Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


recht; es ist auch die Göttliche Ordnung in tiefester
Demuth zu verehren; und denen Obern billig im
äussern allen Gehorsam zu leisten. Und was solche
Obere betrifft/ welche sich als Amptleute und sub-
ordinir
te unter GOtt betrachten; und gegen ihre
Unterthanen so aufführen/ die werden auch nichts
leichtsinnig unternehmen/ welches mit dem Willen
ihres Souverainen streitet. Solche Unterthanen sind
sehr glücklich zu schätzen/ welche dergleichen Herren
haben/ die sich nicht als eigenmächtige und eigen-
sinnige Tyrannen aufführen: sondern einen GOtt
über sich erkennen/ welchem sie von ihrem Regiment
Rechenschafft zu geben alle Augenblick bereit sind;
auch sind solche Herren aller Liebe und Ehren werth.
Nicander. Alleine mein werther Herr Modestin,
da die Christliche Religion nach denen Befehien ih-
res HErrn JEsu Christi erfordert: sich selbst zu
verläugnen/ Gewalt mit Gewalt nicht zu vertreiben;
sondern dem/ der dich auff den einen Backen schläget/
den andern auch darzuhalten; und dem der den
Mantel nehmen will/ auch den Rock fahren zu las-
sen/ welches der Natur gantz zuwider ist; so halte
ich die natürliche Religion vor viel besser und raiso-
nabler,
als diese Befehle.
Alamodan. Diese Dinge streiten nicht miteinan-
der; und ist der Zweck Christi nicht/ daß alle Ge-
walt sollte auffgehoben werden; sondern er will nur/
daß man sich selbst nicht rächen/ die Sache aber der
Obrigkeit übergeben und zu decidiren überlassen soll.
Modestin. Der Herr Nicander sagte in seinem ge-
machten Einwurffe/ daß die Verläugnung seiner
Selbst
E 2


recht; es iſt auch die Goͤttliche Ordnung in tiefeſter
Demuth zu verehren; und denen Obern billig im
aͤuſſern allen Gehorſam zu leiſten. Und was ſolche
Obere betrifft/ welche ſich als Amptleute und ſub-
ordinir
te unter GOtt betrachten; und gegen ihre
Unterthanen ſo auffuͤhren/ die werden auch nichts
leichtſinnig unternehmen/ welches mit dem Willen
ihres Souverainen ſtreitet. Solche Unterthanen ſind
ſehr gluͤcklich zu ſchaͤtzen/ welche dergleichen Herren
haben/ die ſich nicht als eigenmaͤchtige und eigen-
ſinnige Tyrannen auffuͤhren: ſondern einen GOtt
uͤber ſich erkennen/ welchem ſie von ihrem Regiment
Rechenſchafft zu geben alle Augenblick bereit ſind;
auch ſind ſolche Herren aller Liebe und Ehren werth.
Nicander. Alleine mein werther Herr Modeſtin,
da die Chriſtliche Religion nach denen Befehien ih-
res HErrn JEſu Chriſti erfordert: ſich ſelbſt zu
verlaͤugnen/ Gewalt mit Gewalt nicht zu vertreiben;
ſondern dem/ der dich auff den einen Backen ſchlaͤget/
den andern auch darzuhalten; und dem der den
Mantel nehmen will/ auch den Rock fahren zu laſ-
ſen/ welches der Natur gantz zuwider iſt; ſo halte
ich die natuͤrliche Religion vor viel beſſer und raiſo-
nabler,
als dieſe Befehle.
Alamodan. Dieſe Dinge ſtreiten nicht miteinan-
der; und iſt der Zweck Chriſti nicht/ daß alle Ge-
walt ſollte auffgehoben werden; ſondern er will nur/
daß man ſich ſelbſt nicht raͤchen/ die Sache aber der
Obrigkeit uͤbergeben und zu decidiren uͤberlaſſen ſoll.
Modeſtin. Der Herr Nicander ſagte in ſeinem ge-
machten Einwurffe/ daß die Verlaͤugnung ſeiner
Selbſt
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0073" n="67"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
recht; es i&#x017F;t auch die Go&#x0364;ttliche Ordnung in tiefe&#x017F;ter<lb/>
Demuth zu verehren; und denen Obern billig im<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern allen Gehor&#x017F;am zu lei&#x017F;ten. Und was &#x017F;olche<lb/>
Obere betrifft/ welche &#x017F;ich als Amptleute und <hi rendition="#aq">&#x017F;ub-<lb/>
ordinir</hi>te <hi rendition="#fr">unter GOtt</hi> betrachten; und gegen ihre<lb/>
Unterthanen &#x017F;o auffu&#x0364;hren/ die werden auch nichts<lb/>
leicht&#x017F;innig unternehmen/ welches mit dem Willen<lb/>
ihres <hi rendition="#aq">Souverain</hi>en &#x017F;treitet. Solche Unterthanen &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ehr glu&#x0364;cklich zu &#x017F;cha&#x0364;tzen/ welche dergleichen Herren<lb/>
haben/ die &#x017F;ich nicht als eigenma&#x0364;chtige und eigen-<lb/>
&#x017F;innige Tyrannen auffu&#x0364;hren: &#x017F;ondern einen GOtt<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ich erkennen/ welchem &#x017F;ie von ihrem Regiment<lb/>
Rechen&#x017F;chafft zu geben alle Augenblick bereit &#x017F;ind;<lb/>
auch &#x017F;ind &#x017F;olche Herren aller Liebe und Ehren werth.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Alleine mein werther Herr <hi rendition="#aq">Mode&#x017F;tin,</hi><lb/>
da die Chri&#x017F;tliche Religion nach denen Befehien ih-<lb/>
res HErrn JE&#x017F;u Chri&#x017F;ti erfordert: &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
verla&#x0364;ugnen/ Gewalt mit Gewalt nicht zu vertreiben;<lb/>
&#x017F;ondern dem/ der dich auff den einen Backen &#x017F;chla&#x0364;get/<lb/>
den andern auch darzuhalten; und dem der den<lb/>
Mantel nehmen will/ auch den Rock fahren zu la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ welches der Natur gantz zuwider i&#x017F;t; &#x017F;o halte<lb/>
ich die natu&#x0364;rliche Religion vor viel be&#x017F;&#x017F;er und <hi rendition="#aq">rai&#x017F;o-<lb/>
nabler,</hi> als die&#x017F;e Befehle.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Die&#x017F;e Dinge &#x017F;treiten nicht miteinan-<lb/>
der; und i&#x017F;t der Zweck Chri&#x017F;ti nicht/ daß alle Ge-<lb/>
walt &#x017F;ollte auffgehoben werden; &#x017F;ondern er will nur/<lb/>
daß man &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht ra&#x0364;chen/ die Sache aber der<lb/>
Obrigkeit u&#x0364;bergeben und zu <hi rendition="#aq">decidi</hi>ren u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Der Herr <hi rendition="#aq">Nicander</hi> &#x017F;agte in &#x017F;einem ge-<lb/>
machten Einwurffe/ daß die Verla&#x0364;ugnung &#x017F;einer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Selb&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0073] recht; es iſt auch die Goͤttliche Ordnung in tiefeſter Demuth zu verehren; und denen Obern billig im aͤuſſern allen Gehorſam zu leiſten. Und was ſolche Obere betrifft/ welche ſich als Amptleute und ſub- ordinirte unter GOtt betrachten; und gegen ihre Unterthanen ſo auffuͤhren/ die werden auch nichts leichtſinnig unternehmen/ welches mit dem Willen ihres Souverainen ſtreitet. Solche Unterthanen ſind ſehr gluͤcklich zu ſchaͤtzen/ welche dergleichen Herren haben/ die ſich nicht als eigenmaͤchtige und eigen- ſinnige Tyrannen auffuͤhren: ſondern einen GOtt uͤber ſich erkennen/ welchem ſie von ihrem Regiment Rechenſchafft zu geben alle Augenblick bereit ſind; auch ſind ſolche Herren aller Liebe und Ehren werth. Nicander. Alleine mein werther Herr Modeſtin, da die Chriſtliche Religion nach denen Befehien ih- res HErrn JEſu Chriſti erfordert: ſich ſelbſt zu verlaͤugnen/ Gewalt mit Gewalt nicht zu vertreiben; ſondern dem/ der dich auff den einen Backen ſchlaͤget/ den andern auch darzuhalten; und dem der den Mantel nehmen will/ auch den Rock fahren zu laſ- ſen/ welches der Natur gantz zuwider iſt; ſo halte ich die natuͤrliche Religion vor viel beſſer und raiſo- nabler, als dieſe Befehle. Alamodan. Dieſe Dinge ſtreiten nicht miteinan- der; und iſt der Zweck Chriſti nicht/ daß alle Ge- walt ſollte auffgehoben werden; ſondern er will nur/ daß man ſich ſelbſt nicht raͤchen/ die Sache aber der Obrigkeit uͤbergeben und zu decidiren uͤberlaſſen ſoll. Modeſtin. Der Herr Nicander ſagte in ſeinem ge- machten Einwurffe/ daß die Verlaͤugnung ſeiner Selbſt E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/73
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/73>, abgerufen am 08.05.2024.