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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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sen arbeiteten, Hauffenweis herbeygesprungen kamen,
und den Pater, den sie alle liebten, um den Seegen
baten. Jeder blieb mit seiner Harke, oder was er
sonst in der Hand hatte, stehen, oder sprang herbey,
und grüßte den Ehrwürdigen Vater mit der grösten
schwäbischen Treuherzigkeit. Andre baten ihn, in
ihrem Hause einzukehren, und sprangen voraus,
um mit allem Vorrath aufzuwarten, den sie hatten.
Sie grüßten alle auch den jungen Siegwart, den
sie kannten, weil er aus der Nachbarschaft war,
und sahen sich vergnügt und einander zulächelnd
an, daß ihm P. Anton so freundlich begegnete,
wie ein Vater seinem Sohn. Dieser machte ihm
die Freude, und ließ ihn die Gemälde von Heili-
gen unter die Bauerkinder austheilen, die ihn da-
rum baten. Er fühlte das innerste Vergnügen
drüber, wie die Kinder sich verneigten, das Ge-
schenk ansahen, und dann mit froher Eile ihren
Eltern zuflogen und sie sehen liessen, was der Ehr-
würdige Pater, und der junge Herr ihnen schönes
geschenkt habe.

Während daß die Dorfglocke zum Allmosen-
geben geläutet wurde, sprang eine Bäurinn mit
zerrissnen Haaren und verweinten Augen aus der
Hütte heraus, um dem Pater ihre Noth vorzutra-



ſen arbeiteten, Hauffenweis herbeygeſprungen kamen,
und den Pater, den ſie alle liebten, um den Seegen
baten. Jeder blieb mit ſeiner Harke, oder was er
ſonſt in der Hand hatte, ſtehen, oder ſprang herbey,
und gruͤßte den Ehrwuͤrdigen Vater mit der groͤſten
ſchwaͤbiſchen Treuherzigkeit. Andre baten ihn, in
ihrem Hauſe einzukehren, und ſprangen voraus,
um mit allem Vorrath aufzuwarten, den ſie hatten.
Sie gruͤßten alle auch den jungen Siegwart, den
ſie kannten, weil er aus der Nachbarſchaft war,
und ſahen ſich vergnuͤgt und einander zulaͤchelnd
an, daß ihm P. Anton ſo freundlich begegnete,
wie ein Vater ſeinem Sohn. Dieſer machte ihm
die Freude, und ließ ihn die Gemaͤlde von Heili-
gen unter die Bauerkinder austheilen, die ihn da-
rum baten. Er fuͤhlte das innerſte Vergnuͤgen
druͤber, wie die Kinder ſich verneigten, das Ge-
ſchenk anſahen, und dann mit froher Eile ihren
Eltern zuflogen und ſie ſehen lieſſen, was der Ehr-
wuͤrdige Pater, und der junge Herr ihnen ſchoͤnes
geſchenkt habe.

Waͤhrend daß die Dorfglocke zum Allmoſen-
geben gelaͤutet wurde, ſprang eine Baͤurinn mit
zerriſſnen Haaren und verweinten Augen aus der
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[53/0057] ſen arbeiteten, Hauffenweis herbeygeſprungen kamen, und den Pater, den ſie alle liebten, um den Seegen baten. Jeder blieb mit ſeiner Harke, oder was er ſonſt in der Hand hatte, ſtehen, oder ſprang herbey, und gruͤßte den Ehrwuͤrdigen Vater mit der groͤſten ſchwaͤbiſchen Treuherzigkeit. Andre baten ihn, in ihrem Hauſe einzukehren, und ſprangen voraus, um mit allem Vorrath aufzuwarten, den ſie hatten. Sie gruͤßten alle auch den jungen Siegwart, den ſie kannten, weil er aus der Nachbarſchaft war, und ſahen ſich vergnuͤgt und einander zulaͤchelnd an, daß ihm P. Anton ſo freundlich begegnete, wie ein Vater ſeinem Sohn. Dieſer machte ihm die Freude, und ließ ihn die Gemaͤlde von Heili- gen unter die Bauerkinder austheilen, die ihn da- rum baten. Er fuͤhlte das innerſte Vergnuͤgen druͤber, wie die Kinder ſich verneigten, das Ge- ſchenk anſahen, und dann mit froher Eile ihren Eltern zuflogen und ſie ſehen lieſſen, was der Ehr- wuͤrdige Pater, und der junge Herr ihnen ſchoͤnes geſchenkt habe. Waͤhrend daß die Dorfglocke zum Allmoſen- geben gelaͤutet wurde, ſprang eine Baͤurinn mit zerriſſnen Haaren und verweinten Augen aus der Huͤtte heraus, um dem Pater ihre Noth vorzutra-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/57>, abgerufen am 30.04.2024.