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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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sein Ende beständig um ihn war, kann mir nicht
genug erzählen, wie standhaft er gelitten, und wie
rührend und christlich er gestorben ist. Jch und
der Hauptmann Northern weinten den ganzen
Abend, als ers mir erzählte. Er hat auch sein
Portrait in der Dose, der Mann sieht so edel
und menschenfreundlich aus, wie seine Gedichte.
Wie muste ich weinen, als ich seinen Wunsch las,
der ihm leider nur zu früh erfüllt worden ist:

-- -- Wie gern sterb ich ihn auch
Den edeln Tod, wenn mein Verhängnis
ruft!
Und: Auch ich, ich werde noch -- -- Vergönn
es mir, o Himmel! -- --
Einher vor wenig Helden ziehn.
Jch seh dich, stolzer Feind! Den kleinen
Haufen fliehn,
Und find Ehr oder Tod im rasenden Ge-
tümmel.

Lies ihn, Bruder, du wirst fast sonst in kei-
nem Dichter so viel schöne Gemälde, so viel mensch-
liche Empfindung, die aus dem besten Herzen
strömt, antreffen! Ein andrer Officier hat mir



ſein Ende beſtaͤndig um ihn war, kann mir nicht
genug erzaͤhlen, wie ſtandhaft er gelitten, und wie
ruͤhrend und chriſtlich er geſtorben iſt. Jch und
der Hauptmann Northern weinten den ganzen
Abend, als ers mir erzaͤhlte. Er hat auch ſein
Portrait in der Doſe, der Mann ſieht ſo edel
und menſchenfreundlich aus, wie ſeine Gedichte.
Wie muſte ich weinen, als ich ſeinen Wunſch las,
der ihm leider nur zu fruͤh erfuͤllt worden iſt:

— — Wie gern ſterb ich ihn auch
Den edeln Tod, wenn mein Verhaͤngnis
ruft!
Und: Auch ich, ich werde noch — — Vergoͤnn
es mir, o Himmel! — —
Einher vor wenig Helden ziehn.
Jch ſeh dich, ſtolzer Feind! Den kleinen
Haufen fliehn,
Und find Ehr oder Tod im raſenden Ge-
tuͤmmel.

Lies ihn, Bruder, du wirſt faſt ſonſt in kei-
nem Dichter ſo viel ſchoͤne Gemaͤlde, ſo viel menſch-
liche Empfindung, die aus dem beſten Herzen
ſtroͤmt, antreffen! Ein andrer Officier hat mir

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[332/0336] ſein Ende beſtaͤndig um ihn war, kann mir nicht genug erzaͤhlen, wie ſtandhaft er gelitten, und wie ruͤhrend und chriſtlich er geſtorben iſt. Jch und der Hauptmann Northern weinten den ganzen Abend, als ers mir erzaͤhlte. Er hat auch ſein Portrait in der Doſe, der Mann ſieht ſo edel und menſchenfreundlich aus, wie ſeine Gedichte. Wie muſte ich weinen, als ich ſeinen Wunſch las, der ihm leider nur zu fruͤh erfuͤllt worden iſt: — — Wie gern ſterb ich ihn auch Den edeln Tod, wenn mein Verhaͤngnis ruft! Und: Auch ich, ich werde noch — — Vergoͤnn es mir, o Himmel! — — Einher vor wenig Helden ziehn. Jch ſeh dich, ſtolzer Feind! Den kleinen Haufen fliehn, Und find Ehr oder Tod im raſenden Ge- tuͤmmel. Lies ihn, Bruder, du wirſt faſt ſonſt in kei- nem Dichter ſo viel ſchoͤne Gemaͤlde, ſo viel menſch- liche Empfindung, die aus dem beſten Herzen ſtroͤmt, antreffen! Ein andrer Officier hat mir

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/336>, abgerufen am 13.05.2024.