Leid, daß mein Geſicht truͤgt! Denn ich moͤchte Jhnen nicht miß- fallen. Regina. Mißfallen! Wer ſpricht auch gleich davon? Aber, Kronhelm! Sie ſollten mehr wuͤnſchen, als mir nur nicht zu mißfallen! — Verzeihen Sie, ich hab ſchon zuviel geredt; Jch bin eben ein Landmaͤdchen; und die verſtehen ſrey- lich ſo das Feine nicht. Kronhelm. Jch verſtehe Sie nicht, gnaͤdi- ges Fraͤulein! Regina. Nicht? nun ſo kann ich nicht da- fuͤr. — So bedauren Sie mich! Und nun gieng ſie weg, und weinte. Sieg- wart ſtand ganz betroffen da, und ſah Kronhelm an. Er wuſte ſich in ſein Betragen ſchlechter- dings nicht zu finden. Das Fraͤulein buͤckte ſich; brach ein paar Tauſendſchoͤnchen ab; hielt ſie feſt zuſammen, ſah ſie ſtaar an, und zerriß ſie dann ploͤtzlich. Kronhelm gieng allein einen Gang hin- auf, Siegwart ſtand da, und wuſte nicht, ob er gehen, oder bleiben ſollte? Endlich kam Regine wieder zu ihm, ſprach mit ihm von ſeiner Schweſter; und vom Kloſter, daß es da ſo traurig ſey; uͤber- haupt, ſagte ſie, ſind wir Maͤdchen die elendeſten Ge-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/291>, abgerufen am 15.05.2024.