Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


und Kunst/ die vielfältige Wercke GOttes zu be-
trachten und kennen zu lernen; und denn den Schö-
pfer aller Dinge in Demuth darüber an allen Orten
zu preisen. Auch in der Medicin mich mehr und mehr
zu perfectioniren: als welchen Nutzen ich hauptsäch-
lich auf meinen Reisen intendiret und gesuchet habe.
Alamodan. Eben dieses kann man ja auch wohl
aus dem Lesen guter Bücher haben: als aus Reise-
Beschreibungen/ Historien-Bücher und andern/
welche in allerley Künsten und Wissenschafften
häuffig am Tage liegen.
Modestin. Jch kenne des Herrn Theogenes ha-
meur
wohl. Er läst sich nicht gern mit Bildern und
Worten abspeisen: als welche öfters ausser der
Phantasie und dem Munde oder der Feder dessen der
sie spricht oder schreibet/ wenig Grund haben. Son-
dern er will gerne von der Wahrheit der Sachen/
durch eigene Erfahrung vergewissert seyn. Es ist
zwar nicht zu läugnen/ daß das studium historicum
eines der anmuthigsten und nützlichsien seye: indem
dadurch abwesende und vergangene Dinge dem Ge-
müthe als gegenwärtig vorgestellet werden; und
gantz unbekannte Sachen zu unserer Kundschafft
gelangen. Es ist aber auch nicht zu läugnen: daß
die Besichtigung verschiedener Landschafften und Na-
tivnen ihre Anmuth/ und weit lebendlgern Eindruck
als die blosse Historien oder Beschreibungen davon
haben. Uber diß ist auch gewiß/ daß viele Ge-
schichte und Reise Beschreibungen/ sehr partheyisch/
mit vielen Lügen und falschen Dingen gespickt sind.
Nicander. Jn specie, was die Sitten/ Ge-
bräuche/


und Kunſt/ die vielfaͤltige Wercke GOttes zu be-
trachten und kennen zu lernen; und denn den Schoͤ-
pfer aller Dinge in Demuth daruͤber an allen Orten
zu preiſen. Auch in der Medicin mich mehr und mehr
zu perfectioniren: als welchen Nutzen ich hauptſaͤch-
lich auf meinen Reiſen intendiret und geſuchet habe.
Alamodan. Eben dieſes kann man ja auch wohl
aus dem Leſen guter Buͤcher haben: als aus Reiſe-
Beſchreibungen/ Hiſtorien-Buͤcher und andern/
welche in allerley Kuͤnſten und Wiſſenſchafften
haͤuffig am Tage liegen.
Modeſtin. Jch kenne des Herrn Theogenes ha-
meur
wohl. Er laͤſt ſich nicht gern mit Bildern und
Worten abſpeiſen: als welche oͤfters auſſer der
Phantaſie und dem Munde oder der Feder deſſen der
ſie ſpricht oder ſchreibet/ wenig Grund haben. Son-
dern er will gerne von der Wahrheit der Sachen/
durch eigene Erfahrung vergewiſſert ſeyn. Es iſt
zwar nicht zu laͤugnen/ daß das ſtudium hiſtoricum
eines der anmuthigſten und nuͤtzlichſien ſeye: indem
dadurch abweſende und vergangene Dinge dem Ge-
muͤthe als gegenwaͤrtig vorgeſtellet werden; und
gantz unbekannte Sachen zu unſerer Kundſchafft
gelangen. Es iſt aber auch nicht zu laͤugnen: daß
die Beſichtigung verſchiedener Landſchafften und Na-
tivnen ihre Anmuth/ und weit lebendlgern Eindruck
als die bloſſe Hiſtorien oder Beſchreibungen davon
haben. Uber diß iſt auch gewiß/ daß viele Ge-
ſchichte und Reiſe Beſchreibungen/ ſehr partheyiſch/
mit vielen Luͤgen und falſchen Dingen geſpickt ſind.
Nicander. Jn ſpecie, was die Sitten/ Ge-
braͤuche/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0108" n="102"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
und Kun&#x017F;t/ die vielfa&#x0364;ltige Wercke GOttes zu be-<lb/>
trachten und kennen zu lernen; und denn den Scho&#x0364;-<lb/>
pfer aller Dinge in Demuth daru&#x0364;ber an allen Orten<lb/>
zu prei&#x017F;en. Auch in der <hi rendition="#aq">Medicin</hi> mich mehr und mehr<lb/>
zu <hi rendition="#aq">perfectioni</hi>ren: als welchen Nutzen ich haupt&#x017F;a&#x0364;ch-<lb/>
lich auf meinen Rei&#x017F;en <hi rendition="#aq">intendi</hi>ret und ge&#x017F;uchet habe.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Eben die&#x017F;es kann man ja auch wohl<lb/>
aus dem Le&#x017F;en guter Bu&#x0364;cher haben: als aus Rei&#x017F;e-<lb/>
Be&#x017F;chreibungen/ Hi&#x017F;torien-Bu&#x0364;cher und andern/<lb/>
welche in allerley Ku&#x0364;n&#x017F;ten und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften<lb/>
ha&#x0364;uffig am Tage liegen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch kenne des Herrn <hi rendition="#aq">Theogenes ha-<lb/>
meur</hi> wohl. Er la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich nicht gern mit Bildern und<lb/>
Worten ab&#x017F;pei&#x017F;en: als welche o&#x0364;fters au&#x017F;&#x017F;er der<lb/><hi rendition="#aq">Phanta&#x017F;ie</hi> und dem Munde oder der Feder de&#x017F;&#x017F;en der<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;pricht oder &#x017F;chreibet/ wenig Grund haben. Son-<lb/>
dern er will gerne von der Wahrheit der Sachen/<lb/>
durch eigene Erfahrung vergewi&#x017F;&#x017F;ert &#x017F;eyn. Es i&#x017F;t<lb/>
zwar nicht zu la&#x0364;ugnen/ daß das <hi rendition="#aq">&#x017F;tudium hi&#x017F;toricum</hi><lb/>
eines der anmuthig&#x017F;ten und nu&#x0364;tzlich&#x017F;ien &#x017F;eye: indem<lb/>
dadurch abwe&#x017F;ende und vergangene Dinge dem Ge-<lb/>
mu&#x0364;the als gegenwa&#x0364;rtig vorge&#x017F;tellet werden; und<lb/>
gantz unbekannte Sachen zu un&#x017F;erer Kund&#x017F;chafft<lb/>
gelangen. Es i&#x017F;t aber auch nicht zu la&#x0364;ugnen: daß<lb/>
die Be&#x017F;ichtigung ver&#x017F;chiedener Land&#x017F;chafften und Na-<lb/>
tivnen ihre Anmuth/ und weit lebendlgern Eindruck<lb/>
als die blo&#x017F;&#x017F;e Hi&#x017F;torien oder Be&#x017F;chreibungen davon<lb/>
haben. Uber diß i&#x017F;t auch gewiß/ daß viele Ge-<lb/>
&#x017F;chichte und Rei&#x017F;e Be&#x017F;chreibungen/ &#x017F;ehr partheyi&#x017F;ch/<lb/>
mit vielen Lu&#x0364;gen und fal&#x017F;chen Dingen ge&#x017F;pickt &#x017F;ind.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jn <hi rendition="#aq">&#x017F;pecie,</hi> was die Sitten/ Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bra&#x0364;uche/</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0108] und Kunſt/ die vielfaͤltige Wercke GOttes zu be- trachten und kennen zu lernen; und denn den Schoͤ- pfer aller Dinge in Demuth daruͤber an allen Orten zu preiſen. Auch in der Medicin mich mehr und mehr zu perfectioniren: als welchen Nutzen ich hauptſaͤch- lich auf meinen Reiſen intendiret und geſuchet habe. Alamodan. Eben dieſes kann man ja auch wohl aus dem Leſen guter Buͤcher haben: als aus Reiſe- Beſchreibungen/ Hiſtorien-Buͤcher und andern/ welche in allerley Kuͤnſten und Wiſſenſchafften haͤuffig am Tage liegen. Modeſtin. Jch kenne des Herrn Theogenes ha- meur wohl. Er laͤſt ſich nicht gern mit Bildern und Worten abſpeiſen: als welche oͤfters auſſer der Phantaſie und dem Munde oder der Feder deſſen der ſie ſpricht oder ſchreibet/ wenig Grund haben. Son- dern er will gerne von der Wahrheit der Sachen/ durch eigene Erfahrung vergewiſſert ſeyn. Es iſt zwar nicht zu laͤugnen/ daß das ſtudium hiſtoricum eines der anmuthigſten und nuͤtzlichſien ſeye: indem dadurch abweſende und vergangene Dinge dem Ge- muͤthe als gegenwaͤrtig vorgeſtellet werden; und gantz unbekannte Sachen zu unſerer Kundſchafft gelangen. Es iſt aber auch nicht zu laͤugnen: daß die Beſichtigung verſchiedener Landſchafften und Na- tivnen ihre Anmuth/ und weit lebendlgern Eindruck als die bloſſe Hiſtorien oder Beſchreibungen davon haben. Uber diß iſt auch gewiß/ daß viele Ge- ſchichte und Reiſe Beſchreibungen/ ſehr partheyiſch/ mit vielen Luͤgen und falſchen Dingen geſpickt ſind. Nicander. Jn ſpecie, was die Sitten/ Ge- braͤuche/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/108
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/108>, abgerufen am 29.04.2024.