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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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vor; welche aber mehr zu wünschen als zu hoffen
stehen. Denn erstlich sind dergleichen Regenten
etwas rar; und möchte wohl in manchem Seculo
kaum einer oder zween zu finden seyn. Zum andern/
wenn auch schon ein so weiser Gottfürchtender Re-
gente sich finden: wo krieget er dergleichen Räthe/
Bediente und Beamten her? Die wird man wohl
zum Theil in Utopia suchen müssen. Auff dieser
Welt findet man nichts vollkommenes.
Modestin Jch muß bekennen: wenn ich die Christ-
liche Sitten-Lehre/ und eine darauff gegründete
Policey und Regierung betrachte/ ich ein solches
Volck unter einem solchen Regiment recht glücklich
schätzen müsse. Da man aber in Europa (allwo
die Christliche Religion dem Nahmen nach floriret)
dergleichen doch wenig findet: Weiß ich nicht/ ob
diejenige Americaner/ welche mit denen Europäern
noch wenig oder gar keine Gemeinschafft haben/
nicht eben so glücklich/ wo nicht in manchen Stü-
cken glücklicher als die meiste Europäer sind. We-
nigstens werden sie nicht so vom Geitz/ Neid/ Hoch-
muth und andern Affecten geplaget.
Theogenes. Mein werther Freund! es wäre von
dergleichen Sachen vieles zu sagen: sed non omnes
capiunt.
Der Glaube welcher die Welt und welt-
liche Lüste besieget; und in der Liebe thätig ist; ist
nicht jedermanns Ding. Wo es auf ein HErr HErr
sagen ankäme: würde die Welt voller Christen seyn.
Wenn es aber heisset: allem absagen/ sich selbst ver-
läugnen/ seine Lüsten und Begierden kreutzigen/ in
einem neuen Leben vor GOtt wandeln; so fassen die-
ses


vor; welche aber mehr zu wuͤnſchen als zu hoffen
ſtehen. Denn erſtlich ſind dergleichen Regenten
etwas rar; und moͤchte wohl in manchem Seculo
kaum einer oder zween zu finden ſeyn. Zum andern/
wenn auch ſchon ein ſo weiſer Gottfuͤrchtender Re-
gente ſich finden: wo krieget er dergleichen Raͤthe/
Bediente und Beamten her? Die wird man wohl
zum Theil in Utopia ſuchen muͤſſen. Auff dieſer
Welt findet man nichts vollkommenes.
Modeſtin Jch muß bekennen: wenn ich die Chriſt-
liche Sitten-Lehre/ und eine darauff gegruͤndete
Policey und Regierung betrachte/ ich ein ſolches
Volck unter einem ſolchen Regiment recht gluͤcklich
ſchaͤtzen muͤſſe. Da man aber in Europa (allwo
die Chriſtliche Religion dem Nahmen nach floriret)
dergleichen doch wenig findet: Weiß ich nicht/ ob
diejenige Americaner/ welche mit denen Europaͤern
noch wenig oder gar keine Gemeinſchafft haben/
nicht eben ſo gluͤcklich/ wo nicht in manchen Stuͤ-
cken gluͤcklicher als die meiſte Europaͤer ſind. We-
nigſtens werden ſie nicht ſo vom Geitz/ Neid/ Hoch-
muth und andern Affecten geplaget.
Theogenes. Mein werther Freund! es waͤre von
dergleichen Sachen vieles zu ſagen: ſed non omnes
capiunt.
Der Glaube welcher die Welt und welt-
liche Luͤſte beſieget; und in der Liebe thaͤtig iſt; iſt
nicht jedermanns Ding. Wo es auf ein HErr HErr
ſagen ankaͤme: wuͤrde die Welt voller Chriſten ſeyn.
Wenn es aber heiſſet: allem abſagen/ ſich ſelbſt ver-
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[118/0124] vor; welche aber mehr zu wuͤnſchen als zu hoffen ſtehen. Denn erſtlich ſind dergleichen Regenten etwas rar; und moͤchte wohl in manchem Seculo kaum einer oder zween zu finden ſeyn. Zum andern/ wenn auch ſchon ein ſo weiſer Gottfuͤrchtender Re- gente ſich finden: wo krieget er dergleichen Raͤthe/ Bediente und Beamten her? Die wird man wohl zum Theil in Utopia ſuchen muͤſſen. Auff dieſer Welt findet man nichts vollkommenes. Modeſtin Jch muß bekennen: wenn ich die Chriſt- liche Sitten-Lehre/ und eine darauff gegruͤndete Policey und Regierung betrachte/ ich ein ſolches Volck unter einem ſolchen Regiment recht gluͤcklich ſchaͤtzen muͤſſe. Da man aber in Europa (allwo die Chriſtliche Religion dem Nahmen nach floriret) dergleichen doch wenig findet: Weiß ich nicht/ ob diejenige Americaner/ welche mit denen Europaͤern noch wenig oder gar keine Gemeinſchafft haben/ nicht eben ſo gluͤcklich/ wo nicht in manchen Stuͤ- cken gluͤcklicher als die meiſte Europaͤer ſind. We- nigſtens werden ſie nicht ſo vom Geitz/ Neid/ Hoch- muth und andern Affecten geplaget. Theogenes. Mein werther Freund! es waͤre von dergleichen Sachen vieles zu ſagen: ſed non omnes capiunt. Der Glaube welcher die Welt und welt- liche Luͤſte beſieget; und in der Liebe thaͤtig iſt; iſt nicht jedermanns Ding. Wo es auf ein HErr HErr ſagen ankaͤme: wuͤrde die Welt voller Chriſten ſeyn. Wenn es aber heiſſet: allem abſagen/ ſich ſelbſt ver- laͤugnen/ ſeine Luͤſten und Begierden kreutzigen/ in einem neuen Leben vor GOtt wandeln; ſo faſſen die- ſes

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/124>, abgerufen am 29.04.2024.