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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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das Reich GOttes, das ist, Gerechtigkeit, Frie-
de und Freude
im Heiligen Geiste, sich in ihnen
befände und bezeugete. Alleine, alleine! Wer siehet
nicht den mächtigen Unterscheid zwischen dem Nah-
men und der Sache selbst. Zudeme, wo stehet es
geschrieben? daß GOTT der HErr nicht eben so
kräfftig heute als vor zwey und mehr tausend Jah-
ren sich in und unter denen Seinigen erweise? ist
etwa dessen Hand verkürtzet oder veraltet? will er
nicht mehr in denen Gläubigen wohnen und
wandeln? nach seiner Verheissung, und soll man
es etwa nicht erkennen und entscheiden können: wo
GOtt oder böse Geister ihre Herberge und Woh-
nung haben?
Alamodan. Mein Herr, seine Reden kommen mir
etwas Enthusiastisch und Quackerisch vor.
Modestin. Mein guter Herr Alamodan! ich weiß
gar wohl, daß diejenige, welche den Grund der
wahren Religion mehr im Kopf als im Hertzen
suchen und setzen; mehr in Ideaen, Bildern und Mei-
nungen als Sinnes-Veränderung und wahren
durch die Liebe thätigen Glauben und Vertrauen
auf GOtt, mit dergleichen und andern verketzernden
Ehrentituln gar freygebig sind. Es ist und bleibet
aber in heiliger Schrifft eine ausgemachte Sache:
daß wer Christi Geist nicht in sich wirckend hat;
wem der Geist GOttes nicht, sondern der Welt-
Geist in Fleisches-Lust, Augen-Lust und hoffärtigem
Leben treibet, der ist kein Christ; wenn er auch noch
so schöne Ideaen, Bilder und Glaubens-Meinungen
in seinem Hirn-Kasten gefasset hätte: Und den
Spruch:
D 4


das Reich GOttes, das iſt, Gerechtigkeit, Frie-
de und Freude
im Heiligen Geiſte, ſich in ihnen
befaͤnde und bezeugete. Alleine, alleine! Wer ſiehet
nicht den maͤchtigen Unterſcheid zwiſchen dem Nah-
men und der Sache ſelbſt. Zudeme, wo ſtehet es
geſchrieben? daß GOTT der HErr nicht eben ſo
kraͤfftig heute als vor zwey und mehr tauſend Jah-
ren ſich in und unter denen Seinigen erweiſe? iſt
etwa deſſen Hand verkuͤrtzet oder veraltet? will er
nicht mehr in denen Glaͤubigen wohnen und
wandeln? nach ſeiner Verheiſſung, und ſoll man
es etwa nicht erkennen und entſcheiden koͤnnen: wo
GOtt oder boͤſe Geiſter ihre Herberge und Woh-
nung haben?
Alamodan. Mein Herr, ſeine Reden kommen mir
etwas Enthuſiaſtiſch und Quackeriſch vor.
Modeſtin. Mein guter Herr Alamodan! ich weiß
gar wohl, daß diejenige, welche den Grund der
wahren Religion mehr im Kopf als im Hertzen
ſuchen und ſetzen; mehr in Ideæn, Bildern und Mei-
nungen als Sinnes-Veraͤnderung und wahren
durch die Liebe thaͤtigen Glauben und Vertrauen
auf GOtt, mit dergleichen und andern verketzernden
Ehrentituln gar freygebig ſind. Es iſt und bleibet
aber in heiliger Schrifft eine ausgemachte Sache:
daß wer Chriſti Geiſt nicht in ſich wirckend hat;
wem der Geiſt GOttes nicht, ſondern der Welt-
Geiſt in Fleiſches-Luſt, Augen-Luſt und hoffaͤrtigem
Leben treibet, der iſt kein Chriſt; wenn er auch noch
ſo ſchoͤne Ideæn, Bilder und Glaubens-Meinungen
in ſeinem Hirn-Kaſten gefaſſet haͤtte: Und den
Spruch:
D 4
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[55/0061] das Reich GOttes, das iſt, Gerechtigkeit, Frie- de und Freude im Heiligen Geiſte, ſich in ihnen befaͤnde und bezeugete. Alleine, alleine! Wer ſiehet nicht den maͤchtigen Unterſcheid zwiſchen dem Nah- men und der Sache ſelbſt. Zudeme, wo ſtehet es geſchrieben? daß GOTT der HErr nicht eben ſo kraͤfftig heute als vor zwey und mehr tauſend Jah- ren ſich in und unter denen Seinigen erweiſe? iſt etwa deſſen Hand verkuͤrtzet oder veraltet? will er nicht mehr in denen Glaͤubigen wohnen und wandeln? nach ſeiner Verheiſſung, und ſoll man es etwa nicht erkennen und entſcheiden koͤnnen: wo GOtt oder boͤſe Geiſter ihre Herberge und Woh- nung haben? Alamodan. Mein Herr, ſeine Reden kommen mir etwas Enthuſiaſtiſch und Quackeriſch vor. Modeſtin. Mein guter Herr Alamodan! ich weiß gar wohl, daß diejenige, welche den Grund der wahren Religion mehr im Kopf als im Hertzen ſuchen und ſetzen; mehr in Ideæn, Bildern und Mei- nungen als Sinnes-Veraͤnderung und wahren durch die Liebe thaͤtigen Glauben und Vertrauen auf GOtt, mit dergleichen und andern verketzernden Ehrentituln gar freygebig ſind. Es iſt und bleibet aber in heiliger Schrifft eine ausgemachte Sache: daß wer Chriſti Geiſt nicht in ſich wirckend hat; wem der Geiſt GOttes nicht, ſondern der Welt- Geiſt in Fleiſches-Luſt, Augen-Luſt und hoffaͤrtigem Leben treibet, der iſt kein Chriſt; wenn er auch noch ſo ſchoͤne Ideæn, Bilder und Glaubens-Meinungen in ſeinem Hirn-Kaſten gefaſſet haͤtte: Und den Spruch: D 4

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/61>, abgerufen am 08.05.2024.